Geopolitik

Landtagswahl in Thüringen: Erste Sitzung des Thüringer Landtags wiederholt unterbrochen | ABC-Z

Die erste Sitzung des neuen Thüringer Parlaments ist bereits in den ersten Stunden mehrmals unterbrochen und wieder fortgesetzt worden. Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) nahm nach einer
Unterbrechung von mehr als 45 Minuten den Ablauf kurzzeitig wieder auf und wollte, ohne die
Beschlussfähigkeit des Parlaments festzustellen, seine Rede fortsetzen. 

Er wurde dabei jedoch erneut vom parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl
unterbrochen. Der CDU-Abgeordnete warf Treutler vor, sein
Amt als Alterspräsident nicht wie vorgeschrieben überparteilich auszuüben. Bühl verlangte aufs Neue, dass Treutler
nach Protokoll die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen sollte. “Sie haben kein Recht,
in ihrer zeremoniellen Funktion als Alterspräsident davon abzuweichen.”
Daraufhin unterbrach der Alterspräsident die Sitzung für weitere 30
Minuten.

Nach der erneuten Unterbrechung kündigte Treutler an, die Beschlussfähigkeit im weiteren Verlauf der Sitzung feststellen zu lassen. Der Landtag müsse jedoch zunächst konstituiert sein, bevor über Geschäftsordnungsfragen verhandelt werden könnte. Erneut kritisierte Bühl dieses Vorgehen: “Was Sie hier treiben, ist Machtergreifung”, sagte der CDU-Abgeordnete. Im Anschluss forderte Janine Merz aus der Thüringer SPD-Fraktion eine sofortige Feststellung der Beschlussfähigkeit. Nach einem Antrag Tilo Kummers vom BSW wurde die Sitzung ein drittes Mal unterbrochen – wiederum für 30 Minuten.

Verwirrung um Geschäftsordnung des Landtags

Es ist die erste Sitzung des neu gewählten Landtags. Diese war bereits mit Spannung und Sorge erwartet worden. Die AfD stellt die stärkste Fraktion im Parlament und stellt zudem den Alterspräsidenten, der die Sitzung leitet. Es war erwartet worden, dass die erste Sitzung nicht reibungslos ablaufen werde. Auf der Tagesordnung steht vor allem auch die Wahl des Landtagspräsidenten. Die AfD hat als Kandidatin Wiebke Muhsal vorgeschlagen und beharrt auf dem Gewohnheitsrecht, nach dem die stärkste Fraktion das Amt bekleidet. 

Bei den demokratischen Fraktionen gibt es die Befürchtung, dass Treutler nach seiner Rede direkt in die Wahl des Landtagspräsidenten überleiten will. Die Wahl eines Parlamentspräsidenten aus einer anderen Fraktion würde zunächst eine Änderung der Geschäftsordnung erfordern. Sollte dies möglich sein, hat die CDU mit Thadäus König einen eigenen Kandidaten aufgestellt.

Allerdings ist es nach der bereits geltenden Geschäftsordnung ebenso wenig möglich, direkt mit dem Wahlgang zum Landtagspräsidenten zu beginnen. Ein solches Vorgehen erfordert seinerseits eine Änderung der Geschäftsordnung, wofür die Beschlussfähigkeit des Parlaments festgestellt werden muss.

Kritik am Alterspräsidenten

Zuvor hatte Treutler in
seiner Rede die parlamentarische Gepflogenheit betont, dass die stärkste
Fraktion den Landtagspräsidenten stellt. Das sei seit der
Wiedergründung Thüringens nie infrage gestellt
worden. Mit Blick auf die Regierungsbildung
sagte er, es gebe eine “nicht zu übersehende Option” für eine stabile
parlamentarische Mehrheit. Treutler
bezog sich in seiner Rede dann auf einen Zeitungskommentar, in dem die
hohe Wahlbeteiligung als Krisensymptom angesehen worden sei. Solche
Einlassungen würden zeigen, dass es in gewissen Teilen der Medien eine Verachtung des Volkes gebe.

Kritik gab es an der Rede von Treutler bereits zuvor. CDU-Chef Mario Voigt sagte, der
Alterspräsident müsse unparteiisch und neutral handeln. Das sei nicht
der Fall gewesen. Die CDU schrieb bei X:
“Der Alterspräsident
der AfD nutzt in missbräuchlicher Weise sein Amt, um einen angeblichen
‘Wählerwillen’ zugunsten der stärksten Fraktion festzustellen. Weiß der
Mann nicht, dass es Mehrheiten im Parlament bedarf?” Auch Vertreter
anderer Parteien kritisierten die Verzögerungen durch den
AfD-Alterspräsidenten.

Thüringens
geschäftsführender Ministerpräsident Bodo Ramelow, der auch
Landtagsabgeordneter der Linken ist, übte ebenfalls Kritik an der Rede
des Alterspräsidenten. Er warf Treutler mit seinem Verweis auf Eduard
Spranger vor, Grenzen des Sagbaren verschoben zu haben. Spranger habe
sich positiv zur nationalsozialistischen Revolution ausgesprochen und
habe 1938 Juden aus der Goethe-Gesellschaft ausgeschlossen, sagte
Ramelow.

Für eine Abwahl eines Alterspräsidenten gibt es bislang zwar keine Präzedenzfälle, die sogenannte Parlamentsautonomie des Landtags macht sie aber denkbar. Ihr zufolge ließe sich rechtlich vertreten, dass das Parlament selbst entscheiden kann, wer seine Sitzungen leitet. Für eine Abwahl gibt dafür aber keine gesetzliche Regelung und es würden sich sehr viele Rechtsfragen stellen. Zudem ist der wohl nächstälteste Abgeordnete des Landtags, Dieter Laudenbach, ebenfalls Mitglied der AfD-Fraktion.

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