Marktbericht: Wall Street-Anleger auf dem Sprung | ABC-Z

marktbericht
Nach verhaltenem Start haben sich die Anleger an der Wall Street im Sitzungsverlauf wieder mutiger gezeigt. Mit Spannung werden die Ergebnisse der Zollverhandlungen mit der EU erwartet.
Nachdem neue Zahlen vom Arbeitsmarkt an den US-Börsen zunächst verhalten aufgenommen wurden, fiel die Beurteilung der Daten auf den zweiten Blick positiver aus. Im Gefolge zogen die großen Aktienindizes an. Dabei genügten aufgrund des hohen Niveaus schon moderate Gewinne, um für die Statistik an der Nasdaq und beim S&P 500 knapp neue Rekordstände zu erreichen.
Mit Spannung erwarten die US-Anleger derzeit auch die Ergebnisse der Zollverhandlungen mit der EU, was die Aktivitäten insgesamt aber noch dämpft. Wie auch an den europäischen Märkten hoffen die US-Anleger auf ein akzeptables Ergebnis.
Die Investoren bleiben aber auf dem Sprung, was an den hohen Indexständen abzulesen ist. Größeren Verkaufsdruck gibt es derzeit trotz so mancher Unsicherheiten nicht.
Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, blieb zwar unter seiner historischen Bestmarke, schnitt aber heute mit einem Plus von 0,43 Prozent auf 44.650 Punkte am besten ab. Der S&P 500 erreichte bei 6.290 Zählern im Verlauf einen neuen Höchststand und schloss am Ende bei 6.280 Zählern um 0,27 Prozent höher.
Der Nasdaq Composite-Index erreichte in der Spitze sein neues Rekordhoch bei 20.655 Zählern, der Schlussstand lag bei 20.630 Punkten, ein Tagesplus von 0,1 Prozent. Der Auswahlindex Nasdaq 100 blieb bei 22.907 Punkten im Tageshoch knapp unter seiner Bestmarke von 22.915 Punkten und gab am Ende noch 0,16 Prozent ab auf 22.829 Punkte.
Unerwartet gering fielen die wöchentlichen Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe aus. Dies dämpfte zwar unmittelbare Zinshoffnungen, zumal die Protokolle der jüngsten Fed-Sitzung keinen Hinweis auf einen solchen Schritt bei der kommenden Sitzung Ende Juli lieferten; Investoren konnten dem Ganzen aber trotzdem auch eine gute Seite abgewinnen.
“Die robuste US-Wirtschaft gibt der Fed Zeit, die Auswirkungen von Zollerhöhungen auf Preise und Wachstum zu untersuchen, bevor sie die Zinsen senkt”, sagte Anlagestratege Elias Haddad von der Investmentbank Brown Brothers Harriman. An den europäischen Börsen waren die Anleger heute nach den US-Daten weniger differenzierter.
Konkret sind die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA in der vergangenen Woche unerwartet gefallen. Die Zahl der Hilfsanträge sank um 5.000 auf 227.000, wie das Arbeitsministerium am Nachmittag in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt einen Anstieg auf 235.000 Anträge erwartet.
Allerdings rückt der Zeitpunkt für eine Zinssenkung in den USA nach Darstellung der Fed-Gouverneurin Mary Daly näher. Es sei an der Zeit, über eine Anpassung des Zinssatzes nachzudenken, sagte heute die Präsidentin der regionalen Notenbank von San Francisco. Sie halte zwei Zinssenkungen in diesem Jahr für ein wahrscheinliches Ergebnis.
Im Fokus der US-Börsen dürfte neben dem Fortgang der Zoll- und Geldpolitik aber auch zunehmend die beginnende Berichtssaison für das zweite Quartal stehen. Dabei ist durchaus ein gewisses Enttäuschungspotenzial vorhanden:
“Branchenübergreifend gefährden geopolitische Spannungen, Währungsschwankungen und eine erratische Handelspolitik die Gewinnpfade”, kommentiert Marc Decker, Aktienmarkt-Experte bei der Quintet Private Bank. “Dies macht die nun startende Berichtssaison zum entscheidenden Stimmungstest für die zweite Jahreshälfte.”
Über allem bleibt die Fantasie um das Megathema Künstliche Intelligenz (KI) ein Dauerbrenner, der jederzeit für deutliche Kursbewegungen abseits aller geostrategischen oder ökonomischen Entwicklungen sorgen kann – und den es in dieser Form eben nur an der Wall Street gibt.
