Machtkampf um die Ukraine – Wer will was beim Friedensdeal? | ABC-Z

Berlin/Washington. Viele Akteure mischen mit: USA, Russland, Ukraine, China, Europa. Was wollen sie? Welches Spiel spielt Macron, wo steht Deutschland?
Das internationale Ringen um eine Friedenslösung in der Ukraine nimmt Fahrt auf. US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigten sich bei einem Treffen in Washington einig, dass ein Waffenstillstand innerhalb weniger Wochen machbar ist. Es gebe substanzielle Fortschritte, lobte Macron im Weißen Haus. Er überschüttete Trump mit Freundschaftsbekundungen und ergriff am Ende sogar seine Hand. Aber ist das glaubwürdig? In Wahrheit bestehen weiter große Differenzen zwischen den USA und Europa. Und völlig offen bleibt, wie kompromissbereit Wladimir Putin ist. Wer will was bei einem Ukraine-Frieden – und wo steht Deutschland?
Ukraine: Das will Donald Trump
Sein Ziel fasste der US-Präsident an der Seite Macrons so zusammen: „Ich will der Friedensstifter sein“. Trump will den Deal so schnell wie möglich. Im Wahlkampf hatte er eine Friedenslösung binnen 24 Stunden versprochen, jetzt ist von einer Frist bis Ende April die Rede. Wegen dieses Zeitdrucks könnten Inhalte zweitrangig sein, fürchtet die Ukraine. Tatsächlich ist Trump bereit, Russland weit entgegenzukommen: Die Ukraine soll auf Gebiete im Osten und auf den schon zugesagten Nato-Beitritt verzichten.
Die USA würden sich auch nicht an einer militärischen Friedenssicherung beteiligen, diese Last müssten voraussichtlich allein die Europäer tragen. Zugleich wollen die USA mit einem 500-Milliarden-Dollar-Deal von den Bodenschätzen der Ukraine profitieren. Trump will mit Putin auch über eine umfassende Wirtschaftskooperation verhandeln. Offenbar will er Ruhe in Osteuropa und die Beziehungen zu Putin so weit entspannen, dass die USA Spielraum bekommen für eine stärkere Militärpräsenz in Asien – für den Konflikt mit China.
US-Präsident Donald Trump (rechts) und der französische Präsident Emmanuel Macron in herzlicher Umarmung am Ende ihrer Pressekonferenz im Weißen Haus.
© AFP | Ludovic Marin
Wenn es gut läuft, bringt Trump Russland dazu, einen neuen Deal zur Atomwaffen-Begrenzung auszuhandeln und dabei endlich China als dritte größere Atommacht ins Boot zu holen. Letztes Signal ist eine UN-Resolution zum Ukraine-Krieg, die die US-Regierung eingebracht hat: Russland wird nicht als Aggressor benannt, von einem russischen Rückzug ist nicht die Rede.
Das sind Wladimir Putins Ziele
Russlands Präsident hat seine ursprünglichen Ziele im Ukraine-Krieg nicht erreicht, jetzt will er möglichst viel davon in einem Friedensdeal durchzusetzen. Im Kern geht es um die Sicherung einer russischen Einflusszone in Osteuropa. Dafür will Putin einen Gebietsverzicht der Ukraine, auch von Regionen, die Russland noch gar nicht erobert hat, dazu eine weitgehende Demilitarisierung der Ukraine, die nicht der Nato beitreten dürfte, und einen Rückzug der Nato aus Osteuropa. Bislang zeigt sich Putin wenig kompromissbereit.
Als kleines „Zugeständnis“ räumt er bislang nur ein, dass europäische Staaten doch in die Ukraine-Verhandlungen einbezogen werden könnten – zusammen mit „anderen Ländern“ – und die Ukraine EU-Mitglied werden dürfte. Trump behauptete beim Auftritt mit Macron, dass Putin auch mit einer europäischen Friedenstruppe einverstanden sei.
Das fordert Wolodymyr Selenskyj für den Deal
Der ukrainische Präsident hofft auf eine Friedenslösung im Lauf des Jahres – aber er will einen Deal zwischen Putin und Trump ohne Beteiligung der Ukraine auf keinen Fall akzeptieren, er will Sicherheit und Souveränität für sein Land verankern. Eckpunkte: Die Ukraine ist bereit, auf von Russland besetzte Gebiete vorläufig zu verzichten – aber ohne völkerrechtliche Anerkennung, damit Kiew diese Territorien eines Tages doch zurückbekommen könnte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
© DPA Images | Frank Gunn
Selenskyj pocht im Gegenzug auf belastbare Sicherheitsgarantien als Schutz vor einem neuen russischen Angriff: Im besten Fall ein Nato-Beitritt, der aber kaum noch durchsetzbar ist, als Alternative eine starke und robuste Friedenstruppe, an der sich nach Selenskyjs Vorstellung unbedingt die USA beteiligen müssen. Verbunden wäre das mit massiver Aufrüstung der Ukraine. Nur mit solchen US-Garantien will Selenskyj auch einen Deal zu den Bodenschätzen unterschreiben.
