Bauernkrieg 1525: Der vergessene Mässinger Haufen – Bayern | ABC-Z

Die Burgruine Hofberg in Obermässing? Von ihr haben außer den Einheimischen bisher wahrscheinlich nur wenige Bayernspezialisten etwas gehört. Dabei ist sie durchaus einen Ausflug wert, allein schon wegen der weiten Aussicht über das Bauernland südlich von Freystadt in der Oberpfalz. Im Frühjahr leuchten die Felder und Wiesen in den unterschiedlichsten Gelb- und Grüntönen. So ähnlich könnte es hier auch im April vor 500 Jahren ausgesehen haben, als der Hofberg und seine Burg oberhalb der Stadt Greding plötzlich ins Zentrum des Bauernkriegs rückten. Aus dieser Zeit sind noch einige Wohngebäude und das Torhaus erhalten, in dem heute Falken nisten.

Am Freitag, 21. April 1525, marschierten hier 200 Bauern auf. Tags darauf verschafften sie sich Zugang zur fürstbischöflichen Burg und richteten darin ihr Hauptquartier ein. Eine ihrer ersten Amtshandlungen bestand darin, dass sie die Zwölf Artikel von Memmingen abschrieben, jenes schon damals berühmt-berüchtigte Manifest, in dem unter anderem die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Freigabe von Jagd und Fischerei gefordert wurden. Aus Sicht der Obrigkeit im zersplitterten Deutschland geradezu eine Kriegserklärung.
Innerhalb der folgenden Tage wuchs die Streitmacht auf 8000 Mann an, die auf dem Mässinger Berg in Stellung gingen. Ein zumindest zahlenmäßig imposantes Heer, wenn man bedenkt, dass sich die meisten Kämpfer aus dem Hochstift Eichstätt rekrutierten, einem Mini-Staat, der vom damals 69-jährigen Fürstbischof Gabriel von Eyb beherrscht wurde.
In den März- und Apriltagen 1525 sah es ganz danach aus, als würde der Funke der Revolution von Oberschwaben nicht nur auf das Hochstift Eichstätt überspringen, sondern auch auf das benachbarte Herzogtum Bayern. Landrichter Erhard von Muckental schrieb an seinen Chef Herzog Wilhelm IV. nach einem Erkundungsritt entlang der Grenze, dass „die Bauern zum Teil fast arg wenig daheim sind“. Auch die bayerischen Untertanen hatten sich offensichtlich in Scharen dem „Mässinger Haufen“ angeschlossen, um die „göttliche Gerechtigkeit zu handhaben“, wie es in einem Schreiben der Aufständischen hieß.
Bischof von Eyb richtete in Ermangelung eigener Streitkräfte sogleich ein Hilfegesuch an seinen bayerischen Herrscherkollegen, in dem er den Aufruhr herunterspielte: Die Empörung könne man ohne große Kosten und Mühe niederschlagen. Bei Wilhelm IV. kam das ganz schlecht an: „Der Bischof von Eichstätt hat uns auch anheut dato einen guten seltsamen Brief, als ob ihm noch nicht Ernst und die Sach ihn nicht so hoch betreffe, zugeschickt, dabei man der Geistlichkeit Verblendung befinden mag.“ Mit anderen Worten: Der nach Ansicht von Wilhelm etwas dämliche Eyb hatte nicht gecheckt, was da eigentlich vor sich ging.
An dieser Stelle sollte man einen Exkurs nach Ingolstadt ins Jahr 2025 machen. Hier wohnt der Historiker und frühere Hauptschulrektor Josef Seger. Er zählt vermutlich zu den besten Kennern des Bauernkriegs von 1525 und ist in diesem Jahr ein gefragter Gesprächspartner. Seger ist es zu verdanken, dass die Geschichte des Mässinger Haufens neu geschrieben wurde. Als er 1990 an das Institut für Geschichte der Uni Eichstätt kam, ärgerte er sich nach eigenem Bekunden fürchterlich darüber, wie die Bauern in der Geschichtsschreibung herabgewürdigt wurden. Heimatforscher stellten sie durchwegs als dumme, primitive Horden dar, deren unbedeutender Aufstand von einem „Windhauch“ hinweggefegt worden sei. Eine ziemlich durchsichtige Geschichtsverfälschung katholischer Hobbyhistoriker und Honoratioren, die das in ihren Augen teuflische Luthertum und die Bauernaufstände zu einer Horrorerzählung zusammenrührten.

