Lieferblockade ab Januar?: China will Westen vom Nachschub im Drohnenkrieg abschneiden | ABC-Z
Schon lange versuchen EU und USA mit Sanktionen gegen chinesische Firmen, Russlands Zugang zu westlichen Mikrochips zu kappen. Nun übt Peking Vergeltung und beschränkt den Export kriegswichtiger Drohnentechnik in den Westen – und schlägt sich im Ukraine-Krieg damit erstmals offen auf Moskaus Seite.
Der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China beeinträchtigt erstmals direkt den Ukraine-Krieg: Laut mehreren Quellen der US-Finanzagentur Bloomberg haben chinesische Hersteller von Drohnenkomponenten damit begonnen, ihre Verkäufe in die USA und nach Europa herunterzufahren. Bei Motoren, Batterien und Steuerungsmodulen gäbe es entweder Mengenbeschränkungen oder die Lieferungen seien gänzlich gestoppt worden.
Demnach ist der Schritt nur der Auftakt zu einer breiteren Lieferblockade der kritischen Elektronikteile aus China, die die Ukraine dringend für ihre Verteidigung braucht und mit der westliche Offizielle für das kommende Jahr rechnen. Wie hart die Exportschranken werden, ist bisher nicht klar. Denkbar sind sowohl strikte Lizenzen für die Ausfuhr als auch laschere Regularien, wie etwa die Voranmeldung geplanter Lieferungen ins Ausland. Sie könnten womöglich schon im Januar in Kraft treten, berichtet Bloomberg.
Auf den ersten Blick scheinen die Exportkontrollen nur eine weitere Vergeltung im Quidproquo zwischen Washington und Peking zu sein: Bevor China die Lieferung von Drohnenkomponenten drosselte, hatten die USA zuvor erneut den Export von Hochleistungschips in die Volksrepublik beschränkt. Doch auf den zweiten Blick sieht es so aus, als ob Peking hier das höhere Ziel verfolgt, erstmals mit den westlichen Sanktionen im Ukraine-Krieg gleichzuziehen. Denn um Russland vom Nachschub mit Mikrochips abzuschneiden, die der Kreml für seine Raketen und Marschflugkörper braucht, haben die USA und die EU längst auch chinesische Firmen ins Visier genommen, die als Handelsdrehscheibe für Moskaus Kriegsmaschine fungieren.
Im Gegenzug versucht nun China offenbar, den Westen vom Nachschub kritischer Komponenten für den Drohnenkrieg in der Ukraine abzuschneiden. Schlimmstenfalls droht ein faktisches Drohnen-Embargo. Nach dem Exportstopp für unverzichtbare, seltene Mineralien in die USA wäre das eine weitere, strategische Eskalation aus Peking und ein deutlicher Schritt hin zu einer Konfrontation mit dem Westen und zur offenen Unterstützung Moskaus im Ukraine-Krieg.
Neutraler Waffenlieferant für Moskaus Kriegsmaschine
Denn offiziell bezeichnet sich China stets als neutrale Partei. Daran gibt es längst erhebliche Zweifel. Die NATO hat das Reich der Mitte schon im Juli offiziell zum Kriegshelfer des Kremls erklärt. Schon seit Sommer gibt es Berichte, dass China mittlerweile in geheimen Fabriken nicht nur Teile, sondern vollständige Kampfdrohnen für Russlands Terror-Attacken auf Kiew produziert. Außenministerin Annalena Baerbock hat Anfang Dezember ihren chinesischen Amtskollegen gewarnt, dies wäre “eine neue Dimension”.
Der weltgrößte chinesische Drohnenhersteller DJI, den das Pentagon inzwischen auf eine schwarze Liste von Firmen gesetzt hat, die insgeheim mit der Volksbefreiungsarmee zusammenarbeiten sollen, hatte schon kurz nach Moskaus Überfall alle Lieferungen nach Russland und in die Ukraine gestoppt. Und offiziell liefert China schon seit Herbst 2023 auch keine Drohnenkomponenten mehr dorthin. Aber dass die Volksrepublik nun den Nachschub der kriegswichtigen Teile nach Europa und in die USA abzuklemmen versucht, zeigt, dass China bereit ist, sich künftig noch viel offener auf Russlands Seite zu stellen.
