Matthew McConaughey über „The Lost Bus“ und seine Liebe zum Schreiben | ABC-Z

Herr McConaughey, der Film „The Lost Bus“, der auf Apple TV zu sehen ist, ist Ihr erster seit sechs Jahren. Warum war diese Geschichte die richtige, um Ihre Schauspielpause zu unterbrechen?
Der Aussicht, mit Paul Greengrass zu arbeiten, konnte ich nicht widerstehen – es gibt im Kino unserer Zeit nicht viele Regisseure, die so packend und so eindringlich Action einfangen wie er. Außerdem reizte mich, dass diese Geschichte über den Camp-Fire-Waldbrand von 2018 eine reale ist. Authentizität und Wahrhaftigkeit empfinde ich bei meinen Rollen immer als einen Bonus. Den echten Kevin McKay kennenzulernen, der damals diesen Bus gefahren ist und geholfen hat, Kinder zu retten, war eine bereichernde Erfahrung.
Kevin McKay arbeitete als Busfahrer und kümmerte sich um seinen Sohn und dessen krebskranke Mutter. Dann bekam er den Auftrag, eine Grundschulklasse abzuholen, die vom Feuer eingeschlossen war. Ist er für Sie der Inbegriff eines Helden?
Wahrscheinlich gibt es mehr als nur eine Definition von Heldentum. Aber für mich sind Helden Menschen, die in Krisen- und Katastrophensituationen nicht fliehen, sondern sich der Lage stellen. Und zwar mit Haut und Haaren. Das trifft auf Kevin voll zu. Wobei er anfangs überhaupt nicht heldenhaft ist: Vor den Problemen in seinem eigenen Leben, etwa der Beziehung zu seinem Sohn, verschließt er eher die Augen. Aber dann kommt er durch das Feuer in eine Situation, die wie eine zweite Chance für ihn ist. Da kann er über sich hinauswachsen und die ganze Menschlichkeit zeigen, die in ihm steckt. Wie es so viele Alltagshelden immer wieder tun.
Spontan an all die Notfall- und Ersthelfer, die Sanitäter und Feuerwehrleute, die kürzlich in meinem Heimatstaat Texas im Einsatz waren, als der von schlimmen Überflutungen heimgesucht wurde. Auch da haben viele Menschen alles verloren, darunter Freunde von uns. Aber noch mehr Menschen konnten gerettet werden.
Da Sie in Texas leben, sind Sie von den verheerenden Waldbränden, die immer wieder auch die Region um Los Angeles heimsuchen, vermutlich nicht betroffen gewesen, oder?
Es gibt auch bei uns in Texas Waldbrände und Ähnliches, aber selten so schlimm wie in Kalifornien. Wir mussten uns zum Glück noch nie deswegen in Sicherheit bringen. Aber ich kenne viele Menschen, die in und um Los Angeles solche Situationen durchmachen mussten und teilweise nicht nur Hab und Gut, sondern auch geliebte Menschen verloren haben. Enge Freunde von uns sind gerade damit beschäftigt, sich zum dritten Mal ein Zuhause aufzubauen, weil ihr Haus schon zweimal Opfer der Flammen wurde.
War die Auszeit, die Sie sich in den vergangenen Jahren gegönnt haben, auch nötig, um wieder Kraft zu tanken?
Nein, es ging nicht darum, dass ich nicht arbeiten wollte. Im Gegenteil: Ich wollte Neues ausprobieren und zum Beispiel meine Führungsqualitäten in anderen Branchen und Lebensbereichen ausprobieren. Aber vor allem habe ich mich in das Schreiben verliebt. Ich brauchte etliche Jahre, um das Selbstvertrauen aufzubauen, mich einfach hinzusetzen und zu schreiben. Und als es so weit war, wollte ich dafür so viel Zeit haben wie möglich. Was ich brauchte, war ein gewisser Abstand, um eine neue, eine objektivere Perspektive auf mein Leben zu bekommen. Und einfach Ruhe.
2020 erschien Ihr autobiographisches Buch „Greenlights“, danach folgte ein Kinderbuch und dieser Tage in den USA nun „Poems & Prayers“. Diesen Output hätten Sie neben der Schauspielerei wohl nicht hinbekommen.
