Lohnpolitik: 15 Euro Mindestlohn sind gut für Deutschland | ABC-Z

Vor zehn Jahren wurde in Deutschland erstmals ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt – und er hat
sich als großer Erfolg erwiesen. Auch deshalb hat die SPD in den
Koalitionsverhandlungen gefordert, ihn ab kommendem Jahr auf 15 Euro zu erhöhen.
Warum aber war der Mindestlohn so erfolgreich? Und welche Lehren hält er vor allem
für die Lohnpolitik der Gewerkschaften heute bereit? Die wichtigste Erkenntnis lautet: Der
Mindestlohn war erfolgreich, weil er eine Transformation im Arbeitsmarkt
angestoßen sowie die Produktivität und Effizienz verbessert hat. Die Gewerkschaften
sollten daraus die Lehre ziehen, mit ihrer Tarifpolitik nicht den Status quo zu
zementieren, sondern die notwendige Transformation der Wirtschaft zu
beschleunigen.
Als der Mindestlohn am 1. Januar 2015 bei 8,50 Euro brutto pro Stunde eingeführt wurde, gab es viele skeptische Stimmen, vor allem aus
der Wirtschaftswissenschaft. Manche befürchteten einen Anstieg der
Arbeitslosigkeit um bis zu einer Million. Diese Prognose hat sich als falsch
erwiesen, die Arbeitslosigkeit ist in den folgenden Jahren stetig gesunken und
die Beschäftigung gestiegen.
Lohnniveau insgesamt angehoben
Auch viele weitere Aspekte beweisen den Erfolg
des Mindestlohns. Die gesamte Lohnkurve im Niedriglohnbereich hat sich nach
oben verschoben, sodass nicht nur die damals knapp vier Millionen direkt
betroffenen Beschäftigten profitierten, sondern auch viele mit höheren Löhnen.
Die Einführung des Mindestlohns war der wichtigste Grund dafür, dass der
Niedriglohnbereich geschrumpft ist und die Armutsquote in Deutschland in den
vergangenen zehn Jahren abgenommen hat.
Dieser gesamtwirtschaftliche Erfolg war so umfassend, dass der Mindestlohn
sukzessive auf heute 12,82 Euro erhöht wurde.
Auch ist – anders als von manchen immer wieder
behauptet – der Lohnabstand zwischen Bürgergeld und Mindestlohn in den vergangenen zehn Jahren nicht geschrumpft, sondern größer geworden. Die finanziellen
Arbeitsanreize haben sich also erhöht und nicht reduziert. Durch die Verringerung
der Armut und Bedürftigkeit hat der Mindestlohn auch zu einer Entlastung der
Sozialsysteme beigetragen, obwohl es heute noch immer knapp 800.000 Menschen gibt,
die mit ihrer Arbeit so wenig verdienen, dass sie zusätzliche Leistungen
benötigen. Für diese Aufstocker liegt der Grund für die Armut jedoch meist
primär an der geringeren Arbeitszeit. Häufig müssen sie unfreiwillig Teilzeit
arbeiten, weil beispielsweise Kita- oder Ganztagsplätze in der Schule fehlen
oder die Pflege für die Angehörigen nicht gesichert ist.
Bessere Arbeit durch Mindestlohn
Eine wichtige Studie von Christian Dustmann und seinen Co-Autoren
zeigt den entscheidenden Mechanismus, wie der Mindestlohn gewirkt hat: Er hat
nicht, oder nur geringfügig, dazu geführt, dass die Erträge von Unternehmen zu
den Arbeitnehmern umverteilt wurden oder die Produktivität innerhalb der
Unternehmen durch den Lohndruck zugenommen hat. Stattdessen hat der Mindestlohn
zu einer Verlagerung der Beschäftigung über Unternehmen und Branchen hinweg
geführt. Es gab und gibt viele, vor allem kleinere Unternehmen, die schlichtweg
den Mindestlohn nicht zahlen konnten. Beschäftigte sind dann zu Unternehmen gewechselt,
die ökonomisch gesehen effizienter und produktiver waren. Der Mindestlohn hat
somit zwar zu Arbeitsplatzverlusten, insbesondere im Minijobbereich geführt. Nur
konnten diese Beschäftigten neue und besser bezahlte Arbeit in anderen
Unternehmen und Branchen finden.
Daher war die Einführung und Erhöhung des
Mindestlohns ein Gewinn, nicht nur für die Beschäftigten selbst, sondern auch
für die Unternehmen und für den Staat. Und daher dürfte auch eine Erhöhung des
Mindestlohns auf 15 Euro im kommenden Jahr der Wirtschaft als Ganzes nicht
schaden, sondern nutzen: Er hilft vielen Menschen finanziell, erhöht Wachstum
und Produktivität und entlastet den Sozialstaat.