Ein beeindruckendes Beispiel gab es erst gestern, als KI-Platzhirsch Nvidia neue Bestmarken setzte und seine Börsenbewertung über vier Billionen Dollar steigerte. Auch Tech-Riese Microsoft erreichte neue Bestmarken bei einer Bewertung von rund 3,7 Billionen Dollar. Zuletzt gewann die Nvidia-Aktie 0,75 Prozent auf 164,10 Dollar, knapp unter dem gestrigen Rekordhoch bei 164,50 Dollar. Microsoft gaben hingegen moderat nach.
Unter den US-Einzelwerten standen Kellog im besonderen Fokus. Denn “Froot Loops” und “Rice Krispies” gehören in den USA künftig zu Nutella. Das italienische Familienunternehmen Ferrero schluckt den US-Frühstücksflocken-Hersteller WK Kellogg für 3,1 Milliarden Dollar in bar, wie beide Unternehmen heute mitteilten.
WK Kellogg war vor gut zwei Jahren entstanden, als sich Kellogg aufgespalten hatte. Während das weltweite Geschäft mit salzigen Snacks wie “Pringles”-Chips sowie das Geschäft mit Frühstücksflocken wie den namensgebenden Cornflakes außerhalb der USA unter dem Namen “Kellanova” verselbstständigt wurde, ging das Nordamerika-Geschäft mit Cerealien wie “Kellogg’s”, “Froot Loops” und “Frosties” in WK Kellogg auf. Kellanova war vor knapp einem Jahr für 36 Milliarden Dollar an den “Snickers”-Konzern Mars verkauft worden; die US-Kartellbehörden haben dem kürzlich zugestimmt.
WK Kellogg und Kellanova kämpfen – wie viele Lebensmittelkonzerne – mit der Unsicherheit vieler Verbraucher infolge der wankelmütigen Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. An der Börse war WK Kellogg zuletzt noch 1,5 Milliarden Dollar wert. Die Offerte von Ferrero über 23 Dollar je Aktie bedeutet einen Aufschlag von 31 Prozent auf den Schlusskurs vom Mittwoch. WK Kellog-Aktien zogen entsprechend an der NYSE 30,6 Prozent an.
Der DAX hat heute auf das am Morgen erreichte neue Rekordniveau von 24.639 Punkten nichts mehr draufsatteln können. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 24.456 Punkten nahe Tagestief. Die Verluste verstärkten sich am Nachmittag, nachdem überraschend starke US-Arbeitsmarktdaten Zinssenkungshoffnungen der Anleger dämpfen.
Gleichwohl befindet sich der Markt weiter in einer sehr starken Phase: Gestern war der DAX 1,4 Prozent gestiegen auf 24.549 Punkte und hatte im Handelsverlauf ein Rekordhoch bei 24.609 Zählern markiert. Im bisherigen Jahresverlauf zog der deutsche Leitindex bereits rund 23 Prozent an. Der MDAX der mittelgroßen Werte hielt sich heute besser und legte 0,36 Prozent zu.
Der Bitcoin machte heute weiter mit seiner Rekordrally. Die älteste und bekannteste Digitalwährung kletterte am Abend erstmals über die Marke von 113.000 Dollar. Auf der Handelsplattform Bitstamp erreichte der Bitcoin zuletzt einen Rekordwert bei knapp 113.800 Dollar. Damit übertraf er seinen alten Höchstwert vom Vorabend bei über 112.000 Dollar noch einmal deutlich.
Lukas Enzersdorfer Konrad, Deputy CEO von Europas größtem Kryptobroker Bitpanda, sagte: “Der jüngste Anstieg von Bitcoin ist kein Zufall.” Er werde durch eine Mischung aus günstigen makroökonomischen Bedingungen und einem stetigen Anstieg des Interesses institutioneller Anlegern angetrieben.
Der Euro geriet heute im europäischen Geschäft unter Druck. Der Kurs der Gemeinschaftswährung im Tief sank am späten Nachmittag auf 1,167 Dollar. Im frühen Handel hatte der Euro noch bei 1,1750 Dollar notiert. Zuletzt wurden im US-Handel wieder 1,1692 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1709 (Mittwoch: 1,1698) Dollar fest.
Belastet wurde die Gemeinschaftswährung durch starke Arbeitsmarktdaten aus den USA. In der vergangenen Woche sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe unerwartet gefallen. Volkswirte hatten hingegen mit einem Anstieg gerechnet.
Die Arbeitsmarktdaten sprechen eher gegen baldige Leitzinssenkungen durch die US-Notenbank Fed, was tendenziell den Dollar stützt – dies trotz des hohen Drucks auf Notenbankchef Jerome Powell. US-Präsident Donald Trump verlangt immer wieder Zinssenkungen und den Rücktritt von Powell.