Garagenbastler für Kiews Sieg
Vor allem das ukrainische Militär hat nun womöglich bald ein großes Problem. Denn die günstige Massenproduktion von Drohnen ist für den Überlebenskampf des Landes essenziell. Allein für dieses Jahr hat Präsident Wolodymyr Selenskyj das Ziel ausgegeben, eine Million Drohnen herzustellen. Zwar hat die Ukraine kriegsbedingt ihre Fertigungskapazitäten beeindruckend schnell ausgebaut: Laut “Foreign Policy” gibt es inzwischen über 200 offiziell registrierte Drohnenhersteller. Zählt man auch die Freiwilligenkollektive und Garagenbastler hinzu, die in ihrer Freizeit an Kiews Sieg werkeln, sind es sogar mehr als 500.
Bislang schafft es die Ukraine so, jeden Monat Hunderttausende fliegende Bomben für Kiews Truppen herzustellen. Laut dem ukrainischen Digitalminister Mychajlo Fedorow könnten es sogar noch viel mehr sein, die Ukraine ist inzwischen autark bei der Drohnen-Montage. Allerdings müssten die Komponenten immer international beschafft werden, räumte er gegenüber dem “Guardian” ein. “Nachts fliegen wir Bombeneinsätze und am Tag machen wir uns Gedanken, wie wir an neue Drohnen kommen”, zitiert die “New York Times” einen für den Nachschub zuständigen ukrainischen Offizier.
Dieses Spiel dürfte künftig noch um einiges schwieriger werden: China hat laut Industrieverbänden bei kommerziellen Drohnen einen Anteil von mehr als 90 Prozent am Weltmarkt. Denn kein anderes Land hat sich mit massiven staatlichen Subventionen so sehr auf die industrielle Herstellung von Mikroelektronik spezialisiert wie die Volksrepublik. Dadurch gibt es im Reich der Mitte ein einzigartig dichtes Netz von Fabriken und Zulieferern.
Die Drohnen-Werkbank China kann so schnell nichts ersetzen
Andere Länder wie Indien holen zwar auf: Um seine massive Abhängigkeit von China zurückzufahren, lässt zum Beispiel Apple künftig fast ein Viertel seiner iPhones auf dem Subkontinent herstellen. Aber die Umorientierung dauert mehrere Jahre.
Das kommende Embargo stellt daher auch die Drohneninitiative der Ukraine-Unterstützerländer vor große Probleme: Eigentlich wollen Großbritannien, Lettland, Deutschland und andere Waffenlieferanten Kiews das Land über einen gemeinsamen Fonds mit fliegendem Nachschub versorgen. Aber falls China bald nicht mehr genug Teile liefern sollte, hätten sie nur wenig zu geben.
Die Hersteller in Europa arbeiten daher schon länger daran, ihre Lieferketten aus China weg zu verlagern. “Chinesische Drohnenkomponenten zu kaufen, ist im Westen nicht länger akzeptabel”, zitiert Bloomberg einen britischen Gründer mehrerer Drohnenfirmen. “Chinas Exportbeschränkungen sind nur Teil eines Prozesses, der schon im Gang war.” Mittelfristig könnte Chinas Embargo also zum Bumerang für seine eigene Industrie werden und die Drohnenproduktion in den USA, Europa, Korea oder Japan ankurbeln. Dafür bräuchte es aber wohl die politische Erkenntnis, dass Drohnen längst wie Mikrochips zu strategischen Gütern geworden sind. Und entsprechende staatliche Milliarden-Subventionen.
Zugleich hat China bei seinem Drohnen-Embargo dasselbe Problem, das die EU und die USA bei ihren Mikrochip-Sanktionen gegen Russland haben: Es lässt sich über Drittstaaten umgehen, in die weiter geliefert wird. Mittelfristig lässt sich das Problem also mit Geld lösen. Der Westen muss sich darauf einstellen, dass Drohnen teurer werden. Entweder, weil man eine heimische Industrie auf chinesischem Niveau aufbauen muss. Oder weil Europa gezwungen sein könnte, bei den nötigen Komponenten das zu tun, was Russland bei Mikrochips schon lange macht: sie über längere oder getarnte Lieferketten aus China zu beschaffen.