Ameise klont Männchen anderer Art für Spermaproduktion – Wissen | ABC-Z

Um sich fortzupflanzen, benötigt es meist einen weiblichen und einen männlichen Part. Allerdings stellen Insekten dieses Konzept auf den Kopf und bringen durch Jungfernzeugung auch aus unbefruchteten Eiern Nachwuchs hervor. Nun haben Forscher aber festgestellt, dass eine Ameisenart die Möglichkeiten der Fortpflanzung noch einen Schritt weitertreibt und damit eine fundamentale Regel der Biologie bricht.
Denn die Königinnen der Art Messor ibericus können aus dem Sperma einer anderen Ameisenart Männchen dieser Art (Messor structor) klonen. Aus den Eiern der Ameisenkönigin schlüpfen also zwei unterschiedliche Arten, wie Forschende im Fachmagazin Nature berichten.
Die Königinnen der iberischen Ernteameise sind sexuelle Parasiten, das ist schon länger bekannt. Um Arbeiterinnen zu produzieren, nutzen sie das Sperma der Ameisenart Messor structor: Die fremden Spermien verwenden sie, um sterile Hybriden als Arbeiterinnen zu zeugen. Die Armee der Arbeiterinnen ist in der Kolonie für den Nestbau und die Nahrungssuche zuständig.
Für den Nachschub an Hybriden sind sie also auf das Sperma einer anderen Art angewiesen. An dieses Sperma kommen sie, indem sie es stehlen, normalerweise aus fremden Kolonien.
Wie kamen die Messor-structor-Männchen nach Sizilien?
Doch die beiden Ameisenarten Messor ibericus und Messor structor haben unterschiedliche Ausbreitungsgebiete, die sich nur teilweise überschneiden. Die iberische Ernteameise krabbelt vorwiegend im Mittelmeerraum. Sie findet sich aber auch in Deutschland in der Rheinregion zwischen Koblenz und Mainz. In den Regionen, in denen beide Ameisen vorkommen, kommt die Ameisenkönigin leicht an die Spermien von Messor structor.
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Die Forschenden fanden Messor-ibericus-Ameisen aber auch in Sizilien. Dort konnten sie keine einzige Kolonie der Messor-structor-Ameise finden. Es gab jedoch Messor-structor-Männchen in den Ibericus-Kolonien. Wie also kamen die dorthin?
Im Labor konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten, dass aus den Eiern einer Ameisenkönigin der Art Messor ibericus zwei Arten schlüpften: die eigene Art und die andere Ameisen-Spezies. „Das erscheint biologisch unmöglich“, sagt Jonathan Romiguier von der Universität Montpellier, einer der Autoren der Studie, im Nature Podcast.
Die Ameisenkönigin nimmt offenbar das Erbgut der anderen Art in ihren Eiern auf und entfernt das eigene Erbgut. Sie klont also die Männchen einer anderen Art, um anschließend für die weitere Fortpflanzung an deren Sperma zu kommen – und kann sich so auch auf Gegenden ausbreiten, wo Messor structor nicht vorkommt. Dieser Klonvorgang einer fremden Art ist im Tierreich neu.
Die zwei Ameisenarten haben sich vermutlich vor fünf Millionen Jahren auseinanderentwickelt, schreiben die Forschenden im Fachartikel. Das sei eine ähnliche Größenordnung wie bei Menschen und Schimpansen, erklärt Jonathan Romiguier.
Die Forschenden sprechen davon, dass die Situation einer sexuellen Domestizierung ähnelt. Die Ameisen nutzen die andere Art aus, um die eigene Kolonie am Leben zu erhalten; die Messor-structor-Männchen wurden dafür von der iberischen Ernteameise domestiziert. Gleichzeitig sorgt sie aber für den Erhalt der anderen Ameisenart.