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KZ-Gedenkstätten: „Demokratie braucht eine lebendige Erinnerungskultur“ – Dachau | ABC-Z

Es ist nicht die Art von KZ-Gedenkstätten, sich in Wahlkämpfen zu positionieren. Aber es reicht. Angriffe auf die Gedenkorte und die Erinnerungskultur gibt es schon seit Jahren, aber was im aufgeheizten Wahlkampf der vergangenen Wochen geschehen ist, vertieft die Sorge der Gedenkstättenleiter.

Etwa wenn Trumps Vize, J. D. Vance, Dachau besucht und anderntags auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Brandmauer zur AfD als undemokratisch bezeichnet und zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei aufruft, deren einzelne Funktionäre lautstark geschichtsrevisionistische und holocaust-verharmlosende Positionen vertreten. Die bayerischen KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg rufen Wählerinnen und Wähler vor der Bundestagswahl am 23. Februar „zur Verteidigung einer kritischen Geschichtskultur“ auf.

Keine Neutralität bei demokratischen Grundwerten

Zusammen mit sechs weiteren Gedenkorten in Deutschland, darunter Buchenwald, Bergen-Belsen oder Neuengamme, erklären die Dachauer Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann und ihr Flossenbürger Kollege, Jörg Skriebeleit: „Bei der notwendigen Verteidigung unserer demokratischen Grundwerte und der kritischen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen sowie bei der Würdigung ihrer Opfer gibt es für die Gedenkstätten keine Neutralität. Wegschauen hilft nicht, denn die Zukunft unserer Demokratie betrifft uns alle.“ Der Appell richtet sich gegen alle demokratiefeindliche Strömungen und, namentlich, gegen die AfD, die in drei Bundesländern von den Behörden als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird und im Bund als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt.

Politiker der AfD „diskreditieren die Gedenkkultur und die Arbeit von Gedenkstätten mit dem rechtsextremen Kampfbegriff des ‚Schuldkults‘