Luke Littler bei der WM: Die Dartscheiben sind ausverkauft – Sport | ABC-Z
Seit Luke Littler vor einem Jahr als jüngster Spieler der Geschichte am Finale der Darts-WM teilnahm, zählt er zu den bekanntesten Personen in Großbritannien. Sein Name wurde auf der Insel häufiger in die Google-Suchmaschine eingegeben als der jedes anderen Sportlers, einschließlich der Fußballstars wie Harry Kane, Jude Bellingham oder Cole Palmer, die im Sommer mit der Nationalelf das EM-Finale in Berlin erreichten. Die Suchanfragen für Littler wurden nur von Prinzessin Kate Middleton und dem designierten US-Präsidenten Donald Trump übertroffen.
Er könne das „nicht so recht glauben“, sagt der 17-Jährige dazu. In dieser Saison hat er zehn Turniere gewonnen und mehr als eine Million Pfund Preisgeld erspielt. Dadurch verbesserte er sich in der Darts-Weltrangliste von Position 164 auf 4.
Pfeilwurf erreicht eine neue Dimension, und in England ist ein Hype entstanden. Littlers WM-Finalniederlage gegen seinen Landsmann Luke Humphries verfolgten bis zu 3,7 Millionen Menschen in der Spitze bei Sky Sports – so viele hatten nie zuvor bei einer Nicht-Fußball-Übertragung des Pay-Senders eingeschaltet. Im Videogespräch mit der SZ findet Matthew Porter, seit 2008 Geschäftsführer des Darts-Weltverbands PDC, dass Littler und Darts die „perfekte Geschichte“ seien.
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Der Teenager sei ein „enormer Gewinn“, sagt Porter, weil er viele auf die Sportart aufmerksam gemacht habe, die bis dahin keinerlei Bezug zu ihr hatten. Die zusammengerechnet etwa 100 000 Tickets für die soeben gestartete WM im Londoner Alexandra Palace waren direkt nach dem Verkaufsstart vergriffen. Die PDC schätzt, man hätte dreimal so viele Eintrittskarten verkaufen können. Die Mitgliederzahl der für Kinder gegründeten Junior Darts Corporation hat sich zuletzt auf mehr als 3000 verdoppelt; es gibt Partnerschaften mit Darts-Stützpunkten und -Akademien in Ländern wie Australien, Bulgarien, der Mongolei und den USA.
Früher sei es ihm „ziemlich peinlich“ gewesen, seinen Freunden von seinem Darts-Hobby zu erzählen, räumte Juniorchef Steven Brown, 43, kürzlich in der BBC ein: Heute werde es „als coole Sache“ in den Schulen angesehen. Littlers Sponsor, Target Darts, rechnet damit, bis Weihnachten mehr als 100 000 Kinder-Dartsscheiben mit dem Markenbranding „Luke ‚The Nuke‘ Littler“ abzusetzen. So nennt sich der Teenager auf der Darts-Bühne: Atombombe. Die Magnetboards wären damit ausverkauft.
Littler ist so was wie der Nachfolger des 2018 abgetretenen Phil Taylor
Littler profitierte vor seinem Durchbruch umfänglich von den neuen Nachwuchsserien, er spielte auf der Junior-Tour, danach auf der Development-Tour. Darts-Spieler würden im übertragenen Sinn „nicht mehr in Pubs geboren“, sagt Porter. Früher musste man sich tatsächlich in ebensolchen anmelden, um eine Chance auf Förderungen und Wettbewerbe zu haben.
Es sei die richtige Entscheidung gewesen, in die Jugendförderung zu investieren, sagt Porter rückblickend: Das sei in jeder Sportart der Schlüssel für neue Stars, wenn die alten irgendwann nicht mehr können. Littler dürfte für die PDC sozusagen der Nachfolger des 2018 abgetretenen Phil Taylor sein, der Darts über drei Jahrzehnte lang dominierte und es einem breiteren Sportpublikum bekannt machte.
