Landgericht München: Paar soll Jobcenter um mehr als 250 000 Euro betrogen haben – Fürstenfeldbruck | ABC-Z
Um mehr als eine Viertelmillion Euro soll ein Ehepaar aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck das Jobcenter mit gefälschten Anträgen und Mietverträgen betrogen haben. Dafür müssen sie sich seit dieser Woche vor dem Landgericht in München verantworten. Laut Anklage haben sie in den Jahren 2022 und 23 mit Schein-Mietverträgen in Dutzenden Fällen unrechtmäßig Bürgergeldanträge für ukrainische Staatsbürgerinnen beantragt, dazu kamen teilweise Anträge auf ebenso unberechtigte Mietkostenübernahme und etwa Erstausstattungen.
Insgesamt listet die Anklageschrift 28 Ukrainerinnen auf, in deren Namen die Anträge gestellt worden sein sind – zuerst nur beim Jobcenter Fürstenfeldbruck, später außerdem in München, Freyung-Grafenau, Hof und Altötting. Bewilligt wurden letztlich 17 der 69 Anträge, bis auf zwei Ausnahmen in München alle von Fürstenfeldbruck. In einem zweiten Anklagepunkt wird den beiden außerdem vorgeworfen, bereits 2021 mit wahrheitswidrigen Anträgen für die Ehefrau mehr als 50 000 Euro zu Unrecht erhalten zu haben.
Wie genau das Paar vorgegangen sein soll, wird zum Prozessauftakt zwar nicht besprochen, lässt sich aber aus der Anklageschrift rekonstruieren. Der 47-Jährige soll überwiegend per Facebook Kontakt mit den Ukrainerinnen aufgenommen haben, die 29-Jährige habe dann die Gespräche am Telefon weitergeführt. Haben sich die Frauen auf das „Angebot“ eingelassen, sind sie wohl nach Deutschland gekommen, um ein Konto zu eröffnen und die Schein-Mietverträge abzuschließen. Damit konnten sie beim Einwohnermeldeamt gemeldet werden. Inhaber der Konten auf den Mietverträgen waren die Angeklagten. Mit den gefälschten Dokumenten hätten sie dann die Anträge auf Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beim Jobcenter gestellt, mit Verweis darauf, dass die Antragstellerinnen hilfsbedürftige Kriegsflüchtlinge seien. Laut Anklageschrift habe sich allerdings keine der Frauen länger in Deutschland aufgehalten.
Am ersten Prozesstag ringen Richter, Staatsanwalt und die drei Verteidiger lange unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Rechtsgespräch um einen Deal. Eine mögliche Lösung fasst der Vorsitzende Richter im Anschluss so zusammen: Wenn das Paar ein umfassendes Geständnis ablegt, bewegt sich der Strafrahmen für die 29-jährige Frau zwischen einem Jahr und acht Monaten und zwei Jahren Freiheitsstrafe, aussetzbar auf Bewährung, und einer Wiedergutmachungszahlung in Höhe von etwa 150 000 Euro. Der 47-jährige Mann muss sich auf eine Freiheitsstrafe zwischen drei und dreieinhalb Jahren ohne Bewährung einstellen.
Den Anwälten des Paares, die getrennt vertreten werden, sei dabei eine Bewährungsstrafe für die Frau deshalb wichtig, weil die vierjährige Tochter der beiden seit einem Jahr bei einer Pflegefamilie lebt. Denn die Mutter sitzt seit Dezember 2023 in Untersuchungshaft, der Mann hatte seinen Wohnsitz in die Ukraine verlegt und wurde erst vor zwei Monaten ausgeliefert.
Rechnung für die Haft
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In seiner Erklärung betont der Richter außerdem, dass der Kammer durchaus an einer Einigung gelegen ist. Ohne Geständnis des Paares stehe sonst eine langwierige und komplizierte Beweisaufnahme bevor. Die 28 Ukrainerinnen müssten in ihrer Heimat ermittelt und entweder persönlich oder per Video befragt werden. Deshalb prognostiziert der Richter, dass das Verfahren durchaus das komplette Jahr 2025 dauern könnte – zudem würde es teuer werden. Zudem deutet er an, dass die Kooperationsbereitschaft einiger Zeugen aus dem Jobcenter nicht die allergrößte sei.
Deshalb sind sowohl er als auch der Staatsanwalt bereit, den Verteidigern weit entgegenzukommen. So gehört zum angebotenen Deal, dass alle 52 erfolglosen Betrugsversuche aus der Anklage gestrichen werden, ebenso wie vier Fälle, in denen Geld bezahlt wurde, die Angeklagten einen Betrug aber bestreiten. Dadurch würde sich die Schadenssumme von etwa 280 000 auf 150 000 reduzieren. Auch bei der Wiedergutmachungszahlung, an die die Bewährung der Frau gekoppelt wäre, zeigt sich der Richter offen. Wenn sie alles tue, um das Geld zusammenzubekommen, es letztlich aber weniger als die angepeilten 150 000 Euro werden, könne man noch einmal darüber reden.
Denn genau über diesen Punkt wird lange diskutiert. Denn die Wiedergutmachungszahlung soll als Auflage an die Angeklagte gestellt werden, die Verteidiger des Mannes allerdings werfen ein, dass sie bezweifeln, dass die Frau diese Summe selbst zahlen könne. Zwar gebe es ein Konto auf ihren Namen mit einem entsprechenden Betrag, allerdings könne sie nicht über das Geld verfügen. Auch ein ins Spiel gebrachter Grundstücksverkauf liege nicht in ihrer Entscheidungsgewalt.
Deshalb bitten sie den Vorsitzenden, ein Gespräch zwischen ihrem Mandanten und seiner Frau zuzulassen, um diese Frage klären zu können – auch im Sinne der 29-Jährigen. Die beiden hätten seit der Inhaftierung der Frau keinen Kontakt mehr gehabt. Der Richter allerdings lehnt ein Gespräch ab, er fürchte einen negativen Einfluss auf das Verfahren und betont, wenn dem Ehemann, wie von seinen Anwälten erklärt, etwas daran liegt, dass seine Frau auf Bewährung in Freiheit kommt, werde es nach dem Urteil genug Zeit für eine Klärung geben.
Letztlich stimmen alle Parteien dem Vorschlag der Kammer zu. Wenn die Angeklagten ihren Teil der Vereinbarung einhalten und die verkürzte Beweisaufnahme glattläuft, könnte der Prozess bereits an diesem Freitag zum Abschluss kommen.