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Champions-League-Finale: Paris ist jetzt das Zentrum des europäischen Fußballs | ABC-Z

Die feinste all ihrer Feinkosten servierte die Fußballmannschaft aus Paris beim Tor zum 3:0. Ousmane Dembélé legte zwei Gegner rein und den Ball, auch zur Überraschung der jauchzenden Zuschauer, mit der Hacke in den Lauf von Vitinha, der den Ball aufgriff und steil auf Désiré Doué passte. Der schoss ins Netz, rannte zur Eckfahne, zog sich sein Trikot aus und ließ sich von der wilden Meute im PSG-Block feiern. 

Doué ist 19 Jahre. Vor Kurzem kannten ihn nur Insider. Nach diesem Spiel ist er in aller Munde als das nächste französische Fußballsupertalent. Zwei Tore sowie eine Vorlage gelangen ihm, bevor er nach 66 Minuten ausgewechselt wurde. Da war das Spiel längst entschieden. 

Erstmals gewann PSG die Champions League, und dann gleich 5:0. Der Sieg über Inter Mailand war das einseitigste Finale der Geschichte dieses Wettbewerbs. Der Club hat nach langer Suche den Weg zum Erfolg gefunden. Es war ein Triumph des Talents und des schönen Spiels. 

München erlebte ein historisches Endspiel. Nie zuvor gewann eine Mannschaft ein Endspiel so hoch, auch im Europapokal der Landesmeister nicht, dem Vorläufer, der ab 1955 ausgetragen wurde. Historisch war es auch, weil es einen neuen Sieger gibt, was inzwischen nur etwa alle zehn Jahre vorkommt. 

Seit Samstag ist Paris das Zentrum des europäischen Vereinsfußballs

Er kommt aus Frankreich, Land des zweifachen Weltmeisters. Doch im Vereinsfußball hat die Grande Nation selten etwas gerissen. 1993 gewann Olympique Marseille die erste Ausgabe der Champions League. Der Club aus der Hauptstadt hingegen holte mal 1996 einen kleineren Europapokal, den es heute nicht mehr gibt. Als PSG gegründet wurde, 1970, hatte Inter Mailand bereits zwei Europapokale in der Vitrine. 

Paris ist die Stadt der Mode, der Liebe und der Sterneküche. Seit Samstag ist Paris das Zentrum des europäischen Vereinsfußballs und könnte es auf Dauer bleiben. Seit vierzehn Jahren investiert Katar Milliardensummen in den Verein. Mit Weltstars klappte es nicht. Mit dem neuen Modell, einem Mix aus Talent und Teamplay, ging es auf. 

Mit dem Anstoß gab die Elf aus Paris den Ball erst mal weg, die Initiative aber nie aus der Hand. Der ungewöhnliche Trick war das Signal zu neunzig Minuten totaler Überlegenheit. Der erste Eindruck täuschte nicht, PSG drängte Inter nach hinten. 

Vieles ging zu schnell für die Mailänder Abwehr, so auch die Situation beim 1:0. Vitinha schickte Doué in den Strafraum, der viel Zeit hatte, auf Achraf Hakimi querzulegen. Der ehemalige Mailänder (und Dortmunder) schob ein. 

Beim 2:0 trieb Dembélé den Ball nach vorne, flankte auf Doué, dessen Schuss leicht abgefälscht wurde. Auffällig da bereits der große Abstand, den Inters Abwehrspieler hielten. Sie hatten zu dieser Zeit begriffen, dass sie im Eins-gegen-Eins nichts ausrichten konnten, und wahrten daher Distanz. 

Es kann sein, dass da eine große Mannschaft gesiegt hat

Es war nicht so, dass die Elf von Inter schon aufgesteckt hätte. Es folgte eine Phase, in der sie nicht ganz so unterlegen war. Bei zwei Ecken wurde sie gefährlich. Doch gefährlicher, weil schneller, leichterfüßig und technisch voraus, war jederzeit PSG. 

Hätten die Pariser etwas besser geschossen, hätten sie noch höher gewonnen. Das 3:0 war, als es fiel, überfällig. Das 4:0 gelang Chwitscha Kwarazchelia bei seiner fünften Chance. Etwa genauso stark bejubelt wurde kurz darauf seine Abwehraktion gegen Denzel Dumfries, den er viele Meter in die eigene Hälfte verfolgte. 

Das 5:0 erzielte Senny Mayulu, ein weiterer 19-Jähriger. Der Treffer machte das Ergebnis zur Klatsche. Bei einem 4:0 kann man noch darüber diskutieren, beim 5:0 verläuft im Fußball die Grenze. Zur Klatsche. Dass kein Gegner auf dem Platz vorhanden war, konnte man darin ablesen, dass der Schiedsrichter nicht eine Sekunde nachspielen ließ, was Inter mit Erleichterung zur Kenntnis nahm. 

