Länderfinanzausgleich: „Völlig aus dem Ruder gelaufen“ – Bayern zahlt, Berlin gibt aus | ABC-Z

Der finanzstarke Süden stemmt den Länderfinanzausgleich fast im Alleingang. Besonders die Bayern werden kräftig zur Kasse gebeten – die ostdeutschen Bundesländer profitieren von den Zahlungen. Bayerns Finanzminister fordert eine „völlige Überarbeitung“ des Systems.
Im Zuge des Länderfinanzausgleichs sind 2024 rund 18,65 Milliarden Euro in Deutschland umverteilt worden. Größter Einzahler war wieder einmal Bayern, der Freistaat stemmt mit rund 9,77 Milliarden Euro 52 Prozent des Gesamtvolumens und zahlt damit im Vergleich zum Vorjahr sieben Prozent mehr ein. Mehr als zwei Drittel des Geldes, 13,92 Milliarden Euro, fließen nach Ostdeutschland. Dies geht aus einer Vorlage des Bundesfinanzministeriums hervor, welche der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt.
„Die offiziellen Zahlen des Bundesfinanzministeriums bestätigten unsere Befürchtungen“, sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Bayern müsse für das Jahr 2024 ein weiteres Mal eine Zahllast auf Rekordniveau stemmen, wieder steuere der Freistaat über die Hälfte des gesamten Ausgleichsvolumens zur Solidargemeinschaft der Bundesländer bei. Dies gehe „zulasten unserer eigenen Finanzkraft und damit der Bürgerinnen und Bürger in Bayern“. Die Daten seien erneut der Beweis, dass der Finanzkraftausgleich, wie der Länderfinanzausgleich offiziell genannt wird, „völlig aus dem Ruder gelaufen ist und eine grundsätzliche Überarbeitung nötig ist“.
Weitere Geberländer sind Baden-Württemberg (rund 5,03 Milliarden Euro), Hessen (3,73 Milliarden Euro) und Hamburg (106 Millionen Euro). Rheinland-Pfalz ist im vergangenen Jahr von der Seite der Geberländer auf die Seite der Nehmerländer gewechselt, das Land erhielt 524 Millionen Euro ausgezahlt.
Profiteure sind Ost-Bundesländer, Niedersachsen und Bremen
Größtes Empfängerland blieb Berlin mit rund 3,94 Milliarden Euro, gefolgt von Sachsen (rund 3,25 Milliarden) und Thüringen (2,04 Milliarden). Stark profitierten von der Umverteilung auch Sachsen-Anhalt (1,81 Milliarden), Brandenburg (1,44 Milliarden) und Mecklenburg-Vorpommern (1,42 Milliarden).
Unter den westlichen Bundesländern sind Niedersachsen (1,53 Milliarden), Bremen (925 Millionen) und Nordrhein-Westfalen (847 Millionen) die größten Zahlungsempfänger. An das Saarland gingen 630 Millionen Euro, gefolgt von Rheinland-Pfalz (524 Millionen) und Schleswig-Holstein (267 Millionen Euro).
So viel zahlten oder erhielten die Länder
• Bayern zahlte 9,77 Milliarden Euro
• Baden-Württemberg zahlte 5,03 Milliarden Euro
• Hessen zahlte 3,73 Milliarden Euro
• Hamburg zahlte 106 Millionen Euro
• Berlin erhielt 3,94 Milliarden Euro
• Sachsen erhielt 3,25 Milliarden Euro
• Thüringen erhielt 2,04 Milliarden Euro
• Sachsen-Anhalt erhielt 1,81 Milliarden Euro
• Niedersachsen erhielt 1,53 Milliarden Euro
• Brandenburg erhielt 1,44 Milliarden Euro
• Mecklenburg-Vorpommern erhielt 1,42 Milliarden Euro
• Bremen erhielt 925 Millionen Euro
• Nordrhein-Westfalen erhielt 847 Millionen Euro
• Saarland erhielt 630 Millionen Euro
• Rheinland-Pfalz erhielt 524 Millionen Euro
• Schleswig-Holstein erhielt 267 Millionen Euro
2023 hat Bayern Klage in Karlsruhe eingereicht
Der Länderfinanzausgleich verteilt Gelder zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern um und soll für annähernd gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland sorgen. Bayern hatte 2023 eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil es seit Jahren das meiste Geld einzahlt. Wann das Gericht eine Entscheidung fällt, ist aber völlig offen.
„Es war richtig und wichtig, gegen diesen untragbaren Zustand den Weg nach Karlsruhe zu beschreiten“, betonte Füracker. Die Klage biete die Chance auf ein Ausgleichssystem, „in dem Solidarität und Fairness wieder im rechten Verhältnis stehen“. Ein Finanzausgleich, der ein derart eindeutiges Ungleichgewicht zulasten eines einzelnen Gebers seit Jahren fortschreibe, habe mit Solidarität nichts mehr zu tun. „Für eine Rückkehr zu einem gerechten Ausgleichssystem müssen auch Nehmerländer ihrer Eigenverantwortung deutlich stärker nachkommen“, sagte Füracker.
Schneider wirft Bayerns „Erpressungsmethoden“ vor
Carsten Schneider (SPD), Ostbeauftragter der Bundesregierung, kritisierte Bayern scharf. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe den Länderfinanzausgleich mitbeschlossen und beschwere sich anschließend darüber. „Mit seinen Erpressungsmethoden haben Söder und die Union bereits den alten Länderfinanzausgleich zerstört“, sagte Schneider dem Portal „t-online“.
Dabei begünstige das jetzige System Länder mit steuerstarken Kommunen, da die Gemeindefinanzkraft nur zu 75 Prozent und nicht zu 100 Prozent berücksichtigt werde, so Schneider. Der neue Mechanismus heißt offiziell Finanzkraftausgleich und wurde 2020 eingeführt. Schon damals hätten Geberländer wie Bayern von der Umstellung profitiert, argumentiert Schneider.
Der Erfurter Bundestagsabgeordnete erinnert zudem daran, dass die Finanzschwäche der ostdeutschen Bundesländer eine Folge der deutschen Teilung sei. Anders als früher gebe es im Osten kaum große Konzernzentralen und dementsprechend geringere Einnahmen durch die Körperschaftssteuer. Das solidarische Ausgleichssystem habe sich bewährt und müsse bestehen bleiben.
dpa/con/sebe