Warum es keine Brandmauer in den Kommunen gibt | ABC-Z

Bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen legte die AfD im Landesschnitt kräftig zu, blieb aber weit unter ihren Umfragewerten für ganz Deutschland. Und als am vergangenen Sonntag Stichwahlen stattfanden, scheiterten die Kandidaten der AfD in Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen. Es gab keinen Erdrutschsieg und auch keine „blaue Welle“. Können deshalb alle zur Tagesordnung zurückkehren?
Wer so denkt, verkennt die Lage. Der AfD ist es gelungen, wichtiges Terrain für die von ihr angestrebte Westausdehnung zu gewinnen. Die Erfolge haben eine neue Qualität. Gelegenheiten, sich weiter auszubreiten, wird die AfD im kommenden Jahr nicht nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben, wo neue Landtage gewählt werden, sondern auch bei drei Kommunalwahlen: im März in Bayern und Hessen und im September in Niedersachsen. Höchste Zeit also, aus den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Die tröstlichste und herausforderndste Erkenntnis lautet: Im Kern geht es den Wählern um Vertrauen. Duisburg führt das exemplarisch vor. Dort regiert Oberbürgermeister Sören Link von der SPD schon seit 2012 unter schweren Bedingungen. Wie kaum ein zweiter Kommunalpolitiker benennt Link seit Jahren auch Probleme wie Sozialbetrug und die Folgen der Armutsmigration im Rahmen der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. Er tut das nicht nur in aller Deutlichkeit, sondern versucht auch, sie mit einer Taskforce und Hilfsangeboten zu lösen. Dass das bisher mehr schlecht als recht funktioniert, hat seinem Image nicht geschadet.
Im Gegenteil: Link wird als Macher und Kümmerer wahrgenommen, der bei Wirtschaft und Finanzen einen soliden Zukunftsplan für seine Stadt hat. Und als jemand, der im ursozialdemokratischen Sinn nichts verschweigt, was das Gefühl der Bürger für Sicherheit und Gerechtigkeit verletzt. Auf dieser Grundlage ist eine große Mehrheit der Wähler nach wie vor bereit, ihm das Vertrauen zu schenken.
Mit der Zahl der Schlaglöcher steigt der Zuspruch für die AfD
Umso wichtiger ist, dass auch die schwarz-rote Bundesregierung ihre Sozialstaatsreform angeht und dabei zwei aus kommunalpolitischer Sicht wichtige Versprechen erfüllt: Zum einen müssen Anreize, in die Sozialsysteme einzuwandern, so rasch wie möglich reduziert werden. Zum anderen sind die Kommunen dringend auf die versprochene finanzielle Entlastung angewiesen. Ein wesentlicher Grund, weshalb viele Bürger ihr Umfeld im Niedergang erleben, ist die seit Langem nicht auskömmliche kommunale Finanzausstattung. Mit der Zahl der Schlaglöcher steigt der Zuspruch für die AfD.

Kommunalpolitiker haben gegenüber Bundespolitikern einen Vorteil: Sie sind keine Kunstfiguren. Was bei ihnen vor Ort zählt, ist Authentizität. Damit lässt sich in der Social-Media-Welt punkten, die vor allem in den Großstädten immer wichtiger wird. Sören Link ist in dieser Frage ebenfalls ein Vorbild. In der Kommunalpolitik hat die AfD den Kampf um die größte digitale Reichweite also noch nicht gewonnen. Deshalb müssen Parteien der demokratischen Mitte ihre Bemühungen in den sozialen Medien noch verstärken.
Eine weitere Lehre aus der Kommunalwahl dürfte sein, worauf viele ostdeutsche Politiker schon länger hinweisen: Die Brandmauer ist auf kommunaler Ebene eine Fiktion. Die AfD hat es nur in wenigen Stadträten wie Duisburg und Gelsenkirchen auf Platz zwei geschafft. Der Rechtsruck wird aber erhebliche Folgen haben und die demokratische Mitte in ein schwer lösbares Dilemma führen: Wer glaubt, sich bequem hinter der Brandmauer einrichten zu können, unterliegt einem Trugschluss. Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung gibt das in wichtigen Grundsatzentscheidungen nicht her.
Schon heute sind AfD-Kommunalpolitiker Vorsitzende von Ausschüssen in den Räten. Die werden nämlich nach Verhältniswahlrecht bestimmt, ebenso wie die ehrenamtlichen Bürgermeister. Sie vertreten den Oberbürgermeister bei repräsentativen Anlässen. Die Posten bringen Sichtbarkeit, Zugang, Aufwertung und Normalisierung. Es ist verständlich, dass Politiker der demokratischen Mitte es unerträglich finden, die AfD daran teilhaben zu lassen, und überlegen, wie man sie außen vor halten könnte. Das würde aber auf das Opfer-Narrativ der Partei einzahlen.
Klüger wäre es, in eine harte Auseinandersetzung mit der AfD einzutreten und genau hinzuschauen, wen sie aufstellt. Diese Personen müssen dann gezwungen werden, sich an die demokratischen Regeln zu halten. Das Instrumentarium dafür findet sich in der Gemeindeordnung: Jeder Bürgermeister-Stellvertreter muss sich bei seiner Amtsübernahme verpflichten, das Grundgesetz, die Landesverfassung und die Gesetze zu beachten. Wer das nicht tut, muss abberufen werden.





















