Magdeburg-Attentat: Schreihals stört Schweigeminute bei Rot-Weiss Essen | ABC-Z
In den Fußball-Arenen wird an diesem Spieltag der Opfer des Anschlags von Magdeburg gedacht. Klubs und Spieler reagieren geschockt auf die Attacke, durch die fünf Menschen starben. Bei der Partie von Rot-Weiss Essen aber eskaliert die Situation.
Während der Schweigeminute für die Opfer des Anschlags von Magdeburg ist es im Vorfeld der Partie der dritten Liga zwischen Rot-Weiss Essen und dem VfB Stuttgart II (2:2) zu einem rassistischen Vorfall gekommen. Als die Spieler mit gesenkten Köpfen den Opfern gedachten, war in der Stille des Stadions der Ruf der rassistischen Parole „Deutschland den Deutschen“ zu hören. Viele Fans reagierten prompt mit „Nazis raus!“-Sprechchören.
Wie die Polizei Essen dem SWR bestätigte, habe es sich bei dem Störenfried um einen Mann gehandelt, der umgehend des Stadions verwiesen worden sei. Mittlerweile sei auch ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden, so ein Essener Polizeisprecher.
Rot-Weiss Essen twitterte: „Die Person, die während der Schweigeminute vor dem Anpfiff der Partie einen volksverhetzenden Ausruf getätigt hat, wurde vom Ordnungsdienst identifiziert und zur Stadionwache gebracht. Die Person bekommt Hausverbot und eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Denn: Nazis raus!“
„Die Normalität ist das nicht“, sagt Lothar Matthäus
Wie in Essen und den Partien der 3. Liga hat es auch in den Fußball-Stadien der Bundesliga und 2. Liga nach der tödlichen Attacke auf einem Weihnachtsmarkt in Magdeburg Momente des Innehaltens gegeben. Im Gedenken an die Opfer des Anschlags gab es vor dem Anpfiff der Partien eine Schweigeminute, dazu liefen die Mannschaften mit Trauerflor auf.
Es herrschte vielerorts gedrückte Stimmung. „Das Hauptthema ist nicht Fußball, sondern die Ereignisse in Magdeburg. Es ist schon Wahnsinn, in was für einer bekloppten Welt wir leben, was für bekloppte Menschen es gibt. Sie machen sehr viel kaputt, was uns eigentlich Freude machen könnte. (…) Die Normalität ist das nicht“, sagte DFB-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus beim TV-Sender Sky.
Am Freitagabend war ein Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren, dabei kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein. Der festgenommene Verdächtige ist ein Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-Jährige, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim. Die Behörden sprachen bis Samstag neben den Toten auch von mehr als 200 Verletzten, 41 davon waren schwer und teils schwerst verletzt. Zu den Todesopfern zählten vier Erwachsene und ein neunjähriges Kind.
„Haben versucht, dem Raum zu geben“, sagt der HSV-Trainer
Auch vor den drei Zweitligaspielen am Samstagmittag in Hamburg, Paderborn und Münster gab es Gedenkminuten. Auf einem Banner beim Spiel zwischen Paderborn und Karlsruhe stand: „Viel Kraft nach Magdeburg“. Die Spieler trugen einen Trauerflor.
HSV-Interimstrainer Merlin Polzin berichtete vor dem Spiel gegen Greuther Fürth, die Ereignisse seien am Morgen ein großes Thema in der Mannschaft gewesen. „Wir haben versucht, dem Raum zu geben, aber dann natürlich auch versucht, uns auf das Spiel vorzubereiten“, sagte Polzin im TV-Sender Sky. Er unterstrich aber, man wolle gemeinsam mit dem Stadion ein gutes Spiel abliefern. „Wir versuchen, das 90 Minuten auszublenden.“ Auch in Hamburg liefen die Profis mit Trauerflor auf.
Der FC Bayern München hatte wegen der Geschehnisse in Magdeburg bereits am Freitagabend nach dem 5:1-Heimsieg gegen RB Leipzig auf seine geplante Zeremonie zum Jahresabschluss im Stadion verzichtet. „Diese Zeremonie sollte eine fröhliche sein, das passt einfach nicht in diesem Moment“, sagte Bayern-Vorstandschef Jan-Christian Dreesen.
Auch mehrere Spieler äußerten ihre Betroffenheit. „Die Nachrichten von der Tragödie in Magdeburg zu hören, rückt die Dinge in eine andere Perspektive. An Abenden wie diesen ist Fußball nicht das Wichtigste. Meine Gedanken und mein Beileid sind bei allen, die von dieser schrecklichen Tragödie betroffen sind“, schrieb Bayern-Star Harry Kane auf der Plattform X.
Handball-Bundesliga gibt Magdeburger Antrag statt
Bei der Zweitliga-Partie des 1. FC Magdeburg bei Fortuna Düsseldorf am Freitagabend hatten beide Fangruppen in der zweiten Halbzeit die Unterstützung ihrer Teams eingestellt. Die Zuschauer wurden über die Anzeigetafel über den Vorfall in Magdeburg informiert. Die geschockten Magdeburger Spieler gaben im Anschluss keine TV-Interviews.
„Wir sind noch immer fassungslos und trauern um die Opfer des schrecklichen Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt“, schrieb der FCM auf seiner Internetseite und ergänzte: „Großen Dank an die zahlreichen Helfer, die in diesen schwierigen Momenten Unbeschreibliches leisten.“
Unterdessen hat die Handball-Bundesliga (HBL) das für Sonntag angesetzte Derby zwischen dem deutschen Meister SC Magdeburg und dem ThSV Eisenach verlegt. Magdeburg hatte zuvor einen Antrag auf Verlegung bei der HBL eingereicht, dem vom Verband stattgegeben wurde. Ob das für den 26. Dezember angesetzte Heimspiel gegen den HC Erlangen ausgetragen werden kann, ist noch nicht entschieden.
„Die gestrigen schlimmen Geschehnisse, die zahlreiche Opfer und Verletzte gefordert haben, erfüllen uns mit tiefer Trauer und Mitgefühl. Aus Respekt gegenüber den Betroffenen und ihren Angehörigen haben wir uns dazu entschlossen, den Antrag auf Verlegung des Spiels zu stellen. In einer solch schweren Stunde möchten wir unsere Solidarität und Anteilnahme zeigen“, heißt es beim SC Magdeburg.
Die Handball-Bundesliga hat zudem wie die DFL allen Vereinen empfohlen, vor den anstehenden Partien zwischen dem 21. und 27. Dezember mit einer Schweigeminute der Opfer zu gedenken. „Damit soll ein gemeinsames Zeichen gegen den menschenverachtenden Anschlag in Magdeburg und für ein friedliches Miteinander gesetzt werden“, schrieb der Verband.
pk