Lüneburgs Volleyballer: Erfolgreich im Zehnjahresplan – Sport | ABC-Z

Am Ende flog vieles durch die Luft, Bierbecher, Papierschnipsel, das Maskottchen Lüne Leo sprang auf und ab, mitsamt den anderen 3200 Zuschauern in der restlos ausverkauften Halle. Diesen Ostersamstag werden sie nicht so schnell vergessen bei der SVG Lüneburg, deren Volleyballer sich nun einen würdigen Platz in den Vereinsmemoiren gesichert haben. Denn sie haben durch ihren 3:1 (25:23, 25:23, 27:29, 25:19)-Erfolg über Friedrichshafen die Best-of-five-Serie im letzten Spiel gewonnen und zum ersten Mal das Playoff-Finale erreicht.
Ihr Gegner dort sind von Sonntag an die Berlin Recycling Volleys, der deutsche Rekordmeister, der seit 2012 immer den Titel gewann, mit zwei Ausnahmen. 2015 schnappte Friedrichshafen den Berlinern die bronzene Meisterschale weg, 2021 kam Corona dazwischen. Seit 2012 waren immer nur Berlin und Friedrichshafen im Playoff-Finale. Der Titel ging seit 1998 ausschließlich an einen dieser beiden Klubs.
Auch deshalb war die Erleichterung so groß, nicht nur in Lüneburg übrigens, als SVG-Hauptangreifer Xander Ketrzynski den Matchball gegen Friedrichshafen mit einem harten Diagonalschlag verwandelte. „Wir sind superhappy, dass dieser Schritt, ins Finale zu kommen, geklappt hat. Das war ein großes Fernziel, und dieses Jahr ist es so weit. Das tut jetzt auch mal gut“, sagte Trainer Stefan Hübner am Dienstag am Telefon, nachdem er an Ostern zu Hause mit seinen beiden Söhnen, seiner Frau und seiner Mutter durchschnaufen konnte. Er sprach damit auch allen aus der Seele, denen das ewige Duell Berlin gegen Friedrichshafen so langsam auf die Nerven ging.
2012 saßen noch zwei Minijobber im Zwölf-Quadratmeter-Büro
Frischen Nordwind hatte Lüneburg schon in der Vergangenheit gebracht. Der Gründer und Geschäftsführer Andreas Bahlburg hatte, nachdem die SVG 2012 in der zweiten Liga als Vorletzter kurz vor dem Abstieg stand, zwei Minijobber in ein Zwölf-Quadratmeter-Büro gesetzt und zusammen mit Co-Trainer Bernd Schlesinger einen Zehnjahresplan aufgestellt. Das Ziel: Erstligaaufstieg, dort in der Spitze etablieren und später international spielen. 2014 stieg Lüneburg in die erste Liga auf.
Damals, an Ostern vor elf Jahren, traf Bahlburg den 245-maligen Nationalspieler Hübner zum Frühstück, stellte ihm seine Vision vor und überredete ihn zum Umzug nach Lüneburg. Unter dem Trainer Hübner erreichte Lüneburg siebenmal das Playoff-Halbfinale und dreimal das DVV-Pokalfinale. Eine neue Eventarena, deren Bau sich allerdings lange hinzog, entstand, 2024 spielten die Lüne-Hünen, wie sie sich nennen, in der Champions League, schieden in der Gruppenphase aus und erreichten im zweithöchsten Wettbewerb, dem CEV-Cup, das Finale. Vor zwei Monaten schmissen sie Berlin im Champions-League-Achtelfinale aus dem Wettbewerb, erst im Viertelfinale war dann Schluss. Die Heimspiele waren binnen fünf Minuten ausverkauft. „In den letzten Wochen laufe ich mit einem Dauergrinsen durchs Dorf und sage zu meiner Frau: Pieks mich mal“, sagt Bahlburg. Er fügt hinzu: „Aber wir sind noch nicht am Ende des Weges. Das einzig Wahre ist die Schale oder der Pott.“
:Zwei neue Profiligen locken Sportlerinnen mit viel Geld
Auch deutschen Volleyballerinnen bieten sich außergewöhnlich gute Arbeitsbedingungen. Hinzu kommen prominente Investoren. Überleben wird wohl trotzdem nur eine der beiden Ligen – wenn überhaupt.
Die neue Halle, die fast immer ausverkauft ist; die fast 100 ehrenamtlichen Helfer; die inzwischen acht hauptamtlichen Mitarbeiter; die mehr als 120 Sponsoren, die den Etat laut Bahlburg auf nun 1,7 Millionen Euro schrauben: All das fügt sich zum Bild eines besonderen Klubs zusammen, der viel Wert auf Zusammenhalt legt. Und in seiner Mitte arbeitet seit elf Jahren Hübner, der einen Vertrag bis 2028 hat und die Gabe besitzt, nicht nur Trainer zu sein, sondern auch ein Lehrer, der die Klasse mit großem Respekt behandelt, und ein väterlicher Freund. Er lädt die Mannschaft zu sich und seiner Familie nach Hause ein, die Profis wiederum geben Fans und Sponsoren auch mal Trainingseinheiten oder schenken im Advent Glühwein ans Publikum aus.
Lüneburg ist ein Beispiel dafür, wie aus Kleinem Großes entstehen kann, mit Weitsicht, einem schlüssigen Konzept und dem richtigen Personal. Die neue Arena, inzwischen ein Magnet fürs ganze Umland bis hinauf nach Hamburg, nennt Bahlburg dabei einen „Gamechanger“. So hat der Klub inzwischen auch Friedrichshafen überholt, das seit Jahren in einem 1000 Zuschauer fassenden Provisorium spielt – und auch deshalb die Kriterien für die Champions League nicht erfüllt.
Der nächste Zehnjahresplan ist längst fixiert. Das Ziel: Lüneburg möchte seine Vitrine mit Titeln in der Meisterschaft und im Pokal füllen, sich als Champions-League-Klub etablieren. Und auch im Kader auf noch mehr Kontinuität bauen, die Profis mit Mehrjahresverträgen ausstatten, was noch unüblich ist im Volleyball. Sie haben in dieser Saison ja auch schmerzhafte Erfahrungen gemacht in dieser Hinsicht. Denn ihr Kapitän Theo Mohwinkel, ein Kind der Stadt und des Klubs, einst Ballroller bei der SVG, zog im Januar seine Ausstiegsklausel und wechselt nun ins Ausland. „Das war ein Schlag ins Kontor“, sagt Bahlburg, für den Mohwinkel stets Identifikationsfigur und Brückenbauer zur eigenen Jugend war.
Es läuft also nicht immer alles nach Plan, auch nicht in Lüneburg. Aber die Zukunft sieht vielversprechend aus. In der Liga, in der endlich ein größerer Wettbewerb herrscht, auch dank Klubs wie Giesen, Herrsching oder Freiburg, die emporstreben. Aber vor allem in dieser 75 000-Einwohner-Stadt südlich der Elbe. Der Kader für die kommende Saison steht schon. Und Berlin? „Der Fernsehturm wackelt“, sagt Bahlburg, der weiß, dass Lüneburg in dieser Saison zum Angstgegner der Volleys geworden ist: „Und wenn wir die Schale bekommen, dann brennt Lüneburg.“