„Landhaus Adlon“: Adlon heißt jetzt „Aurea“ | ABC-Z

Denselben Blick hatten vor bald zwei Jahren, im November 2023, mehrere Dutzend rechtsextreme Politiker*innen, finanzkräftige Unternehmer*innen und Neonazis. Sie nahmen an der berüchtigten „Geheimkonferenz“ teil, in der ein perfider Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und besprochen wurde. Der Rechtsextreme Martin Sellner habe dort einen „Masterplan zur Remigration“ vorgestellt, schrieb das Rechercheportal Correctiv, zur Vertreibung von Migrant*innen und „nicht assimilierten Staatsbürgern“.
Correctiv hatte den Inhalt des Treffens im Januar 2024 publik gemacht und damit ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die Recherche sorgte landesweit für riesige Demonstrationen gegen rechts und machte das Landhaus Adlon bundesweit bekannt.
Im August 2025 hat ein Teilnehmer des Treffens per eidesstattlicher Versicherung die Correctiv-Recherchen bestätigt und sogar erweitert. Der langjährige Rechtsextremist Erik Ahrens, der angibt, ein Aussteiger aus der Szene zu sein, bestätigt, dass es bei dem „Masterplan“ um „ethnische Säuberungen bzw. Vertreibungen“ von Asylbewerber*innen, Menschen mit Aufenthaltsstatus und „nicht assimilierten“ Deutschen gehe – „freiwillig oder unfreiwillig“. Eine „patriotische Kraft“, laut Ahrens die AfD, solle das im Fall einer Machtübernahme umsetzen – etwa bei einem Wahlsieg der AfD 2026 in Sachsen-Anhalt, deren Spitzenkandidat Ulrich Siegmund bei dem Treffen anwesend war. Damit ist das Treffen im Landhaus Adlon wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Und nun steht man also an diesem Spätsommersonntag in dem Haus, dessen verschlossenes Tor zum Symbolbild für rechte Vertreibungsfantasien geworden ist. Dabei hat die hundertjährige Geschichte der Villa mehr zu bieten. „Menschen bauen Scheiße, nicht die Häuser“, sagt Daniela Richter im Foyer. Angesichts des negativen Images wagt die 47-jährige Unternehmerin den Sprung nach vorne: Sie hat das Anwesen im Mai 2024 gepachtet und vermietet es heute als Eventlocation, vor allem für Hochzeiten, aber auch für Geburtstage oder Teamtreffen.
„Nur noch positive Vibes“
Zunächst einmal hat sie den Namen geändert: Aus „Landhaus Adlon“ wurde „Villa Aurea“. Das stehe sinnbildlich für eine „positive Aura“, sagt Richter etwas wolkig zur taz. „Ich distanziere mich völlig von dem, was da passiert ist“, sagt sie aber auch. Sie habe nur Gutes vor, betont Richter, „ich möchte nur noch positive Vibes in diesem Haus“. Es solle ein Ort sein, an dem „jeder willkommen ist“.
Das war vorher anders. Das Landhaus Adlon gehört immer noch dem CDU-Mitglied Wilhelm Wilderink. Dessen ehemalige Lebensgefährtin Mathilda Huss ist Biologin und Unternehmerin und gut in der rechtsextremen Szene vernetzt. Vor wenigen Jahren war sie zudem mit dem AfD-Politiker Maximilian Krah liiert. „Natürlich bin ich rechts“, sagte sie noch im August der Berliner Zeitung. Doch laut Daniela Richter hat Huss das Anwesen in Potsdam abgegeben, die von ihr geleitete Betreiberfirma wird abgewickelt. Huss hat stattdessen die Burg Reinsberg in Sachsen gekauft, an deren Erwerb ursprünglich die Identitäre Bewegung gehindert wurde.
Nun beginnt also ein neues Kapitel in der wechselvollen Geschichte der Villa. Das Landhaus Adlon wurde 1925 im Stil des Neobarock im Auftrag des Hoteliers Louis Adlon erbaut, dem bereits das Hotel Adlon am Pariser Platz gehörte.
