Landwirtschaft: Der Bürokratiekampf der Agrargenossenschaft Sonnewalde | ABC-Z

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Der Bürokratiekampf der Agrargenossenschaft Sonnewalde
Ständige Kontrollen, unklare Vorgaben – wieviel Bürokratie hält ein Landwirtschaftsbetrieb aus? Die Agrargenossenschaft Sonnewalde sieht sich zunehmenden Hürden ausgesetzt, um ihren Betrieb am Laufen zu halten.
Zwischen Rindern, Schafen und endlosen Formularen ringt Gundula Frank gegen einen Gegner, den sie nicht anfassen kann, der aber allgegenwärtig ist: die Bürokratie. Die Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Sonnewalde (Elbe-Elster) führt im Süden Brandenburgs einen Betrieb mit 1.120 Rindern, 380 Schafen – rund die Hälfte davon Milchkühe – und bewirtschaftet 2.200 Hektar Fläche in zehn Dörfern der Region.
Die Genossenschaft war zu DDR-Zeiten eine Landeswirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) und entwickelte sich danach zu einem Betrieb mit aktuell 40 Mitarbeitenden. “Unser Hauptziel ist, mit der Milchproduktion, mit der Rinderhaltung, Schafhaltung, mit dem Ackerbau unsere Mitarbeiter gut zu entlohnen oder weiter beschäftigen zu können und damit für einen angemessenen Lebensunterhalt unserer Mitarbeiter und natürlich uns selber zu sorgen”, sagt Frank.
Papierkrieg auf dem Acker
Aber dieses Ziel sei zunehmend schwieriger zu erreichen. Grund dafür ist demnach ein unübersichtliches Geflecht aus Vorschriften, Dokumentationspflichten und politischen Kehrtwenden.
Ein bürokratisches Beispiel: die Stoffstrombilanz. Eine Art Nährstoffinventur, mit der Landwirte nachweisen müssen, wie viel Stickstoff und Phosphor sie auf ihre Felder bringen und wie viel davon tatsächlich genutzt wird. Betroffen davon sind Betriebe mit mehr als 20 Hektar Fläche, also alle größeren Betriebe. Als die Stoffstrombilanz 2018 kam, habe Frank sich gefragt, was mit den Zahlen eigentlich gemacht wird und was ihr Betrieb davon habe. “Es ist ja auch gut, wenn eine bürokratische Maßnahme kommt, wenn man auch selbst noch was davon nutzen kann oder die Auswertung Sinn macht. Aber bei der Stoffstrombilanz habe ich nie den tieferen Hintergrund gefunden.” Vollständig ausgewertet wurde die Bilanz laut Frank auch nicht.
Am Dienstag entschied das Bundeskabinett nun, die Stoffstrombilanz abzuschaffen [br.de]. Ein Schritt, den Umweltverbände wie Greenpeace oder die Deutsche Umwelthilfe im Vorfeld stark kritisierten. Gundula Frank hält dagegen: “Insgesamt kommt es ja daher, dass uns vorgeworfen wird, dass wir zu viel Stickstoff, zu viel Phosphor an den Boden bringen. Aber das (Düngen) ist teuer. Das versuchen wir schon zu minimieren. Wir bringen den Dünger nur dort aus, wo es Sinn macht.”

Diesel: Subvention ja, aber mit Aufwand
Der Protest der Landwirte entwickelte sich im Frühjahr 2024 vor allem an der geplanten Streichung der Steuererstattung für Agrardiesel. Das hätte laut Frank das Fass zum Überlaufen gebracht. Inzwischen hat die Bundesregierung einen Rückzieher gemacht: Ab 2026 soll es wieder die volle Rückerstattung geben – das wurde ebenfalls am Dienstag entschieden.
Der damit verbundene bürokratische Aufwand bleibt dennoch und steigt seit Jahren konstant, wie Landwirtin Frank sagt. Die Agrargenossenschaft Sonnewalde verbraucht nach eigenen Angaben jährlich rund 250.000 Liter Diesel, einen Teil davon lassen sie sich nicht mehr erstatten. “Das sind nicht einfach zehn Dieselrechnungen und dafür Geld zurückkriegen”, sagt Frank. “Insgesamt ist der bürokratische Aufwand enorm und immer mehr geworden.”
Dazu kommen die steigenden Energiepreise, diese schlagen direkt auf die Produktionskosten drauf, wodurch wiederum das Produkt teurer werden muss, damit die Mitarbeiter von der Arbeit leben können.
Wenn Fördermittel nicht greifen
Die Agrargenossenschaft Sonnewalde würde gerne in moderne Tierhaltung investieren, das bedeutet größere Ställe mit höheren Umweltstandards. Aber genau hier beginnt das nächste Dilemma, denn die Fördermittel, die solche Umbauten unterstützen sollen, sind befristet und schwer planbar. Größere Betriebe wie Sonnewalde fallen dabei oft durch das Raster.
Solche Unsicherheiten lähmen die gesamte Entwicklung des Betriebes, wie Frank betont. “Es fehlt einfach an Planungssicherheit.” Die Motivation und der Wunsch, die Tierhaltung zu verbessern, sei da, aber die politischen Rahmenbedingungen blockierten oft.
Der größte Frustrationspunkt sei daher das Gefühl, bei politischen Entscheidungen und Diskussionen nicht einbezogen zu werden, so Frank. Stattdessen erleben sie und andere Landwirte politische Entscheidungen oft als überraschend und praxisfern, wie Änderungen die nahezu über Nacht eintreten und die Bedingungen des Betriebes verändern. Dabei sei gerade der Agrarsektor auf langfristige Planbarkeit angewiesen. Wird politisch kurzfristig gegengesteuert, entstehen Löcher, die schwer zu stopfen sind. “Wir müssen von Grund auf aufräumen und gucken, was an Bürokratie, Meldungen und Zahlen nötig ist und was unnötig ist”, fordert Frank.
Sendung: Inforadio, 25.06.2025, 17:49 Uhr