Seger, der selbst aus einem Bauernhof im Landkreis Neumarkt stammt, setzte der Geschichtsklitterung fünf Jahre Arbeit entgegen. So lange dauerte es, bis er seine anfangs 600-seitige Doktorarbeit über den Mässinger Haufen zusammengetragen und schließlich auf 350 Seiten gekürzt hatte. Er wühlte sich durch die Archive von Nürnberg, Augsburg und München – eine „originäre historische Arbeit“, wie er es nennt. „Die Quellenlage ist gar nicht so schlecht“, bilanziert Seger.
Besonders stolz ist er auf einen Fund, den er in Augsburg machte: Dort stieß er auf ein Schreiben vom 20. März 1525, das die „Hauptleute und Räte zu Thalmässing“ an ihre Brüder im schwäbischen Leipheim richteten: Darin boten sie den Aufständischen ihre Unterstützung an. Der Brief kam freilich nie an, weil er von Reitern des Schwäbischen Bundes abgefangen wurde. Der Leipheimer Haufen erlitt nur zwei Wochen später eine fürchterliche Niederlage gegen Georg Truchsess von Waldburg. Bis zu 4000 Bauern sollen in der Schlacht niedergemetzelt worden sein – ein denkbar schlechtes Omen für den Mässinger Haufen, der ebenfalls aus militärisch unerfahrenen und schlecht bewaffneten Männern bestand.

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Was genau die Gründe für den Aufruhr im Hochstift Eichstätt waren, lässt sich heute nur noch ansatzweise nachvollziehen. Jedenfalls scheint auch hierbei der Streit über Jagd- und Fischereirechte eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Seger berichtet von immer wieder vorgetragenen Beschwerden über zu viel Wild, das große Schäden auf den Äckern anrichtete. Die Herrschaften wollten freilich was zu jagen haben, und ihre Untertanen hatten zu allem Überfluss auch noch die Treiber für die Gaudi abzustellen.
Trotz der Katastrophe von Leipheim entschieden sich die Aufständischen in Obermässing zum Weitermachen: Mit der kampflosen Einnahme von Greding konnten sie sogar einen ersten Erfolg erzielen, doch bereits vor den Stadtmauern von Berching erwartete sie das Feuer der Bürgerwehr. Der Haufen wandte sich stattdessen dem unbefestigten Kloster Plankstetten zu, das erst geplündert und danach angezündet wurde. In den Tagen darauf nahmen die Bauern auch noch die Burgen Liebeneck und Brunneck sowie das Schloss Thannhausen ein. Zugleich traten sie in Verhandlungen mit dem Pfalzgrafen Friedrich von Neumarkt. Ihm wollten die Bauern bis zum 1. Mai ihre Beschwerden schicken.
Doch daraus wurde nichts, denn der Pfalzgraf hatte sich entschieden, für seinen Nachbarn Gabriel von Eyb die Ordnung mit militärischen Mitteln wieder herzustellen. In der Nähe von Freystadt zog er dafür 500 Mann samt Geschützen zusammen. In der Nacht auf den 2. Mai 1525 schickte Friedrich Späher zum Heerlager des zahlenmäßig weit überlegenen Mässinger Haufens aus. Doch der hatte sich unbemerkt aufgelöst. Die Bauern waren einfach wieder nach Hause gegangen. Eine weise Entscheidung angesichts des Massakers bei Leipheim.
Die Obrigkeit rächte sich dennoch an den Anführern des Aufstands: 15 Männer wurden hingerichtet, Pfalzgraf Friedrich von Neumarkt, aber auch Herzog Wilhelm von Bayern überzogen die Gegend mit Plünderungen und Strafzahlungen.
Danach verlor sich die Erinnerung an den Bauernkrieg im Hochstift Eichstätt in der Geschichte. Wohl auch deshalb, weil die folgenden Jahrhunderte mit noch größeren Schrecknissen aufwarten konnten. Auch fehlte hier die charismatische Figur eines Anführers wie Thomas Müntzer oder der „Bauernjörg“ Georg von Waldburg. Seger stieß bei seinen Nachforschungen zwar auf einen Hauptmann namens Wolf Hackenmüller. Über dessen Leben ist aber nichts überliefert.

Am Ende bleibt auch beim Bauernkrieg, dem binnen weniger Monate Zehntausende zum Opfer fielen, die Frage der Deutung. Die DDR-Geschichtsschreibung stilisierte ihn zum großen Freiheitskampf mit Thomas Müntzer als Revolutionär und sozialistischer Heiligengestalt. Zum 500. Jahrestag ziehen etliche Autoren nun eine direkte Linie von 1525 über die Revolution von 1848 bis zur parlamentarischen Demokratie von heute. Die Zwölf Artikel von Memmingen werden gerne als frühe Deklaration der Menschenrechte interpretiert. Seger bleibt da eher zurückhaltend. Auch er sieht im Aufbegehren der Bauern einen Kampf um Freiheitsrechte, aber im Rahmen der Zeit: „Die Hierarchie, das Gesellschaftssystem sind nie infrage gestellt worden“, sagt er.
Die Lebenswelten haben sich seitdem völlig verändert. Geblieben ist allenfalls eine chronische Angst der Herrschenden vor dem aufsässigen Landvolk. Auf dem Hofberg in Obermässing erinnert künftig ein Denkmal der Stadt Greding an den fast vergessenen Aufstand der Bauern. 500 Jahre hat es für ihre Würdigung gebraucht.
Die Geschichte des Mässinger Haufens ist auf der Internetseite www.maessinger-haufen.de mustergültig aufgearbeitet worden. Hier finden sich auch Termine von Vortragsveranstaltungen.