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Leverkusen in Dortmund: Klarer Favorit im Duell um die Nummer Zwei im Land – Sport | ABC-Z

Wenn Kommunalpolitiker zum Ausgang eines Rechtsstreits befragt werden, antworten sie in mindestens 98 von hundert Fällen mit einer Sentenz, die längst wie eine Warze in das Bewusstsein der Zuhörer gewachsen ist. Sie lautet: „Vor Gericht und auf hoher See ist der Mensch in Gottes Hand.“ Alternativ kommt eventuell aber auch die vom gleichen Sinn für Humor getragene Formulierung, diese oder jene Sache sei „nicht vergnügungssteuerpflichtig“, zum Einsatz.

Blickt man nun auf das erste Bundesligaspiel nach der Weihnachtspause, hätte Xabi Alonso bei der Lagebesprechung am Donnerstagnachmittag eine hervorragende Gelegenheit gehabt, die eine wie die andere der beiden Floskeln aufzusagen. Bayer Leverkusens Cheftrainer muss seine Mannschaft nach knapp drei Wochen Wettkampfpause auf ein Freitagabend-Spiel gegen Borussia Dortmund im berühmten westfälischen Fußballpalast vorbereiten.

Was der Rückhalt von 80 000 Zuschauern den Dortmunder Spielern bedeutet, offenbart die vorläufige Saisonbilanz des BVB: 20 Punkte gab es auf dem eigenen Rasen, fünf auf fremden Böden. Unter Flutlicht ist der Heimspielfaktor besonders zauberhaft. Xabi Alonso sieht die Aufgabe trotzdem als Vergnügen an, er gratuliert der DFL, dass sie zur Rückkehr der Liga das passende Spiel gewählt hat, um auf den globalen Fernsehmärkten zu werben: „Der Auftakt ist super“, sagte er, „ein Spiel in Dortmund ist eine große Motivation, und wir sind gut vorbereitet.“ Kein Wort darüber, dass er’s lieber etwas leichter hätte.

Zwar geht es bei der Begegnung der beiden West-Mächte nicht ums Recht haben, von einem Prozess lässt sich aber allemal sprechen, und die Partie wird möglicherweise zeigen, wie weit er sich bereits entwickelt hat. Verhandelt wird außer um drei Punkte auch um die Vorherrschaft in der Bundesliga oder präziser: um jene Vorherrschaft, die der absolutistische Machthaber FC Bayern dem nächstmächtigen Stellvertreter übrig lässt. Die Borussia hat hierzulande lange Zeit die Rolle des Vize-Regenten genießen dürfen (allerdings oft genug auch daran leiden müssen, doch das ist ein anderes Thema). Seit dem vorerst letzten Gewinn der Meisterschaft im Jahr 2012 landeten die Dortmunder in der Schlusstabelle siebenmal auf dem zweiten und zweimal auf dem dritten Platz. Bayer 04 dagegen: keinmal Zweiter, zweimal Dritter.

Doch ob der Status der Nummer zwei im Land – der dem BVB im Juni die lukrative Teilnahme an der Klub-Weltmeisterschaft verschafft – aktuell immer noch gilt, das steht spätestens seit Bayer Leverkusens Double-Coup im vorigen Sommer zur Debatte. Mancher Angehörige der Branche findet sogar, dass beim Vergleich des Status quo und der Perspektiven im Spielerkader darüber gar nicht mehr zu debattieren sei. Der BVB bewege zwar weiterhin mehr Fans und mehr Umsatz, doch in der sportlichen Hierarchie der Ligafamilie sei Bayer dank effizienten Klub-Managements längst das zweitstärkste Oberhaupt.

Leverkusen ist im Modus, den sich Xabi Alonso wünscht: reif, erwachsen, seriös und konstant erfolgreich

Indirekt hat das sogar der Oberborusse Hans-Joachim Watzke bestätigt, als er zur Jahreswende in Sportbild die Lage seines Klubs beschrieb. Den Vize-Status habe man lediglich dadurch gesichert,  „dass wir alle zwei, drei Jahre einen großen Transfer machen. Würden wir das nicht tun, hätten wir überhaupt keine Chance. Wir spielen seit zehn Jahren oberhalb jeder Grenze des Möglichen.“ Der Verkauf von Spielern wie Ousmane Dembélé, Jadon Sancho, Christian Pulisic und Jude Bellingham verschaffte dem westfälischen Börsenklub immer wieder neues Kapital.

Aber wo versteckt sich im Kader der nächste große Transfer? „Ich habe da ein paar Ideen“, bleibt Watzke vage. Mit Linksaußen Jamie Gittens, 20, hat sich zuletzt ein junger Spieler hervorgetan, aber sein Marktwert liegt fern der Dimension, in der sich der Preis für Leverkusens Spielmacher Florian Wirtz bewegt. Derzeit arbeitet Bayer daran, den Vertrag des 21-jährigen Nationalspielers zu verlängern, um noch mal doppelt von Wirtz zu profitieren: Dadurch, dass er noch ein Jahr länger in Leverkusen spielt, und dadurch, dass er bei einem absehbaren Wechsel nach der WM 2026 immer noch die volle Rendite bringt. Von 120, 130 Millionen Euro Ablöse hat Klubchef Fernando Carro schon öffentlich gesprochen.

Aktuell ist Bayer der Borussia in der Tabelle um sieben Punkte voraus. Die Borussia kämpft um die Teilnahme an der Champions League, Bayer um die Titelverteidigung, das ist der Stand der Dinge. Bis in den Herbst hinein hatten die Leverkusener im etwas zu entspannten Bewusstsein ihrer Meisterherrlichkeit serienweise Punkte an die Bedürftigen der Liga verschenkt, von Bochum bis Kiel, zuletzt fanden sie jedoch zuverlässig in den Modus, den sich der unverändert hochambitionierte Coach Alonso für das Jahr nach dem Titelgewinn wünscht: Reif, erwachsen, seriös und konstant erfolgreich sind sie im Dezember aufgetreten, der 1:0-Pokalsieg beim FC Bayern hat beispielhaft Maßstäbe gesetzt. „Dortmund direkt am ersten Spieltag nehmen wir sehr gern“, hat Nationalspieler Robert Andrich vor ein paar Tagen mit frischem Selbstbewusstsein erklärt, und dass ein einzelner Remis-Punkt „fast zu wenig“ sei. Worte, die einen vergnüglichen Abend versprechen.

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