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Medikament verwechselt: Was passiert, als eine Frau eine Tier-Arznei einnimmt – München | ABC-Z

Wer mit einer sogenannten Intoxikation zu uns kommt, der hat seinen Körper vergiftet. In den allermeisten Fällen sind es Patienten, bei denen der Alkoholkonsum aus dem Ruder gelaufen ist. Oft ist es auch ein Misch-Intox, bei dem der Missbrauch von Alkohol und illegalen Drogen oder Medikamenten zusammenkommt. Ich würde sagen, dass wir in dieser Hinsicht schon fast jede Kombination und Intensität gehabt haben, die man sich vorstellen kann – da kann uns so schnell nichts mehr überraschen. Ein Intox wegen der versehentlichen Einnahme eines Pferdemedikaments, das ist für uns allerdings schon neu gewesen.

Was zunächst vielleicht witzig klingen mag, war überhaupt nicht witzig. Denn der Fauxpas hätte von Verwirrtheit, Halluzinationen, Magen-Darm-Beschwerden hin zu Bewusstlosigkeit oder sogar Herzrhythmusstörungen führen können. Wenn da nicht sofort Gegenmaßnahmen erfolgen, sodass der Herzschlag wieder in den richtigen Rhythmus kommt, kann das bis zum Tod führen.

Dass die Frau die Pferdemedizin genommen hat, war einer kleinen Unachtsamkeit geschuldet, wie sie uns erzählte: Zu Hause bereitete die Frau einen Apfel vor, sie halbierte ihn und steckte in die eine Hälfte eine Tablette gegen eine Krankheit ihres Tiers. Im Stall angekommen verfütterte sie die eine Hälfte an ihr Pferd, die andere aß sie selbst. Dabei hatte sie ganz offensichtlich die beiden Apfelspalten aus Versehen vertauscht und erwischte für sich das Obststück mit dem Medikament.

Ein Glück, dass die Frau ihr fatales Missgeschick selbst schnell bemerkte und dementsprechend besonnen reagierte: Wenig später bekam sie Schweißausbrüche und Herzrasen, sie fühlte sich schlecht. Da war ihr eigentlich schon klar, was geschehen war. Sie rief beim Giftnotruf an, der ihr mitteilte, dass sie unbedingt ins Krankenhaus müsse und den Notruf verständigen sollte. So schilderte sie es uns später. Weil sie sich in ihrem Zustand ohnehin nicht hinters Steuer setzen wollte, befolgte sie die Anweisung. Eine sehr gute Entscheidung.

Im Grunde war das Problem nicht das Medikament an sich. Denn der gleiche Wirkstoff wird auch in der Humanmedizin bei Parkinson eingesetzt. Doch so ein Pferd wiegt ja doch einiges mehr als ein Mensch, dementsprechend ist das Arzneimittel für das Tier mit deutlich mehr Wirkstoff versetzt als eines für den Menschen. Wie so oft macht auch hier die Dosis das Gift.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.
Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei uns auf der Intensivstation kam die Patientin an die Überwachungsmonitore, um ihren Herzschlag und übrigen Vitalwerte fortlaufend im Blick zu behalten. Bei anderen Tabletten-Intoxikationen ordnen Ärzte nach Rücksprache mit dem Giftnotruf manchmal die Verabreichung von Kohle an – Hundebesitzern kommt das vielleicht vom Tierarzt bekannt vor, wenn der Verdacht besteht, dass das Tier einen Giftköder gefressen hat. Die Kohle bindet die Giftstoffe, die dann beim nächsten Toilettengang einfach ausgeschieden werden.

Früher hätte man bei Fällen von einer schweren Alkohol- oder Misch-Intoxikation noch den Magen ausgepumpt, davon sieht man heutzutage meistens ab. Denn die Gefahr für eine Aspiration ist hoch, also dass etwas vom Mageninhalt in die Lunge gerät. Und das wiederum kommt mit einer neuen Palette an möglichen Komplikationen einher, von einer Lungenentzündung über eine Blutvergiftung bis zum Tod.

Unserer Patientin war das Ganze extrem unangenehm. Wegen solch einem selbst verschuldeten Fehler ins Krankenhaus zu kommen und dann auch noch ein Intensivbett zu belegen. Doch das war ihre Patientensicht. Für mich war klar: Fehler passieren nun einmal. Und das gar nicht so selten, sogar das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit thematisiert die versehentliche Einnahme von Tierarzneimitteln immer wieder. Manchmal folgt daraus nichts Schlimmes, andere Male leider schon. Die Hauptsache war, dass die Frau Glück im Unglück hatte. Nach einer Nacht bei uns waren ihre Symptome so weit abgeklungen, dass wir sie gefahrenfrei nach Hause entlassen konnten.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 41-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind online unter sz.de/aufstation zu finden.

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