Im Vergleich zu Taylors Anfängen haben sich die ganze Szene und ihre Spieler professionalisiert, sie trainieren, leben und vermarkten sich mittlerweile wie Spitzenathleten anderer Sportarten; der internationale Turnierkalender bietet kaum Freiraum. Als er zum Darts gekommen sei, erzählt Porter, war auf den Sportshirts der Spieler nicht selten ein Sticker von Freunden aufgeklebt, die Geld sponserten. Inzwischen wird von Social Media bis zur Walk-on-Musik alles von Profis durchorganisiert, so Porter.
Die Reformierung ging von der PDC aus. Sie verwandelte das Darts, das sich aufgrund der kleinen Zielscheiben originär weniger für einen Live-Besuch eignet, zum Zuschauermagneten. Die WM zum Jahresabschluss im Ally Pally gilt als größte Sportparty der Welt: „Ein Dienstagnachmittag fühlt sich hier so an wie ein Samstagabend“, witzelt Porter. Die Faszination? Zum einen sei Darts eine „soziale Erfahrung“, weil die meisten Leute in kleineren Gruppen kommen; und weil es nicht so sehr darum geht, wer wann spielt. Dass es vordergründig ums Erlebnis gehe, sei ein Alleinstellungsmerkmal von Darts, glaubt Porter. Denn im Fußball, ist der 44-Jährige überzeugt, würde niemand ernsthaft behaupten, der eigene Klub habe zwar 0:4 verloren – aber der Tag sei trotzdem super gewesen, weil das Essen gut und das Wetter schön gewesen sei (was rund um den Ally Pally allerdings auch nicht zwingend gegeben ist).
Die WM künftig in Saudi-Arabien? Dieser Schritt wäre zwar lukrativ, aber umstritten
Für die Stimmung im Alexandra-Palace ist neben der Ausgelassenheit der Fans die Qualität der Matches ausschlaggebend. Die Masse fordert Spannung und Drama ein sowie die sogenannten High Finishes. Und selbstverständlich die Höchstpunktzahl „180“, mit nur drei geworfenen Pfeilen. Eine Party sei „Müll“, wenn man Müll liefere, sagt Porter. Deshalb ist für die PDC ein ausgeglichenes Teilnehmerfeld wichtig, in dem auch die unbekannteren Spieler bisweilen beachtlich gut performen. Während der Pausen hilft die PDC etwa mit Karaoke oder Cheerleaderinnen nach.
Anders als die meisten Organisationen, die eine Sportart verwalten, ist die PDC kein traditioneller Verband, sondern eine kommerzielle Einrichtung. Sie steht unter der Kontrolle der Vermarktungsagentur Matchroom Sport, der wiederum der britische Promoter Barry Hearn und sein Sohn Eddie Hearn mehrheitlich vorstehen. Diese Struktur ermögliche der PDC, „flexible, unabhängige und schnelle Entscheidungen“ zu treffen, erläutert Porter. Aus seiner Sicht werde die Förderung konkurrierender Sportarten bisweilen durch Bürokratie in den Verbänden und Eigeninteressen der Funktionäre beschnitten.
Zuletzt gab es wiederkehrende Gerüchte um die Austragung eines Turniers in Saudi-Arabien. Dabei wurde über eine Verlegung der WM in den Wüstenstaat spekuliert. Das wäre finanziell lukrativ, aber angesichts der dortigen Menschenrechtssituation stark umstritten. Porter sagt, es gebe „keine laufenden Gespräche“ mit Saudi-Arabien und für einen Wettbewerb in diesem Land auch „keine zeitnahe Wahrscheinlichkeit“. Für die Zukunft würde er es aber nicht ausschließen wollen. Matchroom verständigte sich erst vor einigen Monaten mit dem saudischen Ministerium auf ein Snooker-Turnier für die nächsten zehn Jahre. Laut Schätzungen ist Hearns Matchroom-Portfolio, auch wegen des rasant wachsenden Interesses am Darts, eine Milliarde Euro wert.
Vor der WM sprach Barry Hearn von einer „Littler-Mania“, die sich überall ausbreiten werde. Littlers Auftaktmatch hat die PDC auf den bestmöglichen Sendeplatz gelegt, in die Primetime am kommenden Samstagabend. Der Teenager zählt zum engen Favoritenkreis. Der Guardian kommentierte, dass Luke Littler „den Geist“ des Darts repräsentiere: Es gehe um großes Können sowie um Neckerei, Kameradschaft. Und darum, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.