Geopolitik

„Maischberger“: Mit den Worten „Warten Sie es einfach mal ab“ erstickt der SPD-General Kritik am Sicherheitspaket | ABC-Z

Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch macht bei „Maischberger“ den neuen Kurs im Vergleich zum Vorgänger Kevin Kühnert deutlich. Für die Union zeigt er sich erstaunlich gesprächsbereit.

Es war der erste Talkshow-Auftritt von Matthias Miersch als designierter SPD-Generalsekretär. Am Dienstagabend präsentierte sich der 55-Jährige bei „Maischberger“ mit ungewohnt moderatoen Tönen, zeigte Schnittmengen zur Union auf und bot im Streit mit CDU-Politiker Thorsten Frei wiederholt den Dialog an.

Weitere Gäste waren der Kabarettist Urban Priol, die „Zeit“-Politikredakteurin Mariam Lau und die Leiterin des Parlamentsbüros der „taz“, Anna Lehmann. Der israelische Historiker und Bestseller-Autor Yuval Noah Harari sprach mit Sandra Maischberger über sein neues Buch „Nexus“ und wie Krieg, Populismus und Künstliche Intelligenz die Demokratie bedrohen.

Neben anderen Themen ging es auch um das Sicherheitspaket, das von der Ampel-Regierung als Reaktion auf den Messerangriff von Solingen geschnürt wurde und über das am Freitag im Bundestag abgestimmt werden soll. Innerhalb der SPD-Fraktion gab es öffentlich Widerstand. Generalsekretär Miersch versicherte bei „Maischberger, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nicht mit der Vertrauensfrage gedroht habe, wie von einigen Medien spekuliert wurde. „Eine deutliche Mehrheit hat in der Fraktionssitzung für das Gesetzespaket gestimmt“, sagte Miersch. „Der Apell ist jetzt an alle, dass jetzt die Fraktionsdisziplin gilt und wir möglichst einheitlich abstimmen.“ Er könne aber „versichern, dass dieses Sicherheitspaket durch den Bundestag gehen wird.“

Thorsten Frei kritisierte das überarbeitete Sicherheitspaket scharf. „Was das Kabinett vorgelegt hatte, war schon ein zu kleiner Schritt. Und der ist jetzt nochmal durchlöchert worden wie ein Schweizer Käse.“ Nach den Gesprächen zwischen Regierung und Union, die gescheitert waren, sieht sich Frei bestätigt: „Gerade die Tatsache, dass Sie in der Koalition nicht einmal eine Mehrheit für das gefunden haben, was Ihre eigene Regierung beschlossen hat, zeigt doch, auf was für einen verlorenen Posten wir gewesen sind.“ Die SPD habe alles „abgeschwächt und ausgedünnt“, sodass die angestrebten Ziele nicht erreicht werden könnten. Das ließ Miersch einfach abprallen: „Warten Sie es einfach mal ab.“

„Eine Form der Berufung“

Leicht sei ihm die Entscheidung, das Amt des Generalsekretärs anzunehmen, nicht gefallen, sagte Matthias Miersch, als es im TV-Talk um seinen neuen Posten ging: „Aber es ist eine Form von Berufung.“ Mittlerweile habe er sich in seine neue Rolle eingefunden. „Nach einer Woche kann ich sagen: Es macht Spaß, es ist anstrengend, aber ich habe große Lust drauf.“

Miersch, der zu den linken Vordenkern der Sozialdemokraten zählt, wirkte erstaunlich verhandlungsbereit in der Diskussion mit CDU-Mann Thorsten Frei – ein deutlicher Kontrast zu seinem Vorgänger Kevin Kühnert, der die SPD in der Vergangenheit meist mit schärferem Tonfall repräsentierte. Seine eigene Rolle in der Partei machte er klar, als er betonte, dass er sich Forderungen einzelner SPD-Flügel nicht anschließen müsse, sondern: „Ich gehöre nicht dem Seeheimer Kreis an, auch nicht als Generalsekretär. Aber ich versuche, die unterschiedlichen Flügel zusammenzubringen.“

Los ging das Streitgespräch zwischen Miersch und Frei dann mit dem neuen Steuerreform-Vorschlag der SPD. Die Sozialdemokraten hatten auf ihrer Vorstandsklausur am vergangenen Wochenende eine Reform der Einkommenssteuer beschlossen. 95 Prozent der Steuerzahler sollen demnach entlastet werden, die höchsten 1 Prozent der Einkommen stärker besteuert werden. Dies sei eine „Grundsatzentscheidung“, sagte Miersch. „Der politische Diskurs ist aufgemacht.“ Über Feinheiten, wie Belastung und Entlastung aussehen sollen, müsse jetzt diskutiert werden.