Nein. Wenn ich eine Rolle spiele, dreht sich für mich alles um die Figur und das Drehbuch. Da schalte ich nur am Wochenende ab, wenn ich meine Familie sehe. Ich könnte mich nicht noch abends nach Drehschluss hinsetzen und schreiben. Damit ich überhaupt anfangen kann, brauche ich einen freien Kopf und das Gefühl, keine Deadlines, keinen Zeitdruck zu haben. Meine Kreativität kommt nur in Gang, wenn ich weiß, dass ich den Luxus habe, mindestens zwei Wochen lang keine anderen Verpflichtungen zu haben. Da werde ich zum Einsiedler und ziehe mich selbst von meinen Liebsten zurück.
Hat die Hinwendung zum Schreiben auch damit zu tun, dass Sie als Schauspieler mit dem Gewinn von Oscar und Emmy alles erreicht hatten und neue Ziele brauchten?
Neue Ziele und Herausforderungen sicherlich. Wobei ich nie das Gefühl hatte, in meinem Beruf alles geschafft zu haben, was man schaffen kann. Das wäre ja vermessen, selbst wenn man ein paar schöne Trophäen gewonnen hat, sich in verschiedenen Genres ausprobieren durfte und eine Vielzahl komplexer Figuren spielen konnte. Aber hin und wieder muss man innehalten und hinterfragen, ob man dem Drehbuch seines eigenen Lebens vielleicht ein neues Kapitel hinzufügen sollte. Im Grunde war mein Rückzug das Gegenteil von einem anderen Einschnitt vor 15 Jahren. Damals realisierte ich, dass meine Arbeit nicht annähernd so abwechslungsreich und erfüllend war wie mein Privatleben. Das war der Moment, in dem ich beschloss, erst einmal keine romantischen Komödien mehr zu drehen, sondern als Schauspieler Neues zu wagen. Nun war es vor einigen Jahren so, dass mein Job aufregend und vital zu sein schien, während mein Leben ein wenig routiniert dahinplätscherte. Also galt es, diesbezüglich gegenzusteuern.
Hat Ihnen in den Jahren, in denen Sie nicht vor der Kamera standen, die Schauspielerei gefehlt? Oder stand womöglich zur Debatte, ganz damit aufzuhören?
Es ging mir nie darum, diesen Teil meines Lebens ad acta zu legen. Aber ich habe das Spielen auch nicht wirklich vermisst, wenn ich ehrlich bin. Erst als ich nun für „The Lost Bus“ wieder vor der Kamera stand, merkte ich, dass mir etwas gefehlt hatte. Und wie angenehm es sein kann, nicht allein an einem Projekt zu arbeiten, sondern Teil eines Teams zu sein und die Leitung jemand anderem zu überlassen. Plötzlich fühlte sich die Schauspielerei wie Urlaub an. Auch weil ich nicht wie beim Schreiben wochenlang allein in einer Hütte saß, sondern trotz Arbeit abends und am Wochenende Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbringen konnte.
Mit einem Ihrer kommenden Projekte werden Sie nun beide Leidenschaften verbinden, oder nicht?
Sie meinen die Serie „Brothers“, an der wir gerade weiterarbeiten und die irgendwann kommendes Jahr bei Apple TV zu sehen sein wird. Die habe ich mir zumindest mitausgedacht. Woody Harrelson und ich spielen darin Versionen unserer selbst – und zwar als Brüder. Wir sind schon ewig befreundet, meine Kinder nennen ihn Onkel Woody, für seine bin ich Onkel Matthew. Und natürlich scherzen immer alle, wie viele Fotos es gibt, auf denen wir uns ähnlich sehen. Aber während eines gemeinsamen Griechenland-Urlaubs ließ meine Mutter dann die Bombe platzen. Wir unterhielten uns beim Dinner über unsere Väter, und plötzlich sagte sie aus heiterem Himmel vielsagend zu Woody Harrelson: „Oh, ich glaube, ich kannte deinen Vater!“ Selbst die Kinder hielten inne und ahnten, worauf sie anspielt. Das war die Geburtsstunde für diese herrliche Serienidee.