Es kann sein, dass da eine große Mannschaft gesiegt hat. Für einige Spieler von PSG dürfte dieser Titel zum Karrieresprung werden. Doué wurde zum Man of the Match gewählt. Der Mittelfeldlenker Vitinha erschien einem so ballsicher wie Andrés Iniesta. 

Dembélé gab sich mit der Rolle des Vorbereiters zufrieden. Luis Enrique schlug ihn nach dem Spiel als Kandidaten für den Ballon d’Or vor, “dafür, wie er heute verteidigt hat”, wie der spanische Trainer sagte. Vom Georgier Kwarazchelia sah man mehr Läufe nach hinten als von Neymar in fünf Jahren.

Inter präsentierte Fußball aus vergangener Zeit

Man würde ein paar Flaschen Champagner ausgeben für die wahren Gedanken von Kylian Mbappé, Neymar, mit denen PSG immer scheiterte. Oder Lionel Messi, der, als er Paris vor zwei Jahren verließ, sagte, der Verein werde nie die Champions League gewinnen. Daran erinnerte Vitinha nach dem Abpfiff. Wie so oft gibt es Verlierer auch unter solchen, die nicht mitgespielt haben. 

Der größte stand natürlich auf dem Feld. Inter präsentierte ein Modell Fußball aus lang vergangener Zeit. Die Mannschaft war zu alt und langsam, um ein würdiger Finalist zu sein. Den agilsten Eindruck hinterließ Simone Inzaghi, vielleicht auch nur seine Krawatte, die ein Eigenleben entwickelte. Nicht ein einziger Spieler erwies sich als der Sache gewachsen. Bezeichnend, dass der aktuell beste Fußballer Italiens im Tor steht, Gianluigi Donnarumma. Allerdings in dem von Paris. 

Die einzige Angriffsidee: Yann Sommer haut den Ball nach vorne auf die Stürmer. In der zweiten Halbzeit stellte die PSG-Abwehr die zwei bei dieser Gelegenheit ein paarmal ins Abseits. Ein Zeichen der Unterforderung. Wie konnten Bayern und Barcelona gegen dieses Inter ausscheiden? Die beiden waren auch unter den Verlierern, die nicht mitgespielt haben.

Inter wäre wohl besser ehrenhaft im Halbfinale rausgeflogen

Für die Italiener, die so stolz aufs Verteidigen sind, müssen sich fünf Gegentore wie eine Blamage anfühlen. Beim Stand von 0:4 wurde ein Fan auf der Stadionleinwand eingeblendet, ein Mann Mitte 30, dem die Tränen die Wangen runterkullerten. Inter wäre wohl besser ehrenhaft im Halbfinale rausgeflogen. Und die Serie A bleibt ein weiteres Jahr sieglos. Zehn Minuten vor dem Abpfiff waren viele Ränge leer. 

Bald nach dem Abpfiff waren auch auf der anderen Seite viele Ränge leer. Weil PSG-Fans den Platz stürmten. In den Blöcken ist PSG alles andere als ein Retortenprojekt. Die sehr lebendigen Fans sangen schon lange vor dem Anstoß. Paris hat eine starke Ultraszene mit großem Liedrepertoire sowie keine kleine Fraktion Oberkörperfrei. Endlich mal was los in der Allianz Arena! 

Die Szene hat ein politisches Bewusstsein, wie das Banner “Stop Genocide in Gaza!” beweist. Und eine empathische Ader. Für Xana, die verstorbene Tochter Luis Enriques, hatte sie ein Banner vorbereitet. Das war rührend. Der Trainer ließ sich schon bei jedem Tor richtig gehen. Noch mehr tat er das nach dem Sieg. Da zog er, um ein Xana-Shirt anzuziehen, das ihm die Anhänger reichten, blank. 

Auch Nasser Al-Khelaifi, der Pariser Präsident, ging aus sich heraus. Nach Toren ballte er die Faust, bei der Siegerehrung nahm er den Pokal vor einigen seiner Spieler in die Hand. Vierzehn Jahre musste er auf diesen Moment warten. Viel Zeit, um Kohle zu verpulvern. 

Nun wird das Geld aus Doha sinnvoller und erfolgreicher eingesetzt. Für einen spanischen Trainer mit Handschrift und für Individualisten, die zusammenspielen und viel Spielfreude ausstrahlen. Ihr Fußball war so gut und edel, die Elf von PSG könnte an diesem Abend sogar Fans gewonnen haben.

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