Kultur

„Leider liebt er auch das Wasser“ | ABC-Z

Die Bänke der Schlosskirche am Marktplatz füllen sich an diesem Mittwochabend ganz allmählich. Vor dem Altar steht ein großes Holzkreuz, das mit vielen kleinen Lichtern bestückt ist. Daneben ist ein großes Bild aufgestellt. Es zeigt den Jungen Pawlos, der gerade mal sechs Jahre alt wurde. Knapp vier Wochen lang galt er in Weilburg als vermisst. Zeitweise suchten Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und ehrenamtlichen Hilfsorganisationen nach dem autistischen Jungen, der Ende März aus seiner Förderschule davongelaufen war. Am Ostersonntag konnten Einsatzkräfte nur noch seinen Leichnam aus der Lahn bergen. Wenige Tage zuvor wurde das Kind im Kreise der Familie und Bekannter beerdigt. Mit der Gedenkfeier am Mittwoch will die Stadt nun auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, von Pawlos Abschied zu nehmen.

In der alten Barockkirche herrscht andächtiges Schweigen. Durchbrochen wird es von Pfarrerin Cornelia Stock. „Heute sind wir hier, um noch einmal gemeinsam an Pawlos zu denken“, sagt sie. Die Kirche ist voll, viele Leute sind gekommen. Angehörige des Jungen, alte Menschen, junge Familien mit Kindern, Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Auch zahlreiche Einsatzkräfte, die an der intensiven Suche nach dem Jungen beteiligt waren, sitzen nun mit ihren Uniformen in den Reihen. „Dass dieses Kind gestorben ist, ist eine Katastrophe“, sagt Gemeindereferentin Britta Höhler. „Und doch haben wir wenigstens Gewissheit. Wenigstens hat das Suchen ein Ende und wir dürfen trauern.“ Neben den Rettungskräften beteiligten sich auch zahlreiche Freiwillige aus der Bevölkerung an der Suche. Viele von ihnen hätten Pawlos nicht gekannt. „Wir wussten nur, ein hilfloses Kind ist verloren gegangen“, sagt sie. Pawlos sei sportlich und schnell gewesen, ein geschickter Kletterer mit einer Vorliebe für bunte Farben. „Leider liebt er auch das Wasser, alles was so schön glitzert.“

Grundlose Anschuldigungen „bringen auch kein Kind zurück“

Eine bunte Kerze wird angezündet und vor dem Bild des Kindes aufgestellt. „Natürlich wurde auch in der Lahn gesucht“, sagt Pfarrerin Stock. Doch bei einem Fluss mit so unregelmäßigem Untergrund, stünden die Chancen schlecht, eine Person im Wasser zu finden. Das Wasser sei trüb, hinzu käme die Strömung. Der Obduktionsbericht der Rechtsmedizin ergab, dass der Junge schon kurz nach seinem Verschwinden in die Lahn geriet und ertrank. Die Stelle, an der ein Kanufahrer den Jungen fand, liegt sehr zentral in der Kleinstadt.

Es sei nicht ordentlich gesucht worden, habe es in manchem Kommentar im Internet geheißen, sagt Höhler. Es handle sich um Äußerungen ohne Sachkenntnis. Sie verurteilten diejenigen, die geholfen hätten. Grundlose Anschuldigungen hülfen jedoch niemandem. „Es bringt auch kein Kind zurück“, sagt Höhler.

Auch Limburger Bischof anwesend

Auch der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU), ist nach Weilburg gereist, um seine Anteilnahme auszusprechen und den Einsatzkräften zu danken. „Ein wunderbarer Junge ist gestorben“, sagt er. Pawlos hätte sein Leben noch vor sich gehabt, sein plötzlicher Tod habe viele Menschen in Hessen traurig gemacht. Familie und Angehörigen spricht er seine Anteilnahme aus. „Sie leiden unendlich große Schmerzen“, sagt er. Der Gedenkgottesdienst zeige jedoch, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine seien. Die große Solidarität nach Pawlos Verschwinden habe ihn beeindruckt. „Wir beklagen oft zurecht, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet. In Weilburg haben die Menschen ein Zeichen in die andere Richtung gesetzt.“ Viele Menschen aus der Umgebung hätten sich nach der Suche beteiligt. Die Familie des Jungen stammt aus Eritrea. Dass sich auch viele andere Menschen mit eritreischen Wurzeln an der Suche beteiligten, sei für ihn ein Zeichen der Vielfalt und Verbundenheit in der Gesellschaft, sagt Poseck.

Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing richtet seine Worte an die Trauernden. Kein Tag sei vergangen, an dem er nicht aufgewacht sei und gehofft habe, dass das Kind gefunden wurde. Bätzing verweist auch auf die seelische Belastung der Einsatzkräfte. Viele von ihnen hätten selbst Kinder und seien trotz aller Professionalität betroffen.

Mehrere Minuten benötigt Weilburgs Bürgermeister Johannes Hanisch (CDU), um die vielen Hilfsorganisationen und Behörden aufzuzählen, die sich an der langen und intensiven Suche nach Pawlos beteiligten. „Wir alle begannen, den Jungen zu suchen. Schnell und viel“, sagt er. Am ersten Tag seien es schon 150 Einsatzkräfte gewesen. Bürger seien bis spät in die Nacht mit Taschenlampen unterwegs gewesen. Am nächsten Tag seien knapp 700 Kräfte im Einsatz gewesen. „Die Hoffnung und der Glaube, Pawlos zu finden hat uns alle geeint“, sagt Hansisch. „Lieber Pawlos, wir denken heute an dich, wir vermissen dich und wir werden dich nie vergessen.“

Nach dem Bürgermeister tritt eine enge Vertraute der Familie nach ans Mikrofon. Trotz dieser „dunklen Zeit“, habe die Unterstützung der Gesellschaft den Angehörigen Kraft gegeben, weiterzumachen, sagt sie. „Ihr habt gezeigt, was Gemeinschaft bedeutet.“ Sie verweist auf das Engagement der Einsatzkräfte, des Bürgermeisters und die seelische Betreuung durch die Kirche. Die Unterstützung aus Weilburg habe sie überwältigt. „Wir werden Pawlos immer im Herzen tragen.“

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