„Markus Lanz“: „Ob dann das eine oder andere Gebiet mehr zur Ukraine gehört, ist nicht relevant“, sagt Jörg Urban | ABC-Z
Wie weiter im Ukraine-Krieg? Und sollten die Deutschen wieder Gas aus Russland beziehen? Bei Markus Lanz zeigten die Vertreter von AfD und BSW, wie nahe sich Rechtsaußen und Linksaußen in dieser Frage sind.
Die Welt wird immer komplizierter, die Antworten der Populisten immer einfacher – das ist der Nenner, auf den Markus Lanz seine Talkrunde nach den Parteitagen von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht vom Wochenende bringen wollte. Reichlich Sendeminuten räumte Lanz der BSW-Co-Vorsitzenden Amira Mohamed Ali und dem sächsischen AfD-Chef Jörg Urban ein, um ihre Haltung zu den Themen Russland-Ukraine-Krieg, Wirtschaftskrise und Energieversorgung in Deutschland darzulegen.
Und die Sendung offenbarte tatsächlich recht anschaulich, wie schwer es ist, Populismus mit abgewogenen Argumenten zu begegnen. Am Ende waren der Militärhistoriker Sönke Neitzel und der stellvertretende Zeit-Chefredakteur Martin Machowecz weitgehend verstummt, und dem tapfer um scharfe Gegenrede bemühten Lanz war die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Immerhin: Den Beweis, wie nahe sich Rechtsaußen und Linksaußen sich vor allem in der Bewertung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind, konnte Lanz führen.
Beinahe wortgleich redeten Mohamed Ali und Urban einer Wiederannäherung an Russland das Wort. Einen Stopp aller Waffenlieferungen und sofortige Verhandlungen mit Russlands Präsident Putin forderte die BSW-Vorsitzende. „Wir sind der Auffassung, wir müssen jetzt sehr schnell zu einem Waffenstillstand kommen. Der sollte auch ohne Bedingungen stattfinden, damit das Sterben endet.“ Erst Waffenstillstand, dann Verhandlungen über die besetzten Gebiete, so stellt sich die BSW-Vorsitzende das Szenario vor.
Die Frage von Militärhistoriker Neitzel, warum Putin sich an den Verhandlungstisch begeben sollte, wenn er gegenüber einer vom Westen nicht mehr aufgerüstete Ukraine genauso gut seine Maximalzeile erreichen könnte, konnte Mohamed Ali nicht schlüssig beantworten. Schon viel zu lange sei versucht worden, die Ukraine in eine Position der Stärke zu versetzen. „Es ist aber nicht eingetreten. Wie lange soll man denn jetzt noch versuchen, diesen Weg weiterzugehen?“
Ihre Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand begründet sie mit dem Eskalationspotential des Krieges. „Ich glaube nicht, dass der Kurs, immer mehr und immer schwerere Waffen zu liefern, am Ende zu einem schnellen Frieden führen wird, sondern eher zu einer Eskalation, die sehr gefährlich ist.“
Man habe der Ukraine so so viele Waffen geliefert, dass sie weiter kämpfen kann, aber zu wenig, um in eine Verhandlungsposition zu kommen, hält Neitzel dagegen. „Ohne Unterstützung wird dieses Land wahrscheinlich zusammenbrechen. Und das ist genau das, worauf Putin setzt.“
Trotzdem baut auch Urban auf Verhandlungen mit dem russischen Diktator. Der sächsische AfD-Chef, der mit einer Russin verheiratet ist, versucht es über die menschelnde Schiene. „Es war ganz großer Fehler, die Gespräche überhaupt abzubrechen. Wer Frieden will, muss miteinander reden.“ Dass Putin Expansionsinteressen auch über die Ukraine hinaus hat, hält Urban nicht für ausgemacht. „Das wird immer so in den Raum gestellt.“
Wie weit er bereit ist, den Interessen Russlands entgegenzukommen, macht Urban klar, als er über die Wege zu einem möglichen Kriegsende spricht. „Es sterben jeden Tag tausende Menschen. Jetzt zu sagen, wir machen das noch ein paar Monate weiter, um eine bessere Verhandlungsposition zu bekommen, ist nicht meine Sichtweise.“ Er wolle, dass das Sterben so schnell wie möglich aufhöre. „Und ob dann ein Gebiet mehr oder weniger zur Ukraine gehört, ist aus meiner Sicht nicht relevant. Am Ende ist es egal, ob jemand in seinem Haus, das ganz geblieben ist und seiner Familie, die noch lebt, in der Ukraine lebt oder in Russland.“ Einfacher kann man Putin die Ukraine nicht auf dem Silbertablett servieren.
Immerhin, dass Russland in der Ukraine einen Angriffskrieg führt, erkannte auch Urban an. Markus Lanz‘ mehrfach gestellte Frage, ob er Putin für einen Kriegsverbrecher halte, wollte er jedoch nicht beantworten. „Das Etikett nützt auch niemandem – es macht es am Ende noch schwerer, sich mit Putin zusammenzusetzen und zu verhandeln.“
Verhandlungen seien auch im deutschen Interesse, auch hier waren sich Mohamed Ali und Urban bemerkenswert einig. So rasch wie möglich müsse Deutschland wieder Gas aus Russland beziehen, forderten sie. „Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland sollten aufgehoben werden, weil sie Deutschland und Europa mehr schaden als Russland“, sagte die BSW-Vorsitzende. Wenn man moralische Kriterien an Handelsbeziehungen anlege, komme Deutschland in schweres Fahrwasser, argumentierte Mohamed Ali. Als rohstoffarmes Land sei Deutschland angewiesen auf bezahlbare Energie.
Urban stieß ins selbe Horn. Die Energiefrage sei „eine Schlüsselfrage“ bei dem Thema, ob Industrie und Wirtschaft in Deutschland noch gehalten werden könnten, so Urban. „Wenn hier die Wirtschaft zusammenbricht, dann sind wir Witzfiguren – nicht nur für Russland, sondern auch für andere Länder.“ Selbst Donald Trump habe die Europäer aufgefordert, die Deutschen sollten sich mal „dazu aufraffen, ihre eigenen Interessen zu vertreten.“
Es war schließlich an Lanz, die Debatte abzumoderieren. Mit einem Dreh, mit dem er Urban versuchte, gewissermaßen an der eigenen Ehre zu packen. „Sie sind die Partei, die vorgibt, Sorge um dieses Land zu haben und besonders patriotisch zu sein“, fragte er rhetorisch. „Wie patriotisch ist es eigentlich, sich so an Russland ranzuschmusen?“ Die Antwort Urbans fiel kurz und knapp aus: „Eine Anbiederung findet nicht statt.“