Im kleinen Veranstaltungsraum hat Eric Flemming ein Grammofon aufgestellt. Er legt eine Schellackplatte von Marek Weber auf, um die Goldenen Zwanziger aufleben zu lassen, als in diesem Gästehaus internationale Prominenz zu dieser Schlagermusik tanzte. In seinem schwungvollen Vortrag zeichnet der Historiker ein positives Bild des erfolgreichen Hotelunternehmers Adlon und seiner durchsetzungsstarken und kreativen zweiten Ehefrau Hedda und erzählt Anekdoten rund um das Gebäude.
Orchesterleiter Marek Weber war ein Freund der Adlons, der wegen seines jüdischen Glaubens bereits 1933 ins Exil gezwungen wurde, den Adlons aber verbunden blieb. „Louis Adlon hasste Hitler, und Hitler hasste Adlon“, so Flemming, obwohl der 1940 der NSDAP beitrat. 1944 habe Adlon abhörsichere Hotelräume in Berlin den Verschwörern des Hitler-Attentats vom 20. Juli zur Verfügung gestellt. Die anschließende Verfolgungswelle ging an ihm vorbei. Doch nur neun Monate später, nach der Eroberung Potsdams durch die Rote Armee, wurde er vom sowjetischen Geheimdienst NKWD so schwer gefoltert, dass der 70-Jährige einen Tag vor Kriegsende starb.
Geschichte als Kinderklinik
Nach 1945 diente die Villa kurzzeitig als Unterkunft sowjetischer Marineangehöriger während der Potsdamer Konferenz. Von 1948 bis 1966 beherbergte das Landhaus eine psychiatrische Kinderklinik, die damals vom Land Brandenburg als sogenannte „Bettnässer-Klinik“ eingerichtet wurde.
„In der Zeit von 1948 bis 1956 wurden in die Klinik primär Kinder mit den Diagnosen „Enuresis“ (Bettnässen) und „kindliche Neurose“ eingewiesen“, erklärt Sabrina Knüppel. Sie ist ehrenamtliche Leiterin des Informations- und Begegnungszentrum (IBZ) Königsheide, das sich der Aufarbeitung der DDR-Heimgeschichte am historischen Ort des einst größten Kinderheimes der DDR in Berlin-Johannisthal widmet.
Erst seit 2014 gibt es Hinweise von Ehemaligen auf die Kinderklinik Neu Fahrland. In Kooperation mit der Fachhochschule Potsdam und Studierenden ging die IBZ Königsheide den Hinweisen nach und eröffnete nun am Tag des offenen Denkmals eine erste Ausstellung zur Kinderklinik. Zur Eröffnung der Ausstellung im Foyer sind auch ehemalige Bewohner*innen gekommen. „Hier haben wir früher gespielt“, erinnert sich ein Mann und zeigt in den Garten.
Auf Schautafeln berichten einige der damaligen Kinder von sehr unterschiedlichen Erfahrungen in der Kinderklinik – Angst, Isolation und psychische Kälte, aber auch Ausflüge, Spielräume und wenig Verbote. Die Leitung der Klinik wurde von der Stasi überwacht, 1966 wurde sie dann plötzlich geschlossen.
Zweifelhafte Berühmtheit
Anschließend befand sich im Gebäude die Bezirksschule für Zivilverteidigung. Von 1992 bis 2007 war hier die Landesakademie für öffentliche Verwaltung Brandenburgs untergebracht. Der Besitz war zwischenzeitlich wieder an die Adlon-Erben übertragen worden. 2011 kaufte das damalige Unternehmerpaar Wilderink und Huss die Villa und betrieb es als Gästehaus am Lehnitzsee – bis zum Geheimtreffen im November 2023, durch das die Villa zweifelhafte Berühmtheit erlangte.
Es ist später Nachmittag, noch immer kommen und gehen Dutzende Menschen. Die meisten bleiben nicht für die Ausstellung oder die Vorträge, sie wollen das berühmte Haus nur mal kurz von innen sehen. Sicherlich wissen alle von dem rechtsextremen Treffen, es ist quasi der Elefant im Raum. Sprechen wollen sie darüber aber eher nicht.
Jetzt wagt Pächterin Daniela Richter einen Neuanfang. Das Wort Schlussstrich vermeidet sie, stattdessen sagt sie: „Es ist für mich wichtig, dass wir eine Chance bekommen.“