Ukraine-Deal: Die Ziele von Emmanuel Macron
Der französische Präsident trat an Trumps Seite als europäischer Klassensprecher auf: Er wollte einen Platz für die Europäer am Tisch für die Friedensverhandlungen erkämpfen und verhindern, dass Trump mit Putin einen Scheinfrieden aushandelt. Die Ukraine müsse an den Verhandlungen beteiligt werden, mahnte Macron: „Wir wollen Frieden. Dieser Frieden kann aber nicht die Kapitulation der Ukraine bedeuten.“ Zugleich versicherte er, dass die Europäer zur Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine bereit seien – diese Truppen müssten aber mit US-Sicherheitsgarantien unterstützt werden. Europa will nicht allein dastehen.
Macron hatte sich vor seinem Besuch im Weißen Haus mit Kanzler Olaf Scholz, Wahlsieger Friedrich Merz und dem britischen Premier Keir Starmer abgesprochen. Die Reise nach Washington unternahm der Präsident aber lieber allein, wie unter EU-Diplomaten in Brüssel kritisch angemerkt wird. Denn Macron verfolgt natürlich eigene Interessen. Frankreich spielt gerade jetzt, da Deutschland wegen der Regierungsneubildung eher ausfällt, seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in Europa aus.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Zugleich will Macron für Frankreich seine relativ gute Beziehung zu Trump absichern. Trump hatte schon in seiner ersten Amtszeit einen stabilen Draht zu dem Franzosen, er besuchte Macron im Dezember in Paris – und bedachte ihn jetzt in Washington mit herzlichen Gesten. Macron zeigte sich erkenntlich, sprach von einem „perfekten“ Treffen, obwohl Trump öffentlich auf keine seiner Forderungen eingegangen war. Wenn es eine Friedenslösung gebe, meinte Macron, dann „dank der Bemühungen von Präsident Trump“.
Ukraine: Warum Friedrich Merz kämpfen muss
Der mutmaßlich nächste Bundeskanzler ist sich mit Amtsinhaber Olaf Scholz einig: Die Ukraine muss an den Friedensverhandlungen beteiligt werden, ebenso die Europäer. Für eine tragbare Lösung brauche die Ukraine eine Position der Stärke – weshalb Merz bisher stets eine Ausweitung der deutschen Waffenlieferungen forderte, auch die von Taurus-Marschflugkörpern. Ebenso wie Scholz lehnt es auch Merz ab, zum jetzigen Zeitpunkt über eine Friedenstruppe in der Ukraine zu sprechen.

Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende und Sieger der Bundestagswahl, wird wahrscheinlich der nächste Bundeskanzler. Für einen Frieden in der Ukraine hat Merz klare Forderungen.
© DPA Images | Michael Kappeler
Als Kanzler müsste Merz hart um den deutschen Einfluss kämpfen. In Europa zeigt Macron nur begrenzt Rücksicht. Und Trump hat eine regelrechte Antipathie gegen Deutschland entwickelt: Im Zollstreit attackiert er namentlich deutsche Autohersteller, politisch drängen seine Vertrauten ganz offen auf einen Machtwechsel in Deutschland hin zu einer AfD-Regierung. Merz zieht auch schon persönlich Trumps Ärger auf sich, weil er öffentlich stark auf europäische Unabhängigkeit von den USA pocht und zuletzt die Trump-Vertrauten J.D. Vance und Elon Musk scharf attackiert hat.
China: Balance-Akt im Ukraine-Krieg
Bislang unterstützt Peking Russland in seinem Ukraine-Krieg, vor allem politisch und wirtschaftlich. An einer Friedensvermittlung zeigte China kein großes Interesse: Russland soll den Krieg nicht verlieren, aber als der kleinere Verbündete auch nicht zu stark werden – und die USA sollen in Europa beschäftigt bleiben, im Idealfall im Dissens mit den europäischen Verbündeten. Präsident Xi Jinping sieht mit Wohlgefallen, dass Putin durch einen Friedensdeal als Verbündeter erhalten bleibt. Doch sucht Xi im Stillen nach Ansatzpunkten, wie China bei einer Friedenslösung ins Spiel kommen kann. Peking sprach sich auffallend früh für eine Beteiligung der Ukraine an den Gesprächen aus. Es gibt Hinweise, dass China die Beteiligung an einer UN-Friedenstruppe erwägt. Vor allem aber will China wirtschaftlich am Wiederaufbau der Ukraine beteiligt werden.