Kultur

Warum sich nicht jeder gerne zum Ritter schlagen lässt | ABC-Z

Der britische Schauspieler Stephen Fry, der nach seiner Er­hebung in den Ritterstand seit Jahresbeginn das Recht auf die Anrede Sir Stephen hat, freute sich über die sel­tene Auszeichnung in besonderer Weise. Denn die schriftliche Begründung seiner Erhebung zum „Knight Bachelor“ (was frei ins Republikanische übersetzt einem Junior-Ritter gleichkommt) galt gar nicht seinem schauspielerischen Wirken. Der Komödiant, ­Regisseur, Dokumentar­filmer und Charakterdarsteller wurde ­wegen „seiner Dienste für die Bewusstmachung psychischer Krankheiten, für die Umwelt und für Wohltätigkeit“ gewürdigt.

Damit bildet Fry eher eine Ausnahme unter den rund 80 Rittern und Damen, die jedes Jahr zeremoniell das Knie vor König Charles III. oder einem anderen Mitglied der Königsfamilie beugen, um ihre feier­liche Ehrung zu empfangen. Bei den meisten ritter­lichen Standes­genossen ist die Auszeichnung nicht an ihr gesellschaft­liches Engagement, sondern an ihre Funktion geknüpft. In diesem Jahr zählen dazu unter anderen der Chef der Königlichen Gärten, Loyd Grossman, oder der Chef des britischen Eisenbahnnetzes, Andrew Haines.

Mit der Anerkennung beruflicher Er­folge ist mitunter aber die Gefahr verbunden, dass ein späteres Scheitern auch den aristokratischen Status gefährden kann. So erlebte es jüngst Paula ­Vennells, die frühere Vorstandschefin der britischen Post, die den Rang eines „Commanders of the ­Order of the British Em­pire“ (CBE) verlor, nachdem offenbar geworden war, dass sie interne Ermittlungen über ein fehlerhaftes elektronisches Buchungs­system, welches viele Poststellenhalter in den Ruin trieb, eher gebremst als be­fördert hatte.

Goodwin verlor seine Ritterwürde

Nach der Finanzkrise 2008/2009 verlor der Chef der Royal Bank of Scotland, Fred Goodwin, seine Ritterwürde, weil er zuvor seine Bank an den Rand des Ruins gebracht hatte. Zu den bekanntesten Namen in der Riege entehrter Ritter zählt Anthony Blunt, der Kunsthistoriker und königliche Kunst­berater, der 1964 als sowjetischer Spion enttarnt wurde.

Schauspieler Stephen Fry wurde ­wegen „seiner Dienste für die Bewusstmachung psychischer Krankheiten, für die Umwelt und für Wohltätigkeit“ gewürdigt.EPA

Die Aberkennung königlicher Orden und Ehren obliegt einem Komitee im Amt des Premierministers, dessen Entscheidungen sich entweder an strafrechtlichen Verurteilungen der Auszeichnungsträger orientieren oder an schweren nicht kriminellen Verfehlungen, die geeignet sind, „die Würde der Auszeichnung zu beschädigen“. Das Komitee empfiehlt entsprechende Maßnahmen; der Entzug der Würden kann jedoch allein vom Monarchen angeordnet werden. Solche Risiken vermeiden generell jene, die zugedachte Ehren lieber ausschlagen.

Jüngste Statistiken zeigen, dass im ab­gelaufenen Jahr etwa 55 der mehr als 2000 Geehrten die Auszeichnung abwehrten. Zu ihnen zählen freilich eher Künstler oder andere Personen des öffentlichen Lebens, die sicher sein können, mit der Zurückweisung ebenso große Aufmerksamkeit zu erregen wie mit der Annahme der Auszeichnung. David Bowie ­etwa wies vor mehr als 20 Jahren den Ritterschlag ab mit der Begründung, er wisse wirklich nicht, wozu das gut sein ­solle, es sei jedenfalls nichts, worauf er sein Leben lang hingearbeitet habe.

Aus taktischen Gründen abgelehnt

Es gibt auch Fälle, in denen die Ablehnung der Auszeichnung einen taktischen Grund haben kann. Als das einstige ­Beatles-Mitglied George Harrison vor 25 Jahren den Rang eines „Officer of the Order of the British Empire“ (OBE) ausschlug, meldete die Boulevardpresse, Harrison habe lieber auf eine Erhebung in den Ritterstand warten wollen, wie sie seinem Bandkollegen Paul McCartney zuvor zugebilligt worden war. Im Falle Alfred Hitchcocks war diese Erwägung von Erfolg ­gekrönt – er wies 1962 die Commander-Würde des British-Empire-Ordens ab und durfte sich 18 Jahre später, kurz vor ­seinem Tod, nach Verleihung einer Ritterwürde endlich Sir Alfred nennen.

Inzwischen werden auch Zweifel laut, ob die Verleihung – und die Annahme – eines Ordens noch zeitgemäß sei, der sich auf das britische Empire bezieht. Schon vor 20 Jahren wehrte der schwarze Dichter Benjamin Zephaniah die Auszeichnung mit einem Officer-Rang des Empire-Ordens ab mit der Begründung, er ärgere ihn höchstens, wenn er das Wort Empire höre. Es erinnere ihn an Sklaverei und ­daran, dass seine Vorfahren misshandelt und vergewaltigt worden seien. Die ­Labour-Kulturministerin Lisa Nandy ist kürzlich solchen Zweifeln mit dem pro­baten Vorschlag begegnet, man könne das „E“, das in der Ordens-Abkürzung für „Empire“ steht, doch künftig einfach in „Excellence“ verwandeln und damit aus dem Empire-Orden einen Verdienstorden machen.

Manchmal liefert auch nicht die Geschichte den Stolperstein für jene, die eine Ehrung ausschlagen, sondern das Wetter. So war es bei John Cleese, dem britischen Filmkomiker, der den Liberaldemokraten nahestand und wegen seines Engagements für jene Partei mit einer Peerswürde, also einer Baronie auf Lebenszeit samt Entsendung in das parlamentarische Oberhaus, hätte belohnt werden sollen. Doch Cleese schlug die Aussicht, künftig als Lord Cleese durchs Leben zu schreiten, schließlich aus, nachdem er realisierte, wie er einer Zeitung gegenüber angab, „dass ich dann den Winter über hätte in England sein müssen, und ich dachte, das sei ein zu hoher Preis“.

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