Besonders auffällig war dann das Gesprächsangebot an die CDU, als Miersch betonte, dass die Konzepte der beiden Parteien in dieser Frage ja nicht weit auseinanderlägen. An Frei gerichtet sagte der SPD-Generalsekretär: „Dann sagen Sie mal, wie wir es machen, wir sagen es dann auch, und dann gleichen wir es mal ab, wo wir uns unterscheiden.“ Nicht das letzte Gesprächsangebot an dem Abend.

„Lassen Sie uns darüber gerne diskutieren“

CDU-Politiker Frei kritisierte, dass bereits Arbeitnehmer mit einem Einkommen von 67.000 Euro den Spitzensteuersatz zahlten. „In den 50er-Jahren musste man noch das 15-Fache eines Durchschnittseinkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu zahlen. Heute trifft das schon diejenigen, die nur das 1,2-Fache verdienen.“ Alleinstehende Industrie-Facharbeiter würden das Einkommen bereits erreichen. „Ich finde nicht, dass das die Menschen sind, die noch stärker belastet werden sollten“, sagte Frei. Auch Miersch stimmte zu: „Dass jemand, der 67.000 Euro verdient, den gleichen Steuersatz zahlt wie jemand mit 250.000 Euro, ist ungerecht. Deshalb müssen wir darüber reden.“

Frei warf der SPD dann planwirtschaftliche Elemente vor. So dürfe nicht die Politik, sondern der Markt entscheiden, was „Zukunftsbranchen und gute Arbeitsplätze“ seien. „Was wir wirklich bräuchten, wären wettbewerbsfähige Strom- und Energiepreise, weniger Regulierung und eine Reform des Unternehmens- und Einkommenssteuerrechts“, sagte der CDU-Politiker. Miersch bot abermals Gesprächsbereitschaft an: „Lassen Sie uns darüber gerne diskutieren.“

Klarer Dissens zeigte sich aber beim Thema Schuldenbremse. Reformieren? „Nein“, antwortete Thorsten Frei erwartungsgemäß entschieden. Die Union ist gegen eine Reform, jedoch haben sich bereits mehrere CDU-Regierungschefs wie Berlins Bürgermeister Kai Wegner dafür ausgesprochen. „Wir haben doch überhaupt kein Einnahmenproblem in Deutschland“, argumentierte Frei. „Obwohl die Wirtschaft schrumpft, haben wir ständig wachsende Steuereinnahmen.“ Miersch sprach sich kurz und knapp für eine Schuldenbremsen-Reform aus.

Auf Maischbergers Frage, ob der derzeitige Verteidigungsminister Boris Pistorius ein guter Kanzler wäre, antwortete Miersch lediglich: „Ja.“ Später fügte er dann aber noch nach, dass es mit Kanzler Olaf Scholz bereits einen Kanzler gebe, und zeigte sich zugleich überzeugt, dass die Ampelkoalition das letzte Jahr der Legislaturperiode überstehen werde. „Ich bin mir sehr sicher, dass dieser Kanzler jetzt zum Beispiel beim Thema Sicherung Industriestandort genau auch die Akzente setzen wird. Und wir haben jetzt in den nächsten Wochen viel vor uns in der Ampel“, sagte Miersch.

Matthias Miersch präsentierte sich bei seinem ersten Polittalk-Auftritt als unaufgeregter, abwägender Brückenbauer, der seine Partei nicht nur inhaltlich stärken, sondern auch für Dialog mit der Union öffnen kann. Ein Schulterschluss war das noch nicht, aber doch konsensbereiter, als es in Vergangenheit der Fall gewesen war. Manch einer mag sich erinnern: Eine GroKo gab es schon einmal.

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