Markus Söder: Scharfe Kritik an Ampel-Regierung – „Werden in der Migrationspolitik neues Kapitel aufschlagen“ | ABC-Z
Volle Unterstützung für Kanzlerkandidat Merz und scharfe Attacken Richtung Berlin: Markus Söder schwört seine CSU beim Auftakt des Parteitags auf Wahlkampf mit Merz und einen Regierungswechsel ein. Und reklamiert für diesen Fall das Landwirtschaftsministerium.
„Die Ampel ist klinisch tot. Ehrlich wären Neuwahlen sofort“, ruft Bayerns Ministerpräsident und Parteichef Markus Söder vor den Delegierten des CSU-Parteitags in Augsburg aus. Und: „Wir können aus dem Stand loslegen“.
Das Programm, das Söder sich für einen Regierungswechsel vorstellt, wäre eine Kehrtwende zu praktisch jedem Aspekt der derzeitigen Bundespolitik und bei der Migrationspolitik auch zur bisherigen Linie der Union, vor allem der CDU. „Die Narben sind bei vielen noch nicht verheilt“, gibt Söder zu und meint damit die Öffnung der Grenzen 2015 unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel.
„CDU und CSU waren in dieser Zeit nicht immer einig“. Mehr noch: „Das hat die Union fast zerstört“. Aber diese Zeiten seien vorbei. „Das Schisma ist beendet“. Denn: „Friedrich Merz und ich haben die Union wieder zusammengeführt“, lobt Söder.
Söder schwor seine Partei auf eine uneingeschränkte Unterstützung von Merz als Kanzlerkandidat ein. „Ich verspreche 100 Prozent Unterstützung. Es wird keinen Streit, es wird keinen Zwist geben. Wir schicken Olaf Scholz gemeinsam in die Rente.“ Dafür erhielt er Jubel und Applaus.
„Wir meinen es ernst. Wir machen ernst“
Merz wird am Samstag beim CSU-Parteitag sprechen. Bei Söders Eröffnungsrede ist CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Saal, der auch Lob abbekommt: Es sei eine Leistung, „Carsten, dass ihr es geschafft habt, die CDU mitzunehmen“.
Jetzt würden aber viele auch fragen, wie ernst es der Union beim Migrationsthema sei. Söder will Zweifel zerstreuen: „Wir meinen es ernst. Wir machen ernst. Wir werden in der Migrationspolitik ein neues Kapitel aufschlagen.“ Und dazu, über den dann schon lauten Beifall: „Definitiv“.
Abschiebungen solle es auch nach Syrien und Afghanistan geben, der subsidiäre Schutz für Angehörige wegfallen. „Tausend Euro Abschiedsgeld für Vergewaltiger – das versteht kein Mensch“, donnert er. Er kritisiert die Bundesmigrationsbeauftragte, die mit Steuergeld ein Portal fördere, „wo man Tipps gibt, wie man Abschiebung austrickst. Solche Ämter braucht unser Deutschland nicht mehr“.
Ähnlich klar wird Söder auch beim Thema Sicherheit. Er spricht über den gescheiterten Anschlag eines Einzeltäters auf das israelische Generalkonsulat in München vor wenigen Wochen. Da hatten Polizisten einen Mann erschossen, der mit einem Gewehr das Feuer eröffnet hatte. „Lieber ein toter Terrorist als ein toter Polizist“, ruft Söder. Die Delegierten applaudieren.
Überhaupt, was Israel betrifft: „Bayern steht an der Seite Israels“. Von Bayern gebe es ein „Schutzversprechen an Juden“. Es sei „beschämend, wenn Kulturlinke in den Salons ihren Antisemitismus zeigen“ oder wenn „Greta Thunberg keift“. Und schließlich, etwas pathetisch: „Die Flagge Israels weht vor der Staatskanzlei und in unseren Herzen.“ Außenministerin Annalena Baerbock dagegen verzögere Waffenlieferungen wirke „wie die Aktivistin einer NGO“, wenn sie Israel Ratschläge erteile.
In seiner Rede, überwiegend frei gesprochen, hakt Söder die Themenliste ab, die sich auch auf Hunderten Seiten Anträgen findet.
Zur Bildungspolitik: „Wohlstand kann nur erwirtschaftet werden, wenn es Leistung gibt. Ja zu Leistung, nein zu Gendern“. Und: „Wir sind ein christlich geprägtes Land und wollen es auch bleiben.“
Zur Verteidigungspolitik: „Überall werden Waffen schnell beschafft, nur wir brauchen Jahrzehnte dafür.“ Das müsse sich ändern. Die Bundeswehr brauche mehr Geld. Angesichts der russischen Bedrohung spiele die Verteidigung des eigenen Landes wieder eine zentrale Rolle. „Wir werden mehr Soldaten brauchen. Darum braucht es eine Wehrpflicht und langfristig eine allgemeine Dienstpflicht.“ Und als Spitze gegen die Ampel: „Wir überlassen unsere Freiheit nicht dem Zufall oder den Linken.“
Die Stärke von AfD und BSW erklärte Söder mit einem „Störgefühl, das unser Land erfasst“. Das mache sich an allem möglichen fest, auch an vermeintlichen Banalitäten. „Früher waren Bahn und Post pünktlich. Brücken sind nicht eingestürzt. Es gab einen Arzttermin. Man fühlte sich überall sicher. Das ist heute nicht mehr so.“ Ein Verbotsverfahren gegen die AfD lehnte er gleichwohl ab. Wer das fordere, „gibt der AfD die besten Chancen, sich in der Bundestagswahl als Märtyrer zu präsentieren.“
Zur Wirtschaftspolitik: „Die Bürokratie lähmt inzwischen das Land. Wir brauchen einen Abbau von Gesetzen.“ Als erstes müsse das „unselige Lieferkettengesetz“ ausgesetzt werden. Baurecht, Brandschutz, Vergaberecht, auch Datenschutz: All das müsse „auf das Notwendige“ zusammengestrichen, das Verbandsklagerecht etwa für die Deutsche Umwelthilfe abgeschafft werden. Die Steuern müssten gesenkt werden. Statt in „marode Werften im Norden“ müsse der Staat Zukunftstechnologien unter die Arme greifen.
Zur Sozialpolitik: Das Bürgergeld „sei zutiefst sozial ungerecht“ und überdies nicht mehr finanzierbar. „Wer nie eingezahlt hat, kann auch kein Bürgergeld bekommen.“ Stattdessen wolle die Ampelregierung noch zusätzlich eine „Arsch-hoch-Prämie“ an die bezahlen, die doch mit einer Arbeit anfange. Er, Söder, halte dagegen: „Wer nicht arbeiten will, obwohl er kann, der braucht eine Strafe. Leistung muss sich wieder lohnen.“
Söder will Landwirtschaftsministerium für CSU
Im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der nächsten Bundestagswahl will Söder für seine Partei das Agrarministerium beanspruchen. „Eigentlich gehört das Bundeslandwirtschaftsministerium endlich mal wieder in unsere Hand.“ Die CSU hatte das Ministerium zwischen 2005 und 2018 praktisch ohne Pause in ihrer Verantwortung – dann ging das Haus zunächst an die CDU und seit der vergangenen Bundestagswahl wird es von den Grünen verantwortet.
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die CSU sich wieder verstärkt als Partei präsentiert, die sich hinter die Forderungen der Landwirte stellt. Besonders deutlich wurde dies bei den Protesten der Bauern gegen Subventionskürzungen der Bundesregierung.
Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die bayerische Politik.