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Magnus Carlsen und Jan Nepomnjaschtschi teilen Titel | ABC-Z

Während die Europäer das neue Jahr begrüßten, ging das Finale der Blitzschach-WM im New Yorker Finanzdistrikt abermals in die Verlängerung. Nach vier regulären und drei zusätzlichen Partien stand das Match immer noch unentschieden, als Magnus Carlsen seinen russischen Gegner ansprach: Was halte er davon, wenn sie den Titel teilten? Jan Nepomnjaschtschi erwiderte, „ich weiß nicht, ob das geht, aber klar: Wir können auch ins Casino gehen“.

Vor Jahrzehnten wurden unentschiedene Zweikämpfe schon mal am Roulettetisch entschieden, etwa 1983, als Robert Hübner im Kandidatenmatch gegen Wassili Smyslow das Nachsehen hatte, weil die Kugel auf eine rote Zahl fiel. Inzwischen ist eigentlich eine Armageddon-Partie üblich: Wer mit Weiß spielt, erhält mehr Bedenkzeit, muss aber gewinnen, während der Schwarzspieler auch bei einem Remis zum Matchsieger erklärt wird.

„Das wäre für beide von uns grausam“

Doch die Regeln der Blitzschach-WM, die erstmals nach 13 Qualifikationsrunden in einen K.o.-Wettbewerb der acht Punktbesten mündete, sahen keine Armageddon-Partie vor, sondern dass geblitzt wird, bis eine Partie nicht remis endet. „Wenn wir weiterspielen, gewinnt einer von uns durch Erschöpfung, und das wäre für beide von uns grausam“, erklärte Carlsen, nachdem FIDE-Präsident Arkadi Dworkowitsch fernmündlich seinen Vorschlag akzeptiert hatte, beide Finalisten zu Blitzschachweltmeistern 2024 zu erklären, als in ihrer Heimat schon 2025 angebrochen war.

Die Entscheidung passte zum anarchischen Charakter der Veranstaltung: Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden. Es ging schon damit los, dass nach drei Tagen Schnellschach-WM vor dem Blitzwettbewerb ein freier Tag eingeschoben wurde. Der Sponsor, ein russischer Finanzdienstleister mit kasachischem Pass, wollte sich mit einer Konferenz über Schach und Finanzen an der Wall Street profilieren.

Das interessierte nur wenige Schachprofis, verteuerte aber ihren Aufenthalt im zur Silvesterzeit sündteuren New York. Zwar wurden 1,557 Millionen amerikanische Dollar (etwa 1,5 Millionen Euro) Preisgeld ausgespielt. Die 300 Teilnehmer und Teilnehmerinnen dürften aber auch mindestens eine Million ausgegeben haben. Einige Talente waren nur am Start, weil ein Onlineschach-Anbieter ihre Unkosten übernahm.

Anders als bei den vergangenen Ausrichtungen wurde der Dresscode zunächst streng gehandhabt. Nepomnjaschtschi gehörte zu denen, die 200 Dollar (etwa 192 Euro) Strafe zahlten und zwischen zwei Runden ins Hotel hetzten, um ihre Schuhe zu wechseln. Carlsen akzeptierte die Geldstrafe, weil er in Blue Jeans kam, lehnte es aber ab, sich für eine einzelne Schnellpartie eine andere Hose zu besorgen.

Als er daraufhin nicht ausgelost wurde und eine kampflose Null kassierte, stieg er aus der Schnellschach-WM aus. Im norwegischen Sender NRK, der wegen Carlsens Teilnahme stets die Fernsehrechte erwirbt, bat Carlsen die Zuschauer um Entschuldigung und Verständnis, „weil es so keinen Spaß mehr macht“. Mit der Weltschachföderation FIDE sei er durch, jetzt herrsche Krieg.

Im Hintergrund hat sich einiges aufgestaut. Der Weltranglistenerste drängte darauf, die WM im klassischen Schach nicht länger in Form langer Zweikämpfe mit ausschließlich langer Bedenkzeit durchzuführen – vergeblich, weshalb er schon nach seinem letzten Sieg vor drei Jahren über Nepomnjaschtschi ankündigte, den Titel nicht mehr zu verteidigen. Neuerdings ist er Botschafter des saudi-arabischen E-Sport-Weltcups, der im Sommer um ein mit 1,5 Millionen Dollar (etwa 1,44 Millionen Euro) dotiertes Schachturnier erweitert wird. Auch die FIDE hatte die saudischen Geldgeber umworben.

Vor allem setzt Carlsen nun auf Fischerschach, eine Variante mit ausgeloster Grundstellung, in der Eröffnungstheorie und Vorbereitung noch kaum eine Rolle spielen. Zusammen mit dem Hamburger Unternehmer Jan Henric Buettner hat er die Firma Freestyle Chess Operations gegründet und 12 Millionen Dollar (etwa 11,53 Millionen Euro) von einem Investor angeworben.

Seit Monaten laufen im Hintergrund Gespräche mit der FIDE, die zuletzt 2022 eine Fischerschach-WM im Schnellschachmodus ausrichtete. Carlsen und Buettner wollen ihren Freestyle Grand Slam als WM im Fischerschach anerkannt sehen, und dass Teilnehmer ihrer Turnierserie von der FIDE nicht sanktioniert werden. Vor Weihnachten verbreiteten sie, eine entsprechende Einigung sei erzielt worden, doch am folgenden Tag widersprach Dworkowitsch auf X.

Der russische Politiker an der FIDE-Spitze brachte Carlsen davon ab, aus New York abzureisen. Das wird er wohl nicht nur durch eine Abmilderung des Dresscodes erreicht haben, der für die Blitzschach-WM auch Jeans zuließ. Carlsen betont sein gutes Verhältnis zu Dworkowitsch. Mit FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky aber sei es unmöglich, ein vernünftiges Gespräch zu führen.

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