Lohnlücke im Sozialbereich: Gleiche Arbeit, weniger Geld | ABC-Z
Der Senat spielt im Streit um die Hauptstadtzulage auf Zeit. Das zeigt die Antwort auf eine Anfrage der Linken. Die freien Träger sind empört.
BERLIN taz | Die Einführung der Hauptstadtzulage für die Beschäftigten freier Träger wäre schon jetzt möglich. Das legt eine bisher unveröffentlichte Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken nahe. „Der Senat könnte jederzeit die Hauptstadtzulage mit den freien Trägern vereinbaren“, fasst Anfragensteller Damiano Valgolio (Linke) den Inhalt der Antwort zusammen.
Derzeit zahlt das Land Berlin seinen Beschäftigten einen monatlichen Bonus von 150 Euro. Beschäftigte freier Träger erhalten diesen Bonus nicht, auch wenn sie die gleiche Tätigkeit ausführen. Dieser Ungleichbehandlung wollte der Senat eigentlich ein Ende bereiten, machte jedoch im Februar überraschend ein Rückzieher. Seitdem laufen die Wohlfahrtsverbände Sturm, bislang mit wenig Erfolg.
Die offizielle Begründung des Finanzsenators Stefan Evers (CDU) lautete bislang, man müsse erst die Finalisierung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) abwarten. Im Dezember gelangten die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft der Länder zwar zu einer Einigung, diese muss allerdings in sogenannten redaktionellen Verhandlungen ausgearbeitet und vertraglich festgehalten werden.
Die Bezahlung der Beschäftigten der freien Träger richtet sich nach dem TV-L. Doch diese Regelung umfasste bislang keine außertariflichen Zahlungen wie die Hauptstadtzulage. Den monatlichen Bonus hatte der Vor-Vorgänger-Senat eingeführt, um die steigenden Mietpreise in der Hauptstadt zu kompensieren. Da die Zulage außertariflich war, führte das zum Konflikt mit der Tarifgemeinschaft der Länder.
Unnötige Zeitschinderei
Nun soll die Hauptstadtzulage im neuen TV-L festgehalten werden – allerdings in einer Form, die keine automatische Übernahme für die Beschäftigten der freien Träger bedeuten würde, wie im Februar bekannt wurde.
Dabei könnte der Senat die Hauptstadtzulage auch unabhängig vom TV-L zahlen. „Grundsätzlich gilt der neue Tarifabschluss zum TV-L nur für den öffentlichen Dienst der Länder und hat somit keine direkte Auswirkung auf die freien Träger“, heißt es in der Antwort auf Valgolios Anfrage. Die Refinanzierung der Wohlfahrtsverbände werde in gesonderten Rahmenverträgen geregelt.
„Das ist Zeitschinderei mit der Hoffnung, das Thema runterzukochen“, kritisiert Martin Galle, Sprecher der Arbeiterwohlfahrt Berlin. Doch die Empörung bei den freien Trägern sei weiterhin hoch. Gerade der Sozialbereich habe unter dem Fachkräftemangel zu leiden. Das Gezerre um die Hauptstadtzulage sorge bei vielen Beschäftigten für Frustration, dabei gehe es nicht nur um Geld, sondern auch um mangelnde Wertschätzung. „Viele Menschen verlassen das Gebiet der sozialen Arbeit“, sagt Galle, „wir benötigen die Hauptstadtzulage so schnell wie möglich.“
Gegen den Rückzieher der Senatsverwaltung demonstrierten die Wohlfahrtsverbände und deren Beschäftigte bereits im März und April. Viele Kitas boten an den Tagen nur Notbetreuung an. Doch reagiert hat der Senat bislang nicht. „Es wird definitiv noch weitere Aktionen geben“, kündigt Galle an.
Der eigentliche Grund für die Hinhaltetaktik des Senats liegt auf der Hand, wird allerdings nicht ausgesprochen: die angespannte Haushaltslage, die weiterhin Einsparungen von 2 Prozent in diesem Jahr vorsieht. Die freien Träger stemmen in Berlin einen Großteil der sozialen Infrastruktur, allein im Kitabereich werden 80 Prozent der Einrichtungen von den Wohlfahrtsverbänden betrieben. Die Ausweitung der Hauptstadtzulage wäre ein nicht unwesentlicher Kostenpunkt.
„Die Frage ist, wer die Kürzungen bezahlen muss“, so Valgolio. Doch anstatt sich der Diskussion bei der Hauptstadtzulage zu stellen, schiebt der Senat vermeintliche Sachzwänge vor. „Der Senat versteckt sich hinter der Tarifgemeinschaft der Länder“, sagt der Linkenabgeordnete.