Lärm-Streit im Münchner Uni-Viertel: Warum nun auch Chips verboten sind | ABC-Z

Shivan Beseh hat eine Jalousie in seinem Kiosk an der Schellingstraße angebracht. Aber nicht, damit die Sonne nicht zu sehr blendet. Sondern, damit seine Kunden nicht mehr sehen, was in seinen Regalen steht. Dort stehen keine Pornos, keine Drogen, keine Horrorfilme. Sondern Chips. Kleine Pringles-Dosen und funny-frisch-Tütchen voller frittierter Kartoffelscheiben mit Paprika-, Zwiebel-, Chili-Geschmack.
Freiwillig hat Shivan Beseh den Sichtschutz nicht aufgehängt. Er ist Teil der neuen Regeln, die das KVR erlassen hat, um im Uni-Viertel für mehr Ruhe zu sorgen. Anwohner, darunter auch der CSU-Stadtrat Thomas Schmid, hatten immer wieder über zu viel Lärm, zu viel Ballermann geklagt.
Seit Samstag dürfen die Kioske rund um die Schellingstraße deshalb ab 22 Uhr kein Bier mehr verkaufen – und auch bei anderen Waren schaut das KVR jetzt genauer hin.
Chips-Verbot im Münchner Univiertel: “Ich dachte zuerst, das ist Verarsche”
In einem Schreiben an den Späti-Betreiber weise das KVR darauf hin, dass Beseh auch (und zwar bereits ab 20 Uhr) keine Chips verkaufen dürfe, erzählt er. “Ich muss sie abdecken, damit der Kunde nicht mehr die Möglichkeit hat, zuzugreifen”, sagt er. “Ich dachte zuerst, das ist eine Verarsche.”
War es nicht. Doch was soll das Ganze?
Das KVR erklärt dazu: Die Kioske sind als sogenannte “erlaubnisfreie Gaststätten” angemeldet. Das Gaststättengesetz regle, welche Waren sie nach Ladenschluss ausgeben dürfen und welche nicht. Chips dürfen erlaubnisfreie Gaststätten laut KVR nur als “Nebenleistung” an Gäste abgegeben, die in ihrem Laden essen. Nicht an Laufkundschaft.

© Daniel Loeper
von Daniel Loeper
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Dass Kioskbetreiber wie Beseh nach 20 Uhr Chips verkauft haben, ist demnach also schon immer nicht legal gewesen. Nur hat das KVR früher nicht auf eine Abdeckung bestanden. Das ist jetzt anders.
“Waren, die ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr verkauft werden dürfen, müssen künftig abgedeckt werden, weil sich in der Praxis gezeigt hat, dass diese sonst trotzdem ge- bzw. verkauft werden”, schreibt das KVR. Durch die Abdeckung solle der “Kaufanreiz” ausgeschlossen und klar zwischen zulässigen und nicht verkaufbaren Waren unterschieden werden. Hierunter falle auch hochprozentiger Alkohol und Mischgetränke mit hochprozentigem Alkohol, der “ohnehin nach Ladenschluss nie legal verkauft werden durfte”.

© Daniel Loeper
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Ausschlaggebend seien für das KVR aber nicht zu Unrecht verkaufte Chips, sondern das “massive Besucheraufkommen”.
“Ich habe keine Kraft mehr”
Beseh ist trotzdem fassungslos. Seit einer Woche, seitdem er den ersten Brief vom KVR bekommen habe, fühle er sich wie eine Leiche, sagt er. “Ich habe keine Kraft mehr”, meint er.
Das erste Wochenende mit dem Bierverbot sei richtig schlecht gelaufen. “Ich weiß nicht, ob sich das Geschäft weiterhin rentiert. Aber unsere Existenz ist denen egal.” Die Rollos hätten 300 bis 400 Euro gekostet. Und für die beiden Briefe, die ihm das KVR übermittelte, musste Beseh auch noch mal jeweils eine Gebühr von 150 Euro zahlen.
Aufgeben will er aber noch nicht. Sein Anwalt hat eine Beschwerde eingereicht. Entscheiden muss jetzt das Gericht. Außerdem läuft eine Online-Petition gegen das Bierverbot.
Schon der nächste Lärm-Krach läuft
Weiterhin für richtig hält der CSUler Thomas Schmid die Verbote. Auch wenn das erste Wochenende mit dem Verbot gar nicht so anders gewesen sei – trotzdem viel los, trotzdem laut. So sei es ihm zumindest berichtet worden, erzählt Schmid. Er glaubt, dass es sich erst noch herumsprechen muss, dass es fürs Uni-Viertel neue Regeln gibt.
Ihm sei wichtig: Er wolle nicht verbieten, dass junge Menschen feiern. Deshalb habe er einen Stadtratsantrag geschrieben, dass das Rathaus zusammen mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb, der Polizei und sozialen Stellen nach geeigneten Plätzen suchen soll, wo Menschen im öffentlichen Raum feiern können.
Möglichst bald will Schmid diesen offiziell einreichen. Denn es sei schon der nächste Lärmstreit entbrannt, weiß Schmid. Und zwar rund um den Viktoriaplatz in Schwabing. Auch dort klagen Anwohner über zu viel Lärm.