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Lärmbelästigung durch Kinder: Was müssen Nachbarn gefallen lassen? – Stil | ABC-Z

Entwicklung passiert nicht geräuschlos. Wenn Babys Zähne bekommen und Teenager Liebeskummer haben, kann es nachts schon mal lauter werden. Das ist nicht nur für tröstende und übermüdete Eltern anstrengend, sondern auch für die Nachbarn. Die hängen am nächsten Tag möglicherweise durch – und können es dann noch weniger gut ertragen, wenn die Kinder im Stock drüber wieder quietschfidel und munter durch die Wohnung rennen, schreien, springen oder laut weinen. Kinder tanzen ihren Nachbarn manchmal wortwörtlich auf dem Kopf herum. Häufig kommt es deshalb zu Streit unter Nachbarn. Der Vorwurf: Lärmbelästigung.

Doch kann man von Kindern wirklich erwarten, sich so kontrolliert zu verhalten wie wohlerzogene Erwachsene? Das könne man nicht, befand der Bundesgerichtshof (Urteil vom 22. August 2017, VIII ZR 226/16). Gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm seien sozialadäquat und grundsätzlich zumutbar. Der BGH stellte aber zugleich klar, dass Lärm „nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität“ von Mitmietern hinzunehmen sei, „nur weil er von Kindern stamme“. Der Hintergrund: Eine Mieterin hatte wegen des aus ihrer Sicht unerträglichen Gepolters und Geschreis der in der Wohnung über ihr lebenden kleinen Kinder Klage eingereicht.

Das Thema Kinderlärm ist heikel, weil hier unterschiedliche Bedürfnisse und Rechte miteinander kollidieren. In der UN-Kinderrechtskonvention, die 1990 in Kraft trat, wird Kindern ein Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung zugesichert. Da ist aber auch das Bedürfnis nach Ruhe in den eigenen vier Wänden. Bewohnern eines Mehrparteienhauses kann nicht zugemutet werden, dass Mitbewohner ständig die in Deutschland geltenden Regelungen zu den Ruhezeiten missachten. Entsprechende Vorschriften, die sich von Kommune zu Kommune unterscheiden können, finden sich in Mietverträgen oder Hausordnungen. Mittagsruhe herrscht oft von zwölf oder 13 bis 15 Uhr, Nachtruhe von 22 bis sechs oder sieben Uhr morgens – während dieser Zeiten müssen Mieter besondere Rücksicht aufeinander nehmen. Nachbarn müssen es nicht akzeptieren, wenn zum Beispiel Jugendliche häufig während der Mittagsruhezeiten im Hof eines Mehrparteienhauses den Fußball ans Garagentor donnern oder abends im Gartenpool herumtoben.

Ob Eltern dazu verpflichtet werden können, dass ihre Kinder sich künftig zu Hause ruhiger verhalten, hängt von der Situation ab. Die Art, die Dauer, die Intensität, Häufigkeit und die Tages- oder Nachtzeit, zu der die Geräusche vernehmbar sind, spielen dabei eine Rolle. „Und die Gesundheit des Kindes“, fügt Chefjustiziarin Inka-Marie Storm vom Verband Haus & Grund in Berlin hinzu. Von einem kranken oder generell beeinträchtigten Kind könne man nicht erwarten, dass es sich so ruhig verhalte wie ein gesundes. Genervte Nachbarn müssten dafür Verständnis aufbringen.

In Auseinandersetzungen über Kinderlärm wird auch häufig auf das Bundesimmissionsschutzgesetz verwiesen. In Paragraf 22 heißt es: „Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“ Hausbewohner, die wegen der Ruhestörung, die von einer Kita oder einem Bolzplatz in der unmittelbaren Umgebung ausgehen, Mietminderung fordern, haben so gut wie keine Chancen (BGH, Az. VIII ZR 197/14).

Inka-Marie Storm appelliert an die Bewohner von Mehrparteienhäusern, in denen Kinder leben, sich in Gleichmut und Verständnis zu üben. Zumindest so lange, bis von Kindern erwartet werden kann, dass sie verstehen, warum es wichtig ist, dass Menschen aufeinander Rücksicht nehmen. „Wir dürfen nicht nur die Bedürfnisse der Erwachsenen sehen, sondern müssen auch die Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen. Auch die Menschen, die besonders empfindlich sind.“ Grundsätzlich rät sie dazu, frühzeitig miteinander das Gespräch zu suchen. Das sei allemal besser, als einen nervenaufreibenden und kostspieligen Rechtsstreit zu beginnen.

Die Autorin schläft vorsorglich immer mit Ohropax in den Ohren.
Die Autorin schläft vorsorglich immer mit Ohropax in den Ohren. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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