Machte Berlusconis MFE ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte? | ABC-Z

Dass ProSiebenSat.1 unter die Kontrolle des italienischen Konzerns MFE – Media For Europe geraten könnte, galt in München schon seit einigen Jahren als eine Art Schreckgespenst, nicht nur bei Führung und Belegschaft von ProSiebenSat.1. “Wir Bayern lieben Italien, aber wir müssen hier auch nicht komplett italienisch werden. Wir wollen ein selbstständiger starker Medienstandort bleiben – auch unabhängig an der Stelle”, ließ der bayerische Ministerpräsident Markus Söder schon vor drei Jahren bei den Medientagen München wissen.
Auch in der Medienpolitik wird schon seit Jahren vor dem wachsenden Einfluss aus Italien gewarnt – erst kürzlich hat sich auch Kultur-Staatsminister Wolfram Weimer eingeschaltet und seine Sorgen kundgetan. Immer schwingt dabei auch die Sorge vor politischer Einflussnahme auf die Berichterstattung des deutschen TV-Konzerns mit, wurde der MFE doch einst von Silvio Berlusconi unter dem Namen Mediaset gegründet. Doch der umstrittene ehemalige italienische Ministerpräsident ist bekanntlich inzwischen verstorben und MFE wird längst von seinem weniger politisch orientierten Sohn Pier Silvio Berlusconi gelenkt.
Unternehmensführung und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 haben sich trotzdem seit Jahren nach Kräften gegen eine Übernahme durch MFE gewehrt – doch sie konnten nicht verhindern, dass MFE Stück für Stück an Einfluss gewonnen hat. Dass man sich inzwischen aufs Kerngeschäft Entertainment konzentriert und die zahlreichen Beteiligungen in anderen Bereichen abgibt, die ja auch für eine Diversifizierung der Erlöse standen, geschah vor allem auch auf Druck der Großaktionäre aus Italien (und Tschechien).
Der RTL-Sky-Deal verändert den Markt
Als man erkannte, dass der Konfrontationskurs mit MFE nicht mehr durchzuhalten ist, wurden die Töne in Richtung Mailand, auch nach dem Auswechseln des CEO, schon zuletzt immer konzilianter. Doch ein paneuropäischer Konzern, wie er MFE vorschwebt – diese Strategie erklärte man in Unterföhring auch unter Bert Habets weiterhin für falsch. Nachdem MFE seine Offerte finanziell erheblich nachgebessert hat, folgte nun die Kehrtwende. Für die Aktionärinnen und Aktionäre mag es finanziell nun ein besserer Deal sein – doch wird eine falsche Strategie so auf einmal richtig?
Allerdings gibt es durchaus Gründe, wieso man bei ProSiebenSat.1 eine Integration in einen paneuropäischen Konzern heute anders bewerten könnte als noch bei der Ablehnung der ersten MFE-Offerte im Mai: Inzwischen hat RTL Deutschland angekündigt, Sky Deutschland übernehmen zu wollen. Die Genehmigung durch die Kartellbehörden vorausgesetzt, würde das zu einer erheblichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf dem deutschen Markt führen. Künftig gäbe es im klassischen TV-Markt nicht mehr zwei ähnlich große Player, stattdessen sähe sich ProSiebenSat.1 einem erheblich größeren Konkurrenten aus Köln – mit neuer Dependance in der Unterföhringer Nachbarschaft – gegenüber – zusätzlich zu der ohnehin stetig stärker werdenden Konkurrenz durch die internationalen Streamer im Zuschauer- und Werbemarkt.
Die Frage, wie viele lokale Anbieter sich eigentlich gegen die internationalen Konzerne auf Dauer behaupten können, stellt sich schon seit Jahren. Die Befürchtung, dass man auf sich allein gestellt zunehmend auf verlorenem Posten stehen könnte, dürfte in Unterföhring jedenfalls durch die mögliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen RTL/Sky und ProSiebenSat.1 nicht kleiner geworden sein. Nicht ohne Grund gab es am Tag der Bekanntgabe des RTL/Sky-Deals bei ProSiebenSat.1 eine Stellungnahme von Bert Habets gegenüber der Belegschaft. Die Frage ist nur: Kann die Integration in einen paneuropäischen Konzern daran etwas ändern?
Synergien sind noch keine neue Wachstumsstory
MFE wäre auf dem deutschen Markt künftig schließlich auch nicht stärker aufgestellt als ProSiebenSat.1 bislang. Die Hoffnung ruht auf den versprochenen jährlichen Kostensynergien von 150 Millionen Euro. Doch ob man diese wirklich heben kann, steht in den Sternen. Denn: Paneuropäische Medienkonzerne sind nun wirklich keine neue Idee. Und man hat sie auch in Unterföhring schon durchexerziert: 2007 übernahm ProSiebenSat.1 die SBS Broadcasting Group und war fortan in 13 Ländern vertreten. Wenige Jahe später aber verkaufte man doch lieber wieder (an Discovery). Und dass die RTL Group seit Jahren eine internationale Beteiligung nach der anderen verkauft, spricht auch nicht unbedingt dafür, dass ein länderübergreifender Konzern große Vorteile bietet.
Sicherlich ist heute mit Blick auf die Technik mehr Kooperation möglich und nötig als einst. Doch wer schonmal ins italienische Fernsehen reingeschaltet hat, dem wird aufgefallen sein: Inhaltlich trennen es vom deutschen Markt häufig Welten, in diesem Bereich sind Synergien überschaubar. Und ganz abgesehen davon: Einsparungen auch in dreistelliger Millionen-Höhe sind noch längst keine neue Wachstumsstory. Doch die wäre nötig, wenn man sich nicht weiterhin wie schon in den letzten Jahren von Sparprogramm zu Sparprogramm hangeln will. MFE propagiert vor allem, dass sich mit Fernseh-Inhalten, wie man sie seit Jahren herstellt, auch noch ein paar weitere Jahre gutes Geld verdienen lassen wird – im klassischen TV und im Streaming. Das ist vermutlich nicht falsch. Doch es klingt eher wie ein Konzept aus den 90er Jahren als eines, das 2025 Fantasien weckt.