Die Ölpreise gaben merklich nach. Die US-Zollpolitik sorgt für Verunsicherung. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent-Öl kostete zuletzt 1,8 Prozent weniger, die US-Sorte WTI verbilligt sich um rund 2,0 Prozent.
Weiterhin bestimmt die US-Zollpolitik das Geschehen am Rohölmarkt. Das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump bleibt wenig vorhersehbar. So hat dieser jetzt Zölle in Höhe von 50 Prozent gegen Brasilien verhängt.
Investoren schauen jüngst auch wieder mehr auf die Entwicklung im Nahen Osten. Die Huthi-Miliz hat nach US-Angaben erneut ein Handelsschiff versenkt und dabei eine unbekannte Zahl von Menschen getötet. Der Ölverbund Opec+ diskutiert laut Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg derweil über eine Pause bei den Fördermengenkürzungen. Für den August war zuletzt eine deutliche Erhöhung der Fördermenge beschlossen worden. Im September soll eine weitere folgen. Für den Oktober werde jedoch über eine Pause diskutiert.
Die Aktien von BMW zogen am Nachmittag an und beschleunigten damit ihre jüngste Rally. Börsianer begründeten dies mit positiv aufgenommenen Aussagen aus einer Konferenz mit Analysten vor den anstehenden Quartalszahlen. Eine BMW-Sprecherin bestätigte auf Nachfrage den positiven Ton des Calls. Die Papiere des Münchener Autobauers gewannen über vier Prozent an. Damit setzten sie sich an die Spitze des DAX.
Analyst Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan verwies vor allem auf die Kommentare des Managements, in denen es die Generierung von freiem Cashflow für das Jahr sowie eine stärkere Generierung von freiem Cashflow gegenüber dem Vorquartal bekräftigte. Dies sei auf diszipliniertes Investitions- und Bestandsmanagement sowie Kostensenkungsmaßnahmen zurückzuführen.
Die Deutsche Telekom-Tochter T-Mobile US beendet ihre Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (DEI) auf Druck der Regierung von Donald Trump.
In einem Schreiben an den Chef der US-Telekom-Regulierungsbehörde FCC, Brendan Carr, erklärte T-Mobile US, man werde die eigenen DEI-bezogenen Richtlinien “nicht nur dem Namen nach, sondern in der Substanz” beenden. Es werde keine individuellen Rollen oder Teams mehr geben, die sich mit DEI befassen, hieß es. Zudem würden alle Verweise auf DEI auf den Websites von T-Mobile US-und aus Schulungsmaterialien für Mitarbeiter entfernt.
Der Autobauer Volkswagen hat die Lieferung seines Elektro-Kleinbusses ID.Buzz in die USA vorerst gestoppt. Hintergrund seien neben einem Rückruf auch die Strafzölle der Regierung von US-Präsident Donald Trump, hieß es. Ein Sprecher der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge bestätigte, dass der ID.Buzz derzeit nicht in die USA ausgeliefert werde. Als Grund nannte er einen Rückruf wegen einer aus Behördensicht zu breiten Rücksitzbank des US-Modells.
Die Wechsel an den Spitzen des Triebwerksbauers MTU und der größten Sparte des Flugzeugbauers Airbus sind perfekt. Der frühere Lufthansa-Technik-Chef Johannes Bussmann (56) wechselt Mitte Juli vom TÜV Süd zu MTU und übernimmt dort zum 1. September die Führung von Vorstandschef Lars Wagner (50), wie der Triebwerksbauer heute in München mitteilte.
Wagner wiederum geht im Herbst zum weltgrößten Flugzeughersteller nach Toulouse und übernimmt dort zum 1. Januar 2026 die Leitung der Verkehrsflugzeugsparte von Christian Scherer, wie Airbus mitteilte. MTU und Airbus sind beide im DAX notiert.
Tesla sieht in seinem Werk in Grünheide bei Berlin trotz zurückgehender Neuzulassungen in Deutschland keine Arbeitsplätze in Gefahr. Das Tesla-Werk bei Berlin ist die einzige Autofabrik von Elon Musk in Europa. Dort arbeiten rund 11.000 Beschäftigte. Das Model Y, das dort hergestellt wird, war erneuert worden. Nach eigenen Angaben beliefert Tesla aus Grünheide derzeit mehr als 30 Märkte in Europa und Asien – das gilt als Vorteil, um widerstandsfähiger gegen Schwankungen zu sein.
Das Unternehmen betonte, es biete den Mitarbeitern einen sicheren und attraktiven Arbeitsplatz. Die Gigafactory in Grünheide in Brandenburg öffnete im Jahr 2022. Sie ist größter industrieller Arbeitgeber in Brandenburg.