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Löwen besiegen Adler Mannheim im Stadion | ABC-Z

Als die letzten Sekunden dieses Eishockeyspektakels liefen, versuchte jeder diesen besonderen Moment auf seine eigene Art und Weise zu konservieren. Die Spieler der Löwen Frankfurt ließen noch einmal ihren Blick durch das fast voll besetzte Frankfurter Fußballstadion schweifen.

Sportdirektor Daniel Heinrizi lief in Richtung der provisorischen Eisfläche und hielt mit einer 360-Grad-Videoaufnahme auf seinem Handy fest, wie viele der über 45.000 Zuschauer klatschten, jubelten und sangen. Und Löwen-Ko-Trainer Jan Barta, den das Drumherum schon während des Spiels immer mal wieder abgelenkt hatte, wie er zugab, sagte hinterher: „Als wir dann geführt haben, hat man sich auch mal die Zeit genommen und genossen.“

„Größtes Derby aller Zeiten“

Dafür gab es allen Grund. Denn das, was sich an diesem kalten Abend im Waldstadion ereignet hatte, dürfte im Leben der meisten ein einmaliges Erlebnis bleiben. Eishockey in der Fußballarena vor einer solchen Kulisse, aber auch ein Ergebnis, das selbst ohne diese Rahmenbedingungen hohe Wellen in der Eishockeywelt geschlagen hätte: 5:1 für die Löwen Frankfurt gegen den Rivalen aus Mannheim. Ein Statement des Außenseiters. Eine Demütigung für den Titelfavoriten.

Die Organisatoren hatten dieses „Winter Game“, welches von der Deutschen Eishockey Liga (DEL) alle zwei Jahre veranstaltet wird, als „größtes Derby aller Zeiten“ angekündigt. Das schien vielleicht etwas hochgegriffen. Doch nach diesem Spiel gab es keine zwei Meinungen.

Der geschäftsführende Gesellschafter der Löwen, Stefan Krämer, bezeichnete den Abend trotz kalter Füße als „perfekt“. Löwen-Headcoach Tom Rowe sprach von einer „unglaublichen Nacht“. Und welch nachhaltigen Eindruck dieses Event hinterlassen hatte, zeigte sich auch dadurch, dass selbst die schwer geschlagenen Mannheimer dieses Spiel als Erfolg werteten. „Es war ein großer, großer Tag für unsere Liga. Gratulation an alle, die das möglich gemacht haben“, sagte Adler-Trainer Dallas Eakins, der schon vor der Partie von einem Erlebnis gesprochen hatte, das er wohl nie vergessen werde.

Eakins lobte vor allem die vielen Details. Es gab mehrere musikalische Live-Auftritte, Eisfußball mit Eintracht-Legende Charly Körbel, andere Showeinlagen, aber auch neuartige Bilder beim übertragenden Sender MagentaSport, der eine kleine Drohne im Einsatz hatte, die eine andere Perspektive bot.

„Eines der besten ersten Drittel“

Jeder schien sich etwas überlegt zu haben. Vor dem Spiel zeigten beide Fanlager jeweils eine Choreographie. Dann kamen die Löwen-Spieler mit schwarzer Kriegsbemalung unter den Augen aufs Eis, wie man sie von Footballspielern kennt. Das Trainerteam um Rowe trug Mantel und einen stilvollen schwarzen Hut, während die Coaches der Mannheimer mit Collegejacke in den Vereinsfarben und Schiebermütze aufschlugen.

Das hätte auch andersherum gut gepasst: die gut betuchten Mannheimer, die über einen mindestens doppelt so hohen Etat verfügen, stilvoll gekleidet – und die Löwen als aufmüpfiger Underdog im Studentenlook. Nur: Wie ein Außenseiter spielten die Frankfurter ja gar nicht.

Zwar waren es zunächst die Adler, die zielstrebiger agierten. „Es war eines der besten ersten Drittel, die wir in dieser Saison gespielt haben“, sagte Eakins, der ein ums andere Mal sah, wie Frankfurts zuletzt nicht unumstrittener Torhüter Jussi Olkinuora bewies, wie wichtig er für diese Mannschaft sein kann. Doch ab dem zweiten Drittel bestimmten fast nur noch die Löwen das Spielgeschehen.

Mannheim kam kaum noch zu Chancen. Frankfurt ging durch Daniel Wirts Treffer 1:0 in Führung. Nach den Toren von Cameron Brace (47. Minute), Dennis Lobach (48.) und Maksim Matushkin (50.) spielte der Stadion-DJ den EM-Klassiker „Völlig losgelöst“ von Major Tom. Das Löwen-Spiel mutete zu diesem Zeitpunkt längst schwerelos an. Bei Mannheim wirkte es, als hätte jemand in der ersten Drittelpause Blei in den Schlittschuhen versteckt.

Spiel mit „Appetithäppchenfunktion“

Vielleicht waren es auch die große Bühne, die Aufmerksamkeit und das Drumherum, welche das Team lähmten. „Mich hat das schon auch ein bisschen nervös gemacht“, gestand jedenfalls Löwen-Verteidiger Daniel Wirt nach der Partie. Und Barta sagte: „Wir hatten schon alle, ich will nicht sagen Muffe, aber Respekt vor diesem Abend.“ Barta kennt Spiele dieser Art – und weiß, was sie bewirken können. Schon 2019 hatte das „Wintergame“ gegen den EC Bad Nauheim, damals im Stadion von Kickers Offenbach, Kräfte beim Team freigesetzt. „Wenn man sowas schafft, schweißt das zusammen“, sagt Barta.

Es lassen sich in dieser Saison Parallelen zu damals finden: Die Löwen hatten zwischenzeitlich wieder viele Verletzte, stehen mit Platz elf nicht so gut da, wie sie sich das vor der Saison erhofft hatten. Beflügelt vom dritten Sieg im dritten Derby dieser Saison gegen Mannheim sagte Barta noch in den Katakomben der Frankfurter Arena: „Das sind die Löwen Frankfurt, die wir erwarten und die wir auch in Zukunft wieder sehen wollen.“

Auf dem Eis schien alles zu funktionieren aus Frankfurter Sicht, an anderer Stelle wurde es ab und an ein kleines bisschen holpriger. Vor dem Spiel trug Moderatorin Evren Gezer zunächst die Aufstellung der Frankfurter statt die der Mannheimer vor. Im ersten Drittel war die Partie unterbrochen, weil die Bande repariert werden musste. Später waren mehrmals Arbeiten am provisorischen Eis nötig. Doch über diese Kleinigkeiten konnten alle hinwegsehen.

Liga-Chef Gernot Tripcke schien mehr als zufrieden, machte beiden Klubs und der Eintracht Frankfurt Stadion GmbH ein „Riesen-Kompliment“ für die Organisation. „Das zeigt, welchen Stellenwert Eishockey in diesen beiden Städten hat, trägt aber natürlich über die Grenzen hinaus.“ Tripcke bezeichnete das „Wintergame“ als Spiel mit „Appetithäppchenfunktion“, eine gute Werbung für den Sport, und leitete daraus auch etwas mit Blick auf das Frankfurter Dasein als Klub mit derzeit (noch) begrenzten Möglichkeiten ab. „Das gibt einen Schub. Wir kennen die Stadionproblematik in Frankfurt“, sagte er und stellte, sichtlich beeindruckt von dem, was er zuvor gesehen hatte, eine deutliche Forderung: „Da muss mittelfristig endlich mal etwas passieren. Dieser Abend hat ganz klar gezeigt, wie viel Potential Eishockey in Frankfurt hat.“

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