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Lilium und Volocopter: Schicksalsjahr für Deutschlands Flugtaxi-Hoffnungen | ABC-Z

Sowohl Lilium als auch Volocopter mussten Insolvenz anmelden. Jetzt hoffen die deutschen Flugtaxi-Hoffnungen auf den erfolgreichen Neustart. Noch gibt es allerdings einige Hürden zu überwinden. Gerade bei Lilium ist fraglich, ob das neu angekündigte Geld überhaupt ausreicht.

Für viele Deutsche klingt das Wort Flugtaxi noch immer nach Science Fiction: elektrische Helikopter, die am besten ohne Piloten Menschen und Lasten durch staugeplagte Großstädte befördern oder sie wie Regionalflugzeuge von Ort zu Ort fliegen. Den beiden bekanntesten deutschen Firmen – und daran zeigt sich das Dilemma des Standorts – ging gerade das Geld aus.

Während Chinas führender Flugtaxi-Anbieter EHang fürs vergangene Jahr gerade einen Umsatzanstieg um fast 300 Prozent auf knapp 60 Millionen Euro meldete. Und der US-Rivale Archer jüngst weitere 430 Millionen Dollar an Kapital einsammelte und sich mit dem US-Rüstungskonzern Anduril verbündete, um ein Hybridmodell für den Militärmarkt zu entwickeln.

Nie zuvor gab es so viele Kehrtwendungen, so viel Licht und Schatten im Zukunftsmarkt der Flugtaxis. Ohnehin umschreibt der Begriff nur einen Teil der Branche senkrecht startender und landender Elektrofluggeräte. Der deutsche Hersteller Volocopter versteht darunter ein Angebot für Großstädte. Lilium wiederum sieht darin einen E-Regionalflieger mit 30 Motoren. Beide wollen das Thema umweltfreundliches elektrisches Fliegen voranbringen. Beide mussten Insolvenz anmelden und hoffen jetzt auf einen erfolgreichen Neustart. Noch ist aber nicht alles in trockenen Tüchern.

In den USA und China hingegen wächst das Interesse an eVTOL-Projekten, wie die E-Senkrechtstarter von Experten bezeichnet werden – während in Deutschland Zweifel und Skepsis vorherrschen. Selbst Milliardäre investieren lieber nicht in die neue umweltfreundliche Flugtechnik. Die beiden deutschen Firmen hatten zuletzt leere Kassen. Staatliche Bürgschaften fanden sich nicht – die Projekte sind der öffentlichen Hand einfach zu risikobehaftet.

Für Lilium fand sich zwar im letzten Moment mit der Münchner MUC Mobile Uplift Corporation GmbH ein Investor, der den Neustart wagt und die Vermögenswerte aus den insolventen Gesellschaften aufkauft. Von einem Weihnachtswunder wurde gesprochen, weil den Beschäftigten bereits gekündigt und der Betrieb eingestellt worden war. Allerdings gebe es auch nach Bekanntgabe des Retters keinen Grund für Euphorie, heißt es bei Unternehmenskennern. Der Weg zum Erfolg sei lang.

Der Rettungsplan für Lilium sieht vor, dass mindestens 200 Millionen Euro in das Kapital der neuen Gesellschaft fließen. Was für den Kauf der Vermögenswerte bezahlt wird, ist unklar. Langsam sickern Details zu den Investoren aus Europa und den USA durch. Neben neuen Geldgebern würden sich auch Altaktionäre oder Gläubiger beteiligen, wie der Batterielieferant Customcells.

Der frühere chinesische Kapitalgeber und Tech-Riese Tencent gibt nach Angaben aus Branchenkreisen wohl kein Geld mehr. Angeblich will hingegen die US-Risikokapitalgesellschaft Fifth Wall einsteigen. Die investiert zwar vornehmlich Immobilien, steckt Kapital aber auch in klimafreundliche Technologien.

