Pirmin Schwegler neuer Sportdirektor in Wolfsburg: Wirrwarr aus Namen, Titeln und Kompetenzen – Sport | ABC-Z

In früheren Zeiten ging es beim VfL Wolfsburg geradezu symbiotisch zu. Von 1998 bis 2003 hieß der Trainer Wolfgang Wolf, ein match made in heaven, wie die jungen Leute sagen würden. Gipfelstürme hat der Werksklub in diesen Jahren zwar nicht hingelegt, aber jeder wusste, was von Wolfgang Wolfs Wolfsburgern zu erwarten war: Arbeit und Leidenschaft – wie es der Zufall will, bilden diese beiden Begriffe zwei Drittel des aktuellen Vereinsslogans, der zudem um den Selbstanspruch auf „Fußball“ ergänzt wird.
Wolfs Wolfsburger jedenfalls haben das Fundament gelegt für sämtliche Erfolge, die noch kommen sollten: Felix Magaths Meisterschaft 2009, Dieter Heckings DFB-Pokalsieg 2015, ein 2:0-Sieg gegen Real Madrid in der Champions League im Jahr darauf, eine produktive Vereinsepisode unter dem Österreicher Oliver Glasner zwischen 2019 und 2021.
Es ist also möglich, in Wolfsburg jene Möglichkeiten auszuschöpfen, die den Verantwortlichen vom Mutterkonzern VW zur Verfügung gestellt werden. Beim Blick auf die aktuelle Bundesligatabelle zeigt sich jedoch: Arbeit, Fußball und Leidenschaft sind deswegen noch lange keine Selbstverständlichkeit. Deswegen wird sich am Samstag, beim Auswärtsspiel gegen Borussia Mönchengladbach, ein neues Gesicht einer altbekannten Gefahr gegenübersehen.
Pirmin Schwegler, am Donnerstag als neuer Wolfsburger Sportdirektor vorgestellt, soll seinen Beitrag leisten, damit diese bislang ausbaufähige Saison wenigstens einem versöhnlichen Ende zugeführt wird. In den Jahren 2017 und 2018 konnte der Werksklub erst über die Relegation den Klassenverbleib sichern – eine Perspektive, die auch in den vergangenen Spielzeiten zwischenzeitlich gedroht hatte und in der aktuellen Spielzeit noch lange nicht abgewendet ist.
Wer macht in Wolfsburg eigentlich was? Und wer berichtet was an wen?
Schwegler kommt für eine Ablöse von angeblich 250 000 Euro von Eintracht Frankfurt, wo er seit Beginn dieses Jahres als Leiter Profifußball gewirkt hat; zuvor war er unter anderem als Chefscout beim FC Bayern und Direktor Profifußball in Hoffenheim angestellt gewesen. Leiter, Direktor, jetzt Sportdirektor – aus diesem Wust an Titeln, Zuschnitten und Kompetenzen lässt sich zum einen herauslesen, dass der hervorragend beleumundete 38-Jährige reichhaltige Erfahrungen mit an den Krisenstandort Wolfsburg bringt. Zum anderen steht dieses Berufsbezeichnungs-Wirrwarr stellvertretend für eine Problematik, die sie an diesem Standort schon eine ganzes Weilchen mit sich herumschleppen: Wer macht eigentlich was? Und wer berichtet was an wen?
Beim VfL sind sie in den vergangenen Jahren derart sorglos mit ihrem Organigramm umgegangen, dass die Namen, Titel und Kompetenzen nur so durcheinander gewirbelt wurden. Ein (hoffentlich verständlicher) Überblick: Schwegler folgt auf den vor einem Monat freigestellten Sportdirektor Sebastian Schindzielorz, der 2023 fast als Sport-Geschäftsführer geholt worden wäre, dann aber das Nachsehen gegenüber dem inzwischen in Leipzig wirkenden Marcel Schäfer hatte. Jener Schäfer war zuvor Sportdirektor unter dem Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke und von diesem als dessen Nachfolger aufgebaut worden, seit Juli 2024 heißt der Wolfsburger Sport-Geschäftsführer aber Peter Christiansen.
Jener Christiansen war während der jüngsten Misserfolge selbst in die Kritik geraten, durfte sich aber an der Suche nach einem neuen Sportdirektor beteiligen und hinterher die Gesprächsatmosphäre mit Schwegler loben. Die Wolfsburger Saisonabschlussbilanzen in diesem Zeitraum: Platz zwölf, acht, zwölf und elf; aktuell nimmt der VfL Rang 15 ein. Ein Zusammenhang mit dem Wolfsburger Hierarchiegerangel sollte jedenfalls nicht fahrlässig ausgeschlossen werden.
Schweglers Vertrag läuft drei Jahre länger als der seines Vorgesetzten Peter Christiansen
Der „Boss“, stellte der Däne Christiansen am Donnerstag klar, bleibe weiterhin er, obwohl er die dauernden Machtfragen in Deutschland „ein bisschen merkwürdig“ finde. Schwegler, einst beinharter Defensivmann in Hannover, Hoffenheim, Frankfurt und Leverkusen, versicherte, dass er in den Geschäftsfluren „keinen weggrätschen“ werde. Ohnehin würden die Beteiligten gut daran tun, sich umgehend der Arbeit zu widmen: Unter Interimstrainer Daniel Bauer, der im November vom glücklosen Niederländer Paul Simonis übernahm, sind die Wolfsburger Auftritte zwar stabiler geworden – aber reicht das, um einen bisherigen U19-Coach in die Härten eines möglichen Klassenkampfs zu werfen?
Zudem werden auf dem Wintermarkt ein neuer Stürmer und ein neuer Mittelfeldspieler gesucht, wobei sich Christiansen und Schwegler – sie arbeiten schließlich in Wolfsburg – in dieser Sache wenigstens nicht über fehlende Finanzmittel grämen müssen. Geld für Zugänge soll dem Vernehmen nach zur Verfügung stehen. Allein mit Geld lassen sich im Fußball aber bekanntlich nicht alle Schäden reparieren. Zumal bald wieder Bewegung ins Wolfsburger Organigramm kommen könnte: Schweglers Vertrag läuft bis 2030, der von Boss Christiansen bis Anfang 2027. Nicht nur der Kicker erkennt darin eine „außergewöhnliche Konstellation“.
Die Besetzung dieser Posten obliegt übrigens dem Wolfsburger Aufsichtsrat. Neuestes Mitglied im Gremium: VW-Chef Oliver Blume – ein bei der aktuellen Konjunkturlage sicher viel beschäftigter Mann.





















