Landtagspräsidentin Aigner ehrt „die starke Frau Europas“ – Bayern | ABC-Z

Die Flügeltüren zum Kaisersaal in der Münchner Residenz fliegen auf, der Einzug des bayerischen Ministerpräsidenten beginnt. Aber wo bleibt der Defiliermarsch? Und wer ist eigentlich die zierliche Frau, die es sich da erlaubt, zeitweise einen ganzen Schritt vor Markus Söder zu laufen? Das ist, wie Landtagspräsidentin Ilse Aigner später in ihrer Laudatio erklärt, niemand Geringeres als „die starke Frau Europas“.
Maia Sandu wird am Samstagmittag von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Franz-Josef-Strauß-Preis geehrt – als „Symbolgestalt für demokratischen, rechtsstaatlichen und westlich orientierten Wandel“, so steht es direkt neben Strauß’ imposantem Charakterkopf auf der weiß-blauen Urkunde. Die Präsidentin der Republik Moldau hat ihr kleines, von Armut gebeuteltes Land entschlossen in Richtung Europa geführt, obwohl Putins Russland genau das ebenso entschlossen verhindern wollte, zum Beispiel mit großflächiger Wahlmanipulation.
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Bei seiner Begrüßung bringt Markus Ferber, der Vorsitzende der Seidel-Stiftung (HSS), die gleich folgenden Würdigungen Sandus schon mal vorausgreifend auf den Punkt: „Ein paar Autokraten weniger und ein paar Maia Sandus mehr – und die Welt wäre eine bessere.“ Man kann durchaus sagen, dass die HSS mit ihrer Strauß-Preisträgerin 2025 den weltpolitischen Moment trifft. Nicht umsonst hat Sandu, 52, kürzlich schon den Theodor-Heuss-Preis und den Reinhard-Mohn-Preis der Bertelsmann-Stiftung eingesammelt. Dass sie die erste Frau ist, die die Seidel-Stiftung bedenkt, nimmt sie mit einem gütig-tadelndem Augenaufschlag zur Kenntnis.
Seit 1996 wird der Strauß-Preis in unregelmäßigen Abständen verliehen, Michail Gorbatschow und George Bush haben ihn erhalten, und 2001 auch Viktor Orbán, als der ungarische Ministerpräsident noch als Reformer galt. Inzwischen hätten auch manche in der CSU Sympathie dafür, ihm die Auszeichnung abzuerkennen. Bei Maia Sandu sind anti-demokratische Irrwege im Orbán-Stil nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen, seit ihrer Wahl zur Präsidentin 2020 hat sie enorme Standfestigkeit bewiesen.
Ihre Heimat, sagt Sandu bei ihrer Dankesrede, sei „ein Testfall, ob Demokratien unter Druck bestehen können“. Ihre 2,5 Millionen Landsleute ständen „an der Frontlinie des Kampfes für Demokratie, Wahrheit und Frieden“. Moldau hat 1200 Grenzkilometer mit der Ukraine und gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Flüchtlinge von dort aufgenommen als jeder andere Staat, mehr als 120 000. Sandu warnt davor, dass Kriege heute nicht mehr nur mit Panzern geführt würden, sondern „mit Narrativen“, etwa jenem, dass Demokratien „schwach und gespalten“ sind. Russland dürfe allein deshalb nicht über die Ukraine siegen, weil davon das Signal ausgehen würde, „dass wir in einer Welt leben, in der Aggression sich bezahlt macht“.
Laudatorin Aigner hebt hervor, dass die Preisträgerin einen Kampf kämpfe, „der weit über ihr eigenes Land hinausreicht“. Von der Zuversicht, die Sandu ausstrahle, findet Aigner, sollten „wir uns inspirieren lassen“. Sie erzählt von ihrem Besuch in Kiew und Butscha vergangene Woche, „ein Stück meines Herzens und meiner Seele ist dort geblieben“. Bundespräsidentinnen-Großalarm bei den Journalisten im Kaisersaal! Aigner wird ja als mögliche neue Hauptmieterin in Schloss Bellevue gehandelt, allerdings bislang nur von Leuten, die das nicht zu entscheiden haben. Jedenfalls dürfte Aigner nicht unglücklich darüber sein, am Samstag elegant eine gefühlte Schwesterschaft der Staatsfrauen andeuten zu können.

:„Bayern ist nach wie vor die Vorstufe zum Paradies“
Kann die CSU zurück zur alten Stärke finden? Bayerns früherer Ministerpräsident Horst Seehofer meint, 40 bis 50 Prozent Zustimmung seien möglich. Für Ilse Aigner hat er eine Jobempfehlung.
Ob CSU-Chef Söder dieses Glücksgefühl teilt, weiß man nicht, aber dass er einen großzügigen Tag erwischt hat, belegt bereits der erste Satz, mit dem er sich in seiner Festrede an Sandu wendet: „Herzlich willkommen im schönsten Land der Welt, außer Ihrem natürlich.“ Selbst ihr enges Verhältnis zu Annalena Baerbock scheint er Sandu nachzusehen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich der Ruhm des Franz Josef Strauß nicht bis Moldau rumgesprochen hat, betreibt Söder erst mal politische Bildung für die moldauische Delegation: „Jeder Satz von ihm ist ein Psalm für uns.“
Zuvor war Söder am Wochenende mit einem Videointerview beim umstrittenen Onlineportal Nius hervorgetreten, bei dem man gar nicht wusste, was fragwürdiger war, sein Satz „Natürlich brauchen wir Zuwanderung, leider“ oder seine offenbar ohne Socken aufgetragenen Sommerslipper. Im Kaisersaal bearbeitet Söder dann sein aktuelles rhetorisches Dilemma. Es gibt ja Politikerinnen und Politiker, die verzweifelt versuchen, ihre Reden unterhaltsamer zu gestalten. Bei Söder geht es mittlerweile eher darum, den Unterhaltungsaspekt zumindest in jenen Grenzen zu halten, die dem Anlass angemessen sind.
„Sie stehen unter dem Schutz von Bayern“, sagt Söder zu Sandu, „da kann nichts mehr passieren“. Als Deutsch sprechender Zuhörer kann man nur hoffen, dass die Übersetzung für die Moldauer Gäste von einem ironiebegabten Menschen erledigt wird. Abgesehen davon hält Söder eine amtliche außenpolitische Rede, deren Tiktok-taugliche Zusammenfassung er natürlich selbst liefert: „Pro Ukraine, pro Nato, pro Europa, pro Israel.“ Im Angesicht des russischen Imperialismus dürfe man „nicht ängstlich schweigen“, sagt er, Europa müsse „der Kontinent der Freiheit bleiben“. Für Deutschland heiße das: „Die Wehrpflicht muss kommen“, und zwar schnell.
Am Ende erhebt sich die Menge im Kaisersaal für Maia Sandu. Nach dem offiziellen Teil hüpft die Preisträgerin von der Bühne, um die Gratulation des CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel entgegenzunehmen. Edmund Stoiber, der andere Ehrenvorsitzende, zieht sich mit CSU-Generalsekretär Martin Huber in ein Eck des Saals zurück. Was Stoiber Huber da mit schwingendem Zeigefinger einbimst, das würde man schon gern wissen.