Marktbericht: Erholung an der Wall Street | ABC-Z

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Die Aussicht auf eine Einigung im Zollstreit mit China hat die US-Börsen angetrieben. Präsident Trump zeigte sich versöhnlich. Von der Entspannung profitierte auch der DAX.
Ähnlich wie zuvor in Europa haben auch die US-Börsen nach dem jüngsten Rücksetzer zum Wochenanfang deutlich zugelegt. Versöhnlichere Töne von US-Präsident Donald Trump im Handelsstreit mit China ließen Anleger wieder bei risikoreicheren Anlagen wieder zugreifen. Trump hatte am Freitag noch mit Zöllen von 100 Prozent auf chinesische Waren ab dem 1. November gedroht, nun erklärte er am Wochenende, alles werde gut – die USA wollten China nicht “schaden”.
“Wir sehen eine leichte Erholung von den Befürchtungen, dass möglicherweise ein größerer Handelskrieg mit China ausbrechen könnte, und es scheint, als ob die Menschen heute Morgen etwas weniger Angst davor haben”, sagte Chris Zaccarelli, Investmentchef bei Northlight Asset Management. Auch US-Finanzminister Scott Bessent trug zur besseren Stimmung bei: Ein Treffen zwischen Trump und seinem chinesischen Amtskollegen in Südkorea sei weiterhin geplant, sagte er dem Sender Fox Business Network.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte gewann 1,29 Prozent auf 46.067 Zähler. Der breiter gefasste S&P 500 legte 1,56 Prozent auf 6.654 Punkte zu. Der Technologieindex Nasdaq erholte sich ebenso wie der Auswahlindex Nasdaq 100 um 2,2 Prozent.
Immerhin holte die Börse damit einen Großteil ihrer Verluste vom Freitag wieder auf. Der China-Streit weckte an den Märkten Erinnerungen an altbekannte Muster: Schon häufig war Trump im Handelsstreit mit anderen Ländern mit drastischen Ankündigungen nach vorne geprescht – nur um im Anschluss wieder zurückzurudern. Wer nach Kursrücksetzern infolge von Trumps Zolldrohungen also Aktien kaufte, konnte sich an den Folgetagen häufig über Kursgewinne freuen.
Der “TACO-Trade” war geboren – eine Anspielung auf “Trump Always Chickens Out”, was so viel heißt wie “Trump kneift immer”. Geprägt wurde der Begriff Anfang Mai 2025 in einer Kolumne der Financial Times. Seither verbreitete er sich rasant – sowohl in den sozialen Medien als auch in Analystenkreisen.
Zudem bleibt die KI-Fantasie an der Wall Street weiter ungebrochen hoch. Die hochgewichteten Aktien der “Magnificent 7”, also der sieben wertvollsten US-Technologiewerte Apple, Meta, Tesla, Amazon, Nvidia, Alphabet und Microsoft verbuchen allesamt Kursaufschläge von bis zu 3,0 Prozent. Tesla stiegen sogar um 5,4 Prozent. Sie hatten am Freitag zwischen zwei und mehr als fünf Prozent an Wert eingebüßt.
In den USA wird heute der “Columbus Day” gefeiert. Die New York Stock Exchange (NYSE) und die US-Technologiebörse waren geöffnet, die Rentenmärkte blieben geschlossen.
Ein Deal mit dem ChatGPT-Entwickler OpenAI trieb die Aktie des Chip-Konzerns Broadcom weiter an. Die Papiere legte knapp zehn Prozent zu. OpenAI will mit Broadcom seinen ersten eigenen Prozessor für Künstliche Intelligenz entwickeln, wie die beiden US-Unternehmen heute mitteilten. Der ChatGPT-Entwickler will damit seine Abhängigkeit vom Marktführer Nvidia verringern, dessen hochleistungsfähige Chips teuer und nur begrenzt verfügbar sind. Broadcom-Aktien haben sich seit Ende 2022 fast versechsfacht.
Auch die heimischen Anlegerinnen und Anleger standen zum Wochenstart ganz unter dem Einfluss des überraschenden Zollschocks vom Freitag. Nachdem US-Präsident Donald Trump zumindest verbal im Streit mit China um die seltenen Erden abgerüstet hat, erholten sich die Notierungen heute wieder. Insgesamt aber ließ das überraschend gekommene erneute Zoll-Spektakel die Anlegerinnen und Anleger mal wieder ratlos zurück.
Stephen Innes, Managing Director bei SPI Asset Management, sprach von einem “Verhandlungstheater” und verglich die neuerliche Eskalation mit einem Schachspiel, “bei dem jeder Zug ebenso für die Kamera wie für das Brett gemacht wird”.
Konkret pendelte der DAX zwischen 24.448 Punkten bis auf 24.260 Zähler. Am Ende stand bei 24.387 Punkten ein Tagesgewinn von 0,6 Prozent, nachdem der Schock am Freitag groß war und dem Index ein Minus von 1,5 Prozent einbrockte. Immerhin stabilisierte sich die Börse damit heute nach versöhnlicheren Tönen des US-Präsidenten im Handelsstreit mit China.
