Mars: Eine SMS dauert 22 Minuten – Nach 378 Tagen Einsamkeit endet dieses Experiment |ABC-Z
Nach 378 Tagen Einsamkeit endet dieses verrückte Mars-Experiment
In Spezial-Anzügen spazierten sie auf rotem Sand, lebten auf 160 Quadratmetern in „Mars Dune Alpha“: Für vier Menschen endet in wenigen Tagen ein psychologisches Experiment der Nasa. Die US-Raumfahrtbehörde schickte sie in die Isolation, um wichtige Daten zu sammeln.
Vier Menschen, knapp 160 Quadratmeter – und das mehr als ein ganzes Jahr lang: Nach 378 Tagen in einem Mars-Simulationsgelände der US-Raumfahrtbehörde Nasa im texanischen Houston sollen zwei Frauen und zwei Männer am kommenden Samstag wieder in ihren Alltag auf der Erde zurückkehren. Zwölf Monate lang haben die vier Freiwilligen das mithilfe eines 3D-Druckers geschaffene, fensterlose „Mars Dune Alpha“-Gelände dann nicht verlassen.
Sie haben Geburtstage dort gefeiert, an Weihnachten ein Plastikbäumchen aufgestellt und Weihnachtsstrümpfe aufgehängt – vor einem Bildschirm, auf dem ein Kamin zu sehen war. All das im Dienst der Wissenschaft: Das sogenannte „Chapea“-Programm, Crew Health and Performance Exploration Analog, soll der Nasa dabei helfen, eines Tages wieder Menschen auf den Mond und später auch auf ferne Missionen Richtung Mars zu schicken.
„Das Wissen, das wir hier sammeln werden, wird uns ermöglichen, irgendwann Menschen zum Mars und sicher wieder nach Hause zu bringen“, sagte Nasa-Managerin Grace Douglas beim Einzug der vier Bewohner im Juni 2023.
Frühestens in den 2030er-Jahren könnte es nach derzeitigem Planungsstand so weit sein. Mit dem nach der griechischen Göttin des Mondes benannten „Artemis“-Programm will die Nasa erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert wieder Menschen auf den Mond bringen – darunter erstmals eine Frau. Das langfristige Ziel von „Artemis“ ist die Errichtung einer permanenten Mondbasis als Grundlage für bemannte Missionen zum Mars.
Die vier Teilnehmer der ersten „Chapea“-Mission sind keine ausgebildeten Nasa-Astronauten. Bewerben durfte sich jeder zwischen 30 und 55 Jahren, der „gesund und motiviert“ ist, nicht raucht und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft oder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung sowie einen naturwissenschaftlichen Universitätsabschluss und mindestens 1000 Flugstunden vorzuweisen hatte.
Ausgewählt wurden Ross Brockwell, der öffentliche Bauarbeiten im US-Bundesstaat Virginia organisiert, die Biologin Kelly Haston aus San Francisco, der Arzt und dreifache Vater Nathan Jones aus dem US-Bundesstaat Illinois und die Mikrobiologin Anca Selariu. „Ich kann es gar nicht glauben, hier zu sein“, sagte Selariu vor dem Einzug – und Jones bedankte sich bei seiner Familie für die Unterstützung: „An meine Frau und meine Kinder: Ich liebe euch bis zum Mars und zurück.“
Ein Jahr lang lebten die vier auf knapp 160 Quadratmetern – mit etwa zwei mal drei Meter großen Schlafzellen, einer Art Wohnzimmer mit Fernseher und Sesseln, Arbeitstischen mit Computern und einer medizinischen Station. Mit Familie und Freunden kommunizieren durften die vier Insassen – allerdings in „Mars-Zeit“, das heißt, dass sogar das Übermitteln einer kurzen SMS meist 22 Minuten dauerte.
In einem kleinen Außenbereich simulierten die vier Bewohner Mars-Außeneinsätze. Daneben standen die Instandhaltung der Anlage und Sport unter anderem auf Heimtrainern an. „Um es so Mars-realistisch wie möglich zu machen, ist die Crew auch mit Umweltstress-Faktoren konfrontiert – zum Beispiel limitierten Ressourcen, Isolation und kaputtgehender Ausrüstung“, hieß es von Seiten der Nasa.
„Der Hauptgrund, warum wir das finanziert haben, ist, dass wir bessere Antworten auf die Frage brauchen: Wie viel Essen benötigt man wirklich für eine Mars-Mission?“, sagte Nasa-Managerin Rachel McCauley der „New York Times“. „Und was hat es mit dem psychologischen Aspekt der Mission auf sich? Der Monotonie? Der Einsamkeit?“, nennt sie Fragen, denen man auf diese Weise nachgehen will.
Um den knappen Speiseplan etwas aufzulockern, baute die Crew in einem Innen-Garten unter anderem Tomaten, Paprika und Salat an. „Pflanzen anzubauen kann auch einen psychologischen Nutzen haben für Astronauten, die in einer isolierten Umgebung weit weg von der Erde wohnen“, sagte Nasa-Managerin Gioia Massa. Auch dazu erhoffe man sich Daten.
„Chapea“ ist nicht das erste Experiment dieser Art. Unter anderem sammelte die Nasa mit den „Hi Seas“-Missionen in einem Simulationsgelände auf Hawaii Erfahrungen und Daten. Ebenso initiierten die Raumfahrtbehörden Europas, Russlands und Chinas vor knapp 15 Jahren das „Mars 500“-Projekt.
Und es soll weitergehen: Die Nasa hat zwei weitere „Chapea“-Missionen in Planung, die nächste soll im Frühjahr 2025 starten.