Mallorca-Urlaub im Hotel: Der Handtuchkrieg am Pool – ein Erklärungsversuch – Reise | ABC-Z

Die Redewendung „Das Handtuch schmeißen“ hat sich ins Gegenteil verkehrt; es bedeutet heute nicht mehr Kapitulation, sondern Kampfansage: In den sozialen Medien zeigen Videos panische Menschen, die bei der Eröffnung der Poolanlage des Hotels ungeahnte Sprintfähigkeiten zeigen. Manche von ihnen legen im Laufschritt vier Badetücher auf Sonnenliegen aus, um die besten Plätze zu reservieren. Und während die Wirtschaftswelt einen von Trump induzierten „Handelskrieg“ befürchtet, ist der Handtuchkrieg im Hotelgewerbe, der eigentlich mal nicht mehr sein sollte als ein Strandtuchstreit, schon in vollem Gange.
Das in Tourismus-Fragen höchst versierte, weil schon qua Name stets im Krisenherd verortete Mallorca Magazin warnte: „Angst vor einem verschärften Handtuchkrieg auch auf Mallorca.“ Und sogar weitgehend unbefangene Medien, in diesem Fall die Presse aus dem auch in Handtuchfragen neutralen Österreich, wittern schon länger ein „Territorialverhalten zwischen Deutschen und Briten im Urlaub“.
Strafgebühren für Touristen, die ihre Handtücher über Nacht liegenlassen
Noch steht #towelwar auf Tiktok erst bei 22 Beiträgen, doch die Zeichen stehen auf Konfrontation. Denn die Konfliktlinien verlaufen nicht nur zwischen den einzelnen Sonnenliegen und damit -anbetern, sondern zwischen Gästen und Gastgebern. Mittlerweile erheben laut Medienberichten die ersten Anbieter und Ferienregionen, von Kreuzfahrtschiffen bis Kroatien, Strafgebühren für jene Touristen, die sogar nachts ihre Handtücher in den Poolbereich schmuggeln. Selbst die zahlreichen Reservierungsgegner wittern darin völlig überzogene Maßnahmen für das gute, über das gesamte Arbeitsjahr erbuckelte Recht auf einen Platz in der ersten Hotelpoolreihe.
Zudem haben sich jüngst auch anerkannte Verhaltensdeuter wie etwa die Urlaub-Plattform Holidaycheck mit dem Thema befasst, um es endlich bei seiner tiefenpsychologischen Wurzel zu packen. „Angst vor Ausschluss, Gruppendruck und das Bedürfnis nach Kontrolle spielen beim Reservieren eine zentrale Rolle“, so ordnet eine Psychologin das Verhalten der stark alltagstraumatisierten Handtuchkrieger ein. Und schon erzeugt das Mitleid vor dem inneren Auge ein Bild von komplett demoralisierten Gestalten, die mit dem schlappen Strandtuch in der Hand zurück aufs Hotelzimmer schlurfen.
Der Dreikampf der Urlauber: einreihen, anstehen, reservieren
Was dabei allerdings gelegentlich übersehen wird, ist die Tatsache, dass das rechtzeitige Belegen eines Badeplatzes für viele, vor allem deutsche Gäste die Königsdisziplin eines urlaubslangen und psychologisch schwer fassbaren Dreikampfs darstellt: einreihen, anstehen, reservieren. Wie sonst lässt sich erklären, dass viele Urlauber genau dann gen Süden fahren, wenn man auch garantiert stundenlang im Stau steht? Warum gleich zur Eröffnung ans Buffet des Kreuzfahrtschiffs sprinten, wo man doch sicher sein kann, dass die Schlange beinahe bis über das Heck reicht? Wieso bei der Aufforderung zum Boarding in Sekundenschnelle aufspringen, wo man doch sicher sein kann, sich erst einmal vorm Gate langweilen zu müssen? Oder geht es hier doch wieder nur darum, vorm Einsteigen endlich mal ordentlich die Ellbogen auszufahren, weil man im Flugzeug der Billigairline halt kein Handtuch auslegen konnte?