Mainspiel in Frankfurt: Was Brettspiele so faszinierend macht | ABC-Z

Jürgen, Markus, Martina und Nina haben ihre Smartphones gezückt. Maike liest von einer Karte die Frage vor: „Wie heißt die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen?“ Die vier mit dem Handy beginnen zu wischen und zu tippen. Nina wählt und hat sofort jemandem am Apparat und stellt auf Lautsprecher. Markus ruft indes seinen Vater an: „Papa, ich spiel hier so ein Spiel. Wie heißt die Hauptstadt von NRW?“ Doch die Person am anderen Ende der Leitung von Nina hat schneller „Düsseldorf“ gerufen. Somit bekommt Nina einen Punkt. Die Angerufenen sind keine „Telefonjoker“, sondern müssen in der Kategorie „Hochmut kommt vor dem Call“ die Fragen für die Quizteilnehmer beantworten.
„Wer stiehlt mir die Show?“, heißt das Spiel nach der gleichnamigen TV-Show von Joko Winterscheidt auf Pro Sieben. Als Brettspiel adaptiert hat es Jens Merkl. Der Spieleautor sitzt am Samstagmittag an einem Tisch im fünften Stock des Stadtraums an der Mainzer Landstraße in Frankfurt. Merkl zeigt bei der Veranstaltung „Mainspiel“ organisiert vom Verein für Spielkultur und dem Brettspielcafé Playce sein neuestes Werk.
„Ich bin die lebendige Anleitung“, sagt Merkl mit einem Schmunzeln in Richtung des Quintetts. Die Fünf, die sich alle kennen, haben noch nie zusammen etwas gespielt. „Wir spielen ab und zu auf der Arbeit“, sagt Markus und deutet auf Meike. Er glaube aber, dass er nicht der angenehmste Mitspieler sei. Ein paar Frotzeleien gehören über die fast 90 Minuten des Spiels wie in der TV-Show dazu. Am Tisch wird jedenfalls viel gelacht.
Rund 200 Menschen kommen über den Tag verteilt in den Stadtraum, um kostenlos mit anderen Gleichgesinnten zu spielen. Es ist die fünfte Auflage der Mainspiel. Entstanden ist das Event für Freunde der analogen Unterhaltung noch vor der Gründung des Playce von deren Inhabern Katja Eisert und Dennis Horn. Die beiden haben sich mit dem Verein für Spielkultur zusammengetan, als es noch unklar war, ob das mit dem Brettspielcafé klappt. Mittlerweile gibt es das Playce seit zweieinhalb Jahren im Stadtteil Bockenheim. In den Sommermonaten war es etwas leerer, jetzt wo die ersten Regentage kommen, sei das Café wieder gut ausgelastet, berichtet Eisert.
Verein für Spielkultur will das Hobby Brettspiele bekannter machen
Knapp 200 Spiele sind aus dem Keller des Playce am Morgen ins Gallusviertel gebracht worden. Darüber hinaus haben Mitglieder des Vereins für Spielkultur ihre eigenen Spiele mitgebracht. Einige Verlage haben überdies der Veranstaltung ihre Neuheiten zur Verfügung gestellt. Die Spielausleihe ist im Erdgeschoss. Über mehrere Tische verteilt stehen die Spieleschachteln sortiert nach Genre: Zwei-Personen-Spiel, Familienspiel, Kenner- und Expertenspiel, aber auch ein Tisch für Kinderspiele steht bereit. Wer ins Foyer des Stadtraums kommt, wird von Kecia Lüdtke empfangen und bekommt auf Kreppband seinen Namen geschrieben, nachdem die Anmeldung kontrolliert wurde.

Lüdtke ist Mitglied im Verein für Spielkultur, den es seit 2018 gibt. „Wir wollen das Hobby bekannter machen und raustragen“, erklärt sie. Jeden Dienstag treffen sich die Vereinsmitglieder im Freiraum im Oeder Weg oder im Ravenstein-Zentrum in der Pfingstweidstraße. Auf einem Discord-Server wird sich für feste Spielerunden verabredet. Über den Kanal „Anmeldung Schnuppertag“, können sich Interessierte melden. Außerdem organisiert der Verein in Kooperationen mit verschiedenen Stadtteilbibliotheken Spieleabende. Die Termine dafür sind auf der Website des Vereins oder auf dem Instagramkanal zu finden.
„Tatsächlich ist es so, dass Corona das so ein bisschen angestoßen hat“, sagt Lüdtke und meint den Boom in der Brettspielszene. Das so lange vermisste Zusammenkommen habe dazu geführt, dass man sich zunächst in kleineren Gruppen getroffen hat. Und was macht man zu Hause, wenn draußen alles geschlossen ist? Spielen, war da auch für Kecia Lüdtke die klare Antwort.

Viel gespielt wird auch in der Familie von René und Catrin. Die beiden sind aus Taunusstein nach Frankfurt gekommen, die drei Kinder, mit denen sonst viel gespielt wird, sind daheim geblieben. Eigentlich sei der Plan gewesen, viele Neuheiten zu testen, berichtet Catrin. Stattdessen haben sie sich beide spontan für das „Unmatched“-Turnier angemeldet. Ein Miniaturenduell-Spiel, wo es darum geht, über das geschickte Einsetzen von Karten und klugem Manövrieren auf einer Karte seinem Gegner möglichst viele Schadenspunkte zuzufügen. Sowohl Catrin als auch René kannten das Spiel vorher nicht. „In Bayern, wo wir früher gewohnt haben, hatten wir viele Spielerunden. Das ist etwas, was ich hier vermisse“, sagt Catrin.
Neue Sachen ausprobieren, geselliges Zusammensein, Menschen kennenlernen, das begeistert sie am Hobby. René gefällt an Spielen, dass man sich reindenken muss, die Schadenfreude, die bei einigen Spielen mitschwingt und der Wettbewerbscharakter. Genauso gut gefallen ihm auch kooperative Spiele, wo man gemeinsame Rätsel lösen muss. „Es ist sehr facettenreich“, findet er.
Das sind auch die Reaktionen der Menschen auf die Spiele von Jens Merkl, der gerne auf Veranstaltungen geht, um seine Spiele zu testen und sich Reaktionen einzuholen, bevor die Spiele produziert werden. Und die Menschen für seine Leidenschaft für Spiele selbstverständlich zu begeistern. „Ich habe ein Spiel entwickelt, Spaceship Unity, wo die ganze Wohnung das Spielfeld ist und mit Gegenständen das Raumschiff gesteuert wird“, erzählt Merkl. Er wolle Menschen, die so etwas Skurriles erst einmal nicht ausprobieren wollen, die Angst davor nehmen. Seitdem sei er sehr häufig auf Tour. Unter anderem demnächst wieder im Playce. Tickets dafür wird es auf der Website vom Brettspielcafé geben.
Das Spiel „Wer stiehlt mir die Show“ hat übrigens Meike im Finalduell gegen Jürgen haushoch mit 5:2 gewonnen. „Sehr geiles Spiel“, lobt Markus den Autor.