Gesundheit

Lebenserwartung: Was die „Altersuhr“ im Blut verraten kann |ABC-Z

Ein simpler Blick ins Blut soll verraten, welche von 18 chronischen Krankheiten ein Mensch bekommen wird. Die Forscher nennen ihren Fund eine „Altersuhr“. Denn die Analysen von Proteinen erlauben auch die Abschätzung des Todeszeitpunkts einer Person.

Eine „Altersuhr“ im Blut kann das Risiko einer Person vorhersagen, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes oder Alzheimer zu erkranken. Insgesamt geht es um 18 chronische Leiden, vor allem Alterskrankheiten, die sich aus diesen Blutwerten herleiten lassen sollen. Und darum, zu berechnen, wie alt ein Mensch werden wird.

So berichtet es das Fachmagazin „Nature“. Austin Argentieri, ein Forscher für Bevölkerungsgesundheit am Massachusetts General Hospital in Boston, leitet das Projekt. Er erklärt in dem Bericht, dass es dabei um die Bestimmung von 204 Proteinen im Blut gehe. Um einen Test, der die Lebenserwartung einer Person vorhersagt – falls sie nichts gegen ihre Risiken unternimmt. „Letztendlich wird der Wunsch, länger zu leben, darauf hinauslaufen, chronischen Krankheiten vorzubeugen.“

Die Studie wurde im selben Verlag veröffentlicht, bei „Nature Medicine“. Was das von Argentieri vorgeschlagenen Verfahren bestimmt, ist das biologische Alter eines Menschen, nicht die Daten, die in der Geburtsurkunde stehen. Beides kann sich deutlich unterscheiden. Manche Menschen sind mit 60 Jahren schon gebrechlich und brauchen eine Gehhilfe, andere fahren noch mit 80 in den Skiurlaub.

Dahinter stehen beschleunigte oder ausgebremste Verfallsprozesse auf der Ebene der Körperzellen. Oft sind chronische, anfangs unmerkliche Entzündungen die Treiber. Die Proteine sind Zeichen für diese Veränderungen. Findet man die richtigen, die Alterungsmarker, dann kann man aus ihrer Menge berechnen, wie langsam oder schnell der körperliche Niedergang weitergehen wird.

Um die aussagefähigsten Proteine zu finden, analysierten die US-Forscher Daten von 45.441 zufällig ausgewählten Personen, die die UK Biobank vorhielt, eine Art Bibliothek für biomedizinische Proben. Dabei kamen die 204 Proteine in die engere Auswahl: Sie können das biologische Alter offenbar erstaunlich genau vorhersagen, verraten, wer früh sterben wird, wer länger als die meisten anderen lebt.

Kollagen, Elastin und Entzündungsstoffe

Zu den Vorhersage-Proteinen gehörten Elastin und Kollagen, Käuferinnen von Hautcremes für „reife Haut“ bestens bekannt als diejenigen Baustoffe, die das Bindegewebe im Alter langsam verliert. Dazu kommen Proteine, die an der Immunantwort und der Hormonregulation beteiligt sind.

Das Team arbeitete danach an einer zweiten, viel kleineren Altersuhr aus nur 20 Proteinen die fast genauso genau sein soll – und wegen der überschaubaren Menge vielleicht sogar irgendwann als Testkartusche für Arztpraxen vertrieben werden könnte.

Getestet wurden beide Uhren bisher anhand von Biobankproben aus China und Finnland, insgesamt 6000 Individuen. Bei den meisten Proben war es möglich, das Pass-Alter des Spenders anhand des Proteinprofils genau zu bestimmen. Bei anderen Proben gab es große Abweichungen, das biologische Alter schien deutlich über dem faktischen Alter zu liegen:

Das war dann in der Regel dadurch erklärbar, dass die Betroffenen bereits eine Frühform chronischen, lebensverkürzenden Krankheit hatten. Solche Leiden, die den zellulären Alterungsprozess messbar beschleunigten, waren neurodegenerative Erkrankungen, Osteoporose, Makuladegeneration, Krebs sowie Erkrankungen des Herzens, der Niere und der Lunge. Besonders stark war der Effekt bei Parkinson, Diabetes, Rheumatoider Arthritis und Lebererkrankungen.

Jeder Zehnte blieb lange jung

Die Alterung der Proteinuhr war auch mit körperlicher Gebrechlichkeit, langsamerer Reaktionszeit und vorzeitigem Tod verbunden – die Datenbanken erfassen nicht nur Parameter zum Zeitpunkt der Spende, sondern auch, wie lange die Spender noch lebten. Und woran sie starben.

Von Kollegen gibt es Lob. Der große Datensatz und dass die Methode in so unterschiedlichen Datensätzen immer wieder funktionierte, seien die zwei großen Stärken der Studie, sagte die Molekular-Epidemiologin Sara Hägg vom Karolinska-Institut in Stockholm. „Es ist eine sehr robuste Arbeit“, sagte sie „Nature“.

In einem nächsten Schritt möchte Argentieri herausfinden, welche Umwelt- und Verhaltensfaktoren es sind, die die Proteine im Körper altern lassen. „OK, Sie können mir etwas über mein zukünftiges Risiko für 18 verschiedene Krankheiten erzählen“, sagt Argentieri. „Aber kann ich irgendetwas tun, um das zu ändern?“

In der Altersuhr im Blut ist auch zu sehen, dass manche Menschen langsamer altern, als es ihr Geburtsdatum erwarten ließe. Von den zehn Prozent der Menschen in der Studie, die die junggebliebenen Senioren waren, so Argentieri, „entwickelten weniger als ein Prozent Demenz oder Alzheimer“. Sie interessieren die Altersmediziner ganz besonders.

Ob ihre geradezu biblische Gesundheit an Umweltfaktoren, Genetik oder einer Kombination liegt, ist zwar bis jetzt nicht verstanden. Aber sobald man das verstanden hat, liegt hier die Chance, Medikamente zu entwickeln, die den Verfall auch bei anderen aufhalten.

Denn die Suche nach dem Jungbrunnen, die hat dieses Feld der Medizin weiterhin nicht aufgegeben.

Back to top button