Einer der ersten Lilium-Investoren, der Technologieunternehmer Frank Thelen, hält sich bedeckt, ob er erneut in den Elektroflieger investiert. „Zum Stand bei Lilium kann ich aktuell nichts sagen“ teilte er WELT AM SONNTAG mit. „Es bleibt für mich das weltweit beste Konzept und ich werde mit meinen Möglichkeiten unterstützen“, so Thelen. „Es wäre für Deutschland ein großer Verlust, auch diese neue Industrie zu verpassen.“

Wenig Selbstkritik bei Lilium

Tatsächlich sind für den Lilium-Neustart noch Hürden zu nehmen. Der Gläubigerausschuss, der gerade erst für die deutschen Gesellschaften gegründet wurde, muss zustimmen. Zudem muss das Geld für das Übernahmevehikel und den Aufkauf der Vermögenswerte überwiesen werden. So lange ruht wohl auch das Geschäft. Womöglich beantragt Lilium mit der neuen Investorengruppe erneut eine Bürgschaft aus Bayern, die nach der Insolvenz möglich wäre.

Lilium-Chef Klaus Röwe dürfte als CEO an Bord bleiben. Die angekündigten „mindestens 200 Millionen Euro“ frisches Kapital würden für einen neuen längerfristigen Geschäftsbetrieb allerdings nicht reichen, sagen Experten. Der für das erste Quartal 2025 in Aussicht gestellte bemannte Erstflug dürfte sich erneut verschieben. Nunmehr soll im ersten Quartal alles zum Neustart Notwendige unter Dach und Fach gebracht werden. „Dieser formale Vorgang wird noch etwas Zeit in Anspruch nehmen“, heißt es in einer Mitteilung. Doch jede Verzögerung bis zur Marktzulassung kostet Geld.

Selbstkritik ist allerdings keine ausgeprägte Eigenschaft im Lilium-Management. Dort wird der Politik fürs eigene Scheitern eine erhebliche Mitschuld gegeben, weil eine Bürgschaft in Höhe von 50 bis 100 Millionen Euro nicht genehmigt wurde. Experten ist diese Sicht zu simpel, sie schiebe die Schuld einseitig anderen zu. Das Unternehmen habe zwar 1,5 Milliarden Euro von Investoren eingesammelt, aber eben immer noch kein bemanntes Modell im Flug präsentiert, lautet ein zentraler Vorwurf.

Es sei eine Geschichte mit unrealistischen Zusagen, in einem Markt, der nicht voll etabliert ist, schreibt der Gründer des britischen Rüstungsunternehmens Artemis, Carl Cagliarini, auf der Plattform LinkedIn. Lilium müsse selbstkritischer sein. Er spricht von einem technischen und finanziellen Missmanagement. Wahrscheinlich würden mindestens 800 Millionen Euro für den Geschäftsbetrieb in den nächsten zwei Jahren benötigt.

Sicher ist, dass Lilium beim erwarteten Neustart kleiner sein wird. Statt 1000 Mitarbeitern werden nur noch 775 an Bord sein. Die Personalkosten sinken. Dass Lilium bisher üppig Geld ausgegeben hat, schimmert durch die Insolvenzmitteilung des Flugtaxi-Entwicklers Volocopter durch. Die Firma aus Bruchsal ist zwar kein direkter Konkurrent, weil Volocopter ein anderes Geschäftsmodell verfolgt. Doch Volocopter spricht davon, eine der niedrigsten „Burn-Rates der Branche“ zu haben. Also vergleichsweise kostengünstig zu wirtschaften.

Der vorläufige Volocopter-Insolvenzverwalter äußert sich zuversichtlich, bis Ende Februar ein Sanierungskonzept zu entwickeln und mit Investoren umzusetzen. Volocopter strebt noch in diesem Jahr die Marktzulassung an. Bei Lilium war zuletzt von 2026 die Rede.

Vor ein paar Jahren gehörten die beiden Hightech-Unternehmen Lilium und Volocopter noch zu den deutschen Hoffnungswerten. Inzwischen ist die Frage, ob sie überhaupt überleben. 2025 wird zu ihrem Schicksalsjahr. Die Pleiten der beiden Firmen zeigen allerdings auch, wie schwer es für derartige Tech-Investitionen in Deutschland ist, die erforderliche Finanzierung aufzutreiben – nicht nur beim Staat, sondern auch bei privaten Geldgebern.

Gerhard Hegmann schreibt für WELT über Rüstung, Luft- und Raumfahrt und Militär.

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