Übergeordnet bleibt der Grundton zwar optimistisch, weitere Gewinnmitnahmen in der neuen Woche werden aber nicht ausgeschlossen. Fortdauernde Handelskonflikte, die Staatskrise in Frankreich sowie die morgen in den USA beginnende Berichtssaison zum dritten Quartal stimmen vorsichtig. Zudem fehlen den Märkten durch die Haushaltssperre (Shutdown) in den USA weiter neue Konjunkturdaten.
Der Euro stand heute unter Druck. Zuletzt notierte die europäische Gemeinschaftswährung rund 0,4 Prozent tiefer bei 1,1574 Dollar, nachdem sie zum Wochenausklang infolge der neuen Zolldrohungen von Trump in Richtung China noch über die Marke von 1,16 Dollar gestiegen war. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1569 (Freitag: 1,1568) Dollar fest.
Die Rekordjagd am Goldmarkt ging derweil weiter – der sichere Hafen bleibt bei den Anlegerinnen und Anlegern angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen beliebt. Der Preis für eine Feinunze des gelben Edelmetalls stieg bis auf ein neues Rekordhoch bei 4.100 Dollar. Damit ist Gold so teuer wie noch nie. Das gelbe Edelmetall hatte erst in der vergangenen Woche erstmals die Marke von 4.000 Dollar geknackt.
Unter dem Strich kletterte der Goldpreis im bisherigen Jahresverlauf bereits um über 55 Prozent nach oben. Das Edelmetall steuert damit auf den höchsten Anstieg in einem Jahr seit 1979 zu. “Ein Ende der Rally ist nicht absehbar”, betont Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Technisch seien sogar 4.400 Dollar möglich.
Nachrichten von DAX-Unternehmen waren zu Wochenbeginn Mangelware, Gewinne und Verluste gingen quer durch alle Branchen. Das Kursplus der meisten Aktien war vor allem der allgemeinen Erholung geschuldet. BMW und der Dialysekonzern FMC gehören zu den größten Gewinnern. Nur wenige Werte, wie etwa Commerzbank, Bayer oder Deutsche Telekom gaben moderat nach.
Eine Prognosesenkung von Michelin hat die Papiere des Reifenherstellers am Abend belastet. Wie die Franzosen nach dem Börsenschluss in Europa mitteilten, soll das operative Ergebnis in diesem Jahr bei 2,6 bis 3 Milliarden Euro liegen statt ursprünglich angepeilt mehr als 3,4 Milliarden. Die in den USA gehandelten Hinterlegungsscheine von Michelin fielen um mehr als 5 Prozent. In Nordamerika sank der Umsatz von Michelin im ersten Geschäftsquartal um annähernd zehn Prozent, hieß es vom Unternehmen.
Die Papiere des Michelin-Konkurrenten Continental aus dem DAX gerieten nach der Nachricht ebenfalls unter Druck und gaben auf Tradegate nachbörslich zum Xetra-Schluss nach.
Die Berliner PSI Software steht vor dem Verkauf an den Technologie-Investor Warburg Pincus. Das auf die Energiebranche spezialisierte Softwarehaus wird dabei mit mehr als 700 Millionen Euro bewertet. Warburg Pincus setzte sich in einem Bieterstreit mit zwei anderen Beteiligungsfirmen mit einem Gebot über 45 Euro je Aktie durch, wie PSI und der Investor heute mitteilten.
Der größte PSI-Aktionär ist der Medienunternehmer und Investor Norman Rentrop mit 23,1 Prozent, der nun verkaufen will. Warburg Pincus erklärte, man habe schon 28,5 Prozent der Anteile sicher. Ziel ist eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent. Der zweitgrößte Aktionär, der Energieversorger E.ON aus dem DAX, will sein Aktienpaket von 17,8 Prozent behalten, auch wenn PSI nach der Übernahme von der Börse genommen werden soll.
Die Software von PSI wird unter anderem zur Steuerung von Stromübertragungsnetzen verwendet, ist aber auch in der Logistik und der Produktion im Einsatz. 2024 setzte PSI Software 260,8 Millionen Euro um.
Ein auf zehn Jahre angelegter Investitionsplan von JPMorgan kommt bei Anlegerinnen und Anlegern gut an. Die Aktien der größten US-Bank stiegen 2,3 Prozent. Der 1,5 Billionen Dollar schwere Plan soll Investitionen in für die USA strategisch wichtige Branchen finanzieren und fördern. Dazu gehörten die vier Sektoren Verteidigung, Luft- und Raumfahrt sowie Spitzentechnologien, Energieunabhängigkeit und Fertigung.
Der größte US-Kreditgeber will außerdem mehr Bankerinnen und Banker einstellen und bis zu zehn Milliarden Dollar direkt in US-Unternehmen investieren. Mit dem Vorhaben reagiert die Bank auf Bestrebungen der US-Regierung, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferketten zu verringern.
Die Bank legt morgen ihre Quartalszahlen vor, auch andere Finanzgrößen wie Citigroup, Goldman Sachs, Wells Fargo oder der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock öffnen ihre Bücher. Traditionell läuten die Banken die Berichtssaison an der Wall Street ein.