Landwirtschaft in Brasilien: Mit der Kraft des Cupuaçu | ABC-Z

Heute steht die RECA Cooperativa im Herzen Amazoniens zwischen den brasilianischen Bundesstaaten Rondônia und Acre und Bolivien für Resilienz, Innovation, soziales und ökologisches Engagement. Die 1989 gegründete Kooperative ist inzwischen mehr als nur eine Genossenschaft von Familienbetrieben: Sie zeigt, wie landwirtschaftliche Produktion und Waldschutz Hand in Hand gehen können.
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RECA
Hamilton Condack, Präsident der Genossenschaft, erinnert sich an die Anfänge: „Der Amazonas war für uns ein Mysterium“, sagt Condack. Dazu kam die „institutionelle Vernachlässigung“ der Region. Also mussten sie sich selbst helfen und tauschten sich mit Kautschukpflückern und indigenen Waldbewohnern aus. „Von ihnen haben wir gelernt, die Zyklen der Natur zu respektieren.“
Kooperation mit den Nachbarn
Im Jahr 1984 wurde ihnen vom Nationalen Institut für Kolonisierung und Agrarreform (Incra) Land zugeteilt. Weitere Unterstützung vom Staat gab es damals nicht. Also holzten sie Wald ab, um die gerodeten Flächen zu bewirtschaften. Doch waren die Bedingungen andere als im gemäßigten Klima ihrer Heimat. Die Sonne schien erbarmungslos, die Erde verdorrte. Die Bauernfamilien entschieden, sich zusammenzuschließen – und mit ihren Nachbarn zu kooperieren. „Aus diesem Wissensaustausch heraus begannen wir, eine neue Form des Zusammenlebens und der Produktion zu planen“, sagt Condack.
Derzeit zählt die RECA Cooperativa mehr als 300 Mitgliedsfamilien. Sie sind in zehn Produktionsgruppen auf über 1.000 Hektar Agroforstsystemen (SAFs) aufgeteilt, was einer Fläche von rund eintausend Fußballfeldern entspricht. SAFs sind Landnutzungssysteme, die Bäume oder Sträucher mit Ackerkulturen oder Tierhaltung auf derselben Fläche kombinieren. Das ist ökologisch wie ökonomisch sinnvoll.
Zu den verarbeiteten und vermarkteten Produkten der Genossenschaft zählen Paranüsse, Palmenherzen, Pflanzenöle und Samen, aber auch köstliche exotische Tropenfrüchte wie Açaí, Acerola, Maracuja und Cupuaçu. Letztere ist das wichtigste Produkt von RECA. Cupuaçu ist eine in Europa noch weitgehend unbekannte Pflanze aus der Familie der Malvengewächse und mit Kakao verwandt. Das Fruchtfleisch schmeckt süßsäuerlich, andererseits lässt sich Schokolade daraus herstellen. Auch in der Kosmetik findet es Verwendung; so eignet sich nährstoffreiche Cupuaçu-Butter für die Befeuchtung von Haut und Haar.
Produktion das ganze Jahr über
„Cupuaçu hat sich sehr gut an den Boden und das Klima der Region angepasst“, sagt Condack. Es sei die Kulturpflanze mit der größten Produktivität – und auch am Markt wurde sie „am besten angenommen“. RECA rechnet für 2025 mit einer Rekordernte von erstmals über 2 Millionen Kilogramm an Cupuaçu-Früchten.
Bei allen RECA-Aktivitäten wird darauf geachtet, dass die Umwelt respektiert wird und nicht zu Schaden kommt. Insgesamt werden 40 Arten von Obst- und Nutzbäumen und Heilpflanzen angebaut, vorrangig einheimische Arten. So wird die Artenvielfalt erhalten, und es kann ganzjährig produziert werden. Alle organischen Abfälle aus der Landwirtschaft und Produktion werden zudem kompostiert und in hochwertigen Dünger umgewandelt.
35 Produkte der Genossenschaft haben bereits nationale oder europäische und US-amerikanische Bio-Zertifizierungen erhalten. Doch noch ist die RECA Cooperativa ausschließlich auf dem regionalen und nationalen Markt tätig. Vorbereitungen für den Export laufen allerdings. Alle Anforderungen dafür würden bereits erfüllt, sagt Condack. „Das ist ein Schritt, den wir in den nächsten Jahren sicherlich gehen werden.“
Das Engagement für Nachhaltigkeit geht über wirtschaftliche Aspekte hinaus: RECA setzt auf Bildung – als Grundpfeiler für die Zukunft kommender Generationen. Dafür wurde die Landwirtschaftliche Familienschule Jean Pierre Mingam gegründet – mit einem speziellen Konzept, der Pedagogia da Alternância (alternierende Pädagogik). Dadurch erhalten junge Menschen aus der Region Zugang zu einer auf die ländliche Realität zugeschnittenen Ausbildung: 15 Tage wird zur Schule gegangen, dann 15 Tage praktisch gearbeitet. So wird formale Bildung im Wechsel mit der Arbeit in den Familienbetrieben verbunden.
Die Frauen entscheiden mit
Auch die Gleichstellung der Geschlechter spielt eine wichtige Rolle: Jede der zehn Gruppen der Genossenschaft hat eine weibliche Vertretung, wodurch Frauen bei allen Entscheidungen mitreden können. Die Sicht der Frauen auf das Kollektiv mache „den Unterschied in unserer Entwicklung aus“, sagt Condack.
Erste Hilfe nach ihrer Gründung erhielt die Genossenschaft durch die niederländische Stiftung Cebemo und die Diözese Rio Branco des berühmten, inzwischen verstorbenen Erzbischofs Dom Moacyr Grecchi. Inzwischen gibt es zahlreiche Kooperationspartner, darunter die deutsche GIZ, und Projekte in den Bereichen Wiederaufforstung, Ausbildung, Zertifizierung und Einkommensschaffung. Der brasilianische Kosmetikkonzern Natura & Co zum Beispiel kauft Cupuaçu-Butter von RECA und setzt vor Ort ein REDD+-Kohlenstoffprojekt um. Dadurch sollen mehr als 4.000 Hektar Wald geschützt werden.
Trotz des Erfolgs bleiben Herausforderungen. Da sind einmal Probleme wie die Bekämpfung von Schädlingen. Zum anderen besteht die Notwendigkeit ständiger Modernisierung der Abläufe und Fertigungsprozesse. „Wir stehen vor vielen Herausforderungen, aber wir wissen genau, wo wir hinwollen“, sagt Condack. Ziel sei eine gerechte und solidarische Gemeinschaft, die ihr Leben im Einklang mit der Natur gestaltet. „RECA ist der lebende Beweis dafür, dass es möglich ist, zu produzieren, die Umwelt zu bewahren und Leben zu verändern – und das alles gleichzeitig.“
Felipe Corona ist freier Journalist, unter anderem für die „
Folha de São Paulo“. Er lebt in Porto Velho, der Landeshauptstadt des Amazonasbundesstaats Rondônia.
Übersetzt aus dem Portugiesischen von Ole Schulz