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Luftverschmutzung durch geplantes Werk in Salzburg: Kritik aus Freilassing – Bayern | ABC-Z

Die große Dampfsäule sehen die Freilassinger fast immer im Südosten am Himmel stehen, wenn drüben auf der Salzburger Seite der Saalach gearbeitet wird. Dort im Werk des Faserplatten-Herstellers Kaindl wird Holz getrocknet, ein mit Materialresten befeuertes Heizkraftwerk sorgt für die nötige Wärme. Diese Anlage will Kaindl jetzt durch eine neue ersetzen, die das eigene Werk mit Strom und Wärme versorgen und zusätzlich Fernwärme für 20 000 Salzburger Haushalte liefern soll.

Doch dafür reichen Rinden, Sägestaub und Holzreste aus der Produktion nicht mehr aus. Sie sollen nur noch ein gutes Drittel der kalkulierten 317 000 Tonnen Brennstoff ausmachen. Zusätzlich sollen mehr als 140 000 Tonnen zugekauftes Altholz aus Recyclinghöfen verfeuert werden – und rund 60 000 Tonnen „Ersatzbrennstoff“ vorwiegend aus Verpackungsmülltonnen. Für den Bund Naturschutz (BN) im Berchtesgadener Land wird das Werk damit eine „verkappte Müllverbrennungsanlage“. Auch die Stadt Freilassing sieht das Vorhaben der Nachbarn äußerst kritisch.

Die Stadträte im Freilassinger Bauausschuss haben dazu eine immerhin elfseitige Stellungnahme beschlossen. Und auf bayerischer Seite darf man sogar in aller Form Einschätzungen abgeben zu dem Projekt in der österreichischen Gemeinde Wals-Siezenheim. Denn das Vorhaben ist so groß, dass die Salzburger im Rahmen ihrer eigenen Umweltverträglichkeitsprüfung in Deutschland nachfragen mussten, ob eine „grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung“ gewünscht sei. Der Bund bejahte und beauftrage das Landratsamt im Bad Reichenhall mit dem Sammeln der Stellungnahmen. Und die fallen in Freilassing deutlich aus.

So sähe man in Freilassing, dessen Zentrum keine zweieinhalb Kilometer Luftlinie von der Anlage entfernt ist, laut der städtischen Stellungnahme gerne auch deutsche Regelwerke für Schadstoffe in der Luft berücksichtigt. Dass keinerlei Beeinträchtigungen für Menschen und Natur auf deutscher Seite zu erwarten sei, wie es aus eingereichten Gutachten von Kaindl hervorgeht, glaubt man im Freilassinger Rathaus ausdrücklich nicht. Die genaue Zusammensetzung der Ersatzbrennstoffe sei ebenso unklar geregelt wie die Kontrolle dieses angelieferten Materials und der Schutz der Freilassinger bei einem Störfall.

Es müssten Alternativen geprüft werden, insbesondere ein Verzicht auf das Verfeuern von Abfällen, heißt es in der Stellungnahme. Für sich selbst fordert die Stadt eine formelle Beteiligung am Verfahren, die über das bloße Abgeben von Stellungnahmen hinausgeht.

Das Werksgelände mit dem Standort des geplanten Kraftwerks (Mitte oben) ist nur einen guten Kilometer vom Grenzfluss Saalach (links) entfernt. Das Holzlager reicht teilweise direkt bis zum Flussufer. (Foto: Google Earth)

Diese Forderungen ähneln denen des BN im Berchtesgadener Land, der unter anderem vor Schwermetallen, „Seveso-Giften“ wie Dioxinen und Furanen sowie vor den als „Ewigkeitschemikalien“ kritisierten PFAS warnt. Der Freilassinger BN-Ortssprecher Erich Prechtl zieht zudem einen Vergleich mit der Müllverbrennungsanlage Burgkirchen im Landkreis Altötting, wo nahezu der gesamte Restmüll aus dem südöstlichen Oberbayern verbrannt wird. Dort sind es 235 000 Tonnen pro Jahr, also fast 80 000 Tonnen weniger als demnächst jenseits der Saalach.

Allerdings will Kaindl keineswegs derartige Mengen an Müll verfeuern, sondern überwiegend Holz – zu einem gewissen Teil unbehandeltes Holz, wie es der BN ausdrücklich verlangt. Zudem wird die Rauchfahne der Anlage bei Westwind, wie er auch im Salzburger Becken an den allermeisten Tagen vorherrscht, nicht Richtung Freilassing treiben, sondern genau über die Salzburger Innenstadt hinweg. „Bei Süd- und Ostwind und bei Inversionswetterlage“ werde aber auch Freilassing belastet, bekräftigt Prechtl und kritisiert, dass die ursprünglich vorgesehene Höhe des Schornsteins von 70 auf 50 Meter reduziert worden sei.

Dies liegt an der Nähe des Kaindl-Geländes zum Salzburger Flughafen. Der wird zwar auch viel von Passagieren aus dem angrenzenden Bayern genutzt. Für die Freilassinger sind die vielen Maschinen, die dicht über ihre Köpfe hinwegdonnern, allerdings seit langer Zeit ein großes Ärgernis. Hier vermutet man, dass die Salzburger den größten Teil der Jets mit Absicht über Freilassing hinweg starten und landen lassen, statt über die Salzburger Gemeinden Richtung Süden und Südosten.

Der Streit beschäftigt längst auch die Verkehrsministerin in Berlin und Wien, bisher ohne größere positive Effekte für Freilassing. Hier hält man es nun sogar für möglich, dass der neue Schornstein die Flugzeuge dauerhaft auf bestimmte Routen zwingt und die Lage für Freilassing nicht nur kaum besser, sondern sogar noch schlimmer werden könnte. Auch diese Möglichkeit will die Fluglärm-Referentin des Freilassinger Stadtrats, Bettina Oestreich, in ihrer zusätzlichen Stellungnahme genauestens untersucht und sicher ausgeschlossen wissen.

Die Salzburger Politik begleitet das Vorhaben wohlwollend

Bei Kaindl betont man den „engen Dialog mit Politik und Bevölkerung“ beiderseits der Grenze. „Wir haben in den vergangenen Jahren stets einen transparenten Austausch mit unseren Anrainern in Salzburg und Freilassing gepflegt und auf Fragen direkt und persönlich reagiert. Daran werden wir selbstverständlich festhalten“, ließ Geschäftsführer Konrad Grünwald zuletzt mitteilen. Im laufenden Verfahren würden „auf Basis der strengen Auflagen alle umweltrelevanten Aspekte wie Emissionsgrenzwerte geprüft“. Das eigene Projekt sei seines Wissens „eine der größten privaten Investitionen in Ökoenergie in Österreich“.

Der Vorstandssprecher des öffentlichen Versorgers Salzburg AG, Michael Baminger, dankte Kaindl ausdrücklich für die „wegweisende Partnerschaft“, durch die man den „Anteil erneuerbarer Fernwärme auf knapp über 65 Prozent“ steigern und dem Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2040 einen großen Schritt näher kommen könne.

Die Stadt- und Landespolitik in Salzburg mache sich nach Ansicht des BN mit dem Projekt von Kaindl abhängig und könnte in Zukunft gezwungen sein, Änderungen einfach durchzuwinken. Gleichwohl begleiten sie das Vorhaben wohlwollend. Einen Abschluss des Genehmigungsverfahrens hat die Salzburger Landesregierung für die kommenden Monate in Aussicht gestellt.

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