Lokführer stoppt Schwefel-Bahn rechtzeitig und hält Angreifer fest | ABC-Z
Der 38 Jahre alte Mann, der am Donnerstagvormittag in der Frankfurter S-Bahn-Station Hauptwache eine Frau auf die Gleise gestoßen hat, ist in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden. Das Amtsgericht erließ einen Unterbringungsbefehl, den die Staatsanwaltschaft nach Angaben ihres Sprechers wegen des Verdachts des versuchten Mordes beantragt hatte. Der Mann habe vermutlich aus einer psychischen Beeinträchtigung heraus gehandelt. Einen anderen Hinweis auf ein Motiv gebe es bisher nicht. Der mutmaßliche Täter, ein Iraner, und die 37 Jahre alte Frau hätten einander nicht gekannt.
Die Frau wurde bei dem Sturz auf die Gleise leicht verletzt. Sie sei ein Zufallsopfer gewesen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Lokführer einer einfahrenden S-Bahn hat nicht nur schnell reagiert und den Zug mit einer Notbremsung rechtzeitig zum Stehen gebracht. Er hielt den Mann auch fest, bis die Stadtpolizei eintraf und ihn zu Boden bringen und fesseln konnte, wie die Stadt Frankfurt mitteilte.
Es kommt immer wieder vor, dass Menschen vom Bahnsteig auf die tiefer liegenden Gleise stürzen. Und gar nicht selten ist Absicht im Spiel: 2022 stieß ein 24 Jahre alter Mann einen Fünfundfünfzigjährigen in der S-Bahn-Station Frankfurt-Rödelheim bei einem Streit vor eine einfahrende S-Bahn. Das Opfer überlebte schwer verletzt, der Zug konnte ebenfalls rechtzeitig bremsen. Zu acht Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung wurde ein Mann verurteilt, der 2020 einen Rollstuhlfahrer auf die U-Bahn-Gleise an der Fritz-Tarnow-Straße geschoben hatte.
Paris und London haben Glaswände
Aber auch Unfälle können fatale Folgen haben. Die Frankfurter S-Bahn-Station Ostendstraße trägt den Zusatz „Alptug-Sözen-Station“, benannt nach dem 17 Jahre alten Hanauer, der dort 2018 einen auf die Gleise gefallenen Obdachlosen rettete. Dabei wurde der Jugendliche von einer S-Bahn erfasst und starb an seinen Verletzungen.
Sicher zu verhindern sind solche Vorfälle nur mit sogenannten Bahnsteigtüren. Hierfür werden die Gleise durch Glaswände oder andere Sperren vom Bahnsteig abgetrennt. Nur an den Stellen, wo sich die Türen eines eingefahrenen Zuges befinden, öffnet sich die Bahnsteigabsperrung für das Ein- und Aussteigen. In der Londoner U-Bahn reichen die Glaswände bis zur Decke, in der Pariser Metro sind sie etwa mannshoch. In beiden Metropolen sind aber nur einige Linien damit ausgestattet.
In Deutschland plante München den Testbetrieb von Bahnsteigtüren an der U-Bahn-Station Olympiazentrum, sagte ihn jedoch vor gut zwei Jahren aus Kostengründen wieder ab. Die Technik ist vor allem bei automatisierten Bahnen im Einsatz, auf denen einheitliche Fahrzeuge verkehren und nicht verschiedene Baureihen wie im S- und U-Bahn-Verkehr. Ein Beispiel dafür ist die Skyline-Bahn am Frankfurter Flughafen, die auf Stelzen die Terminals 1 und 2 verbindet.
Die Deutsche Bahn sieht nach Angaben einer Sprecherin außer den enormen Kosten auch technische und bauliche Hürden für Bahnsteigtüren wie den Brandschutz und die verbleibende Tiefe der Bahnsteige. Man teste aber eine Vielzahl von Sicherheitsvorkehrungen. So habe die Bahn mehr als 200 Millionen Euro in Videotechnik investiert, 11.000 Kameras gebe es inzwischen an 750 deutschen Bahnhöfen. 4500 Sicherheitskräfte unterstützten die Arbeit der 6000 Bundespolizisten in Zügen und Bahnhöfen.
Notsignalschalter in U-Bahn-Stationen
Der Bahnhof Berlin-Südkreuz ist ein „Sicherheitslabor“ der Bahn, wo unter anderem eine „leuchtende Bahnsteigkante“ getestet wurde, die Fahrgästen den Weg zum Einstieg weist und vor einfahrenden Zügen warnt. Derzeit laufe die Auswertung des Versuchs, sagte die Sprecherin. Mit der App „SafeNow“ könne man unauffällig um Hilfe bitten, ohne telefonieren zu müssen. Sie sei seit einem Jahr im Hamburger Hauptbahnhof im Einsatz.
In den 27 unterirdischen U-Bahn-Stationen der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) gibt es für Fahrgäste und Passanten die Möglichkeit, die Ausfahrten aller Züge zu sperren und die Fahrer herannahender U-Bahnen mit einem Signal zu warnen, das zur Gefahrenbremsung verpflichtet. Dazu sind an jedem Bahnsteig mindestens drei Notsignalschalter installiert. Sie müssten umgehend gezogen werden, wenn jemand ins Gleisbett stürze, so eine VGF-Sprecherin. Inzwischen gelte das Nothaltsignal an allen Stationen auch für Züge auf dem Gegengleis.
Solche Nothaltgriffe gibt es an S-Bahn-Steigen nicht, was auch mit den unterschiedlichen Voraussetzungen zu tun hat. Eine 30 Tonnen schwere U-Bahn kommt nach Angaben der VGF bei einer Gefahrenbremsung aus 50 Stundenkilometern nach 30 Metern zum Stehen. Ein mit Tempo 60 fahrender, sieben Mal so schwerer S-Bahn-Zug steht nach Auskunft der Bahn bei einer Schnellbremsung erst nach 100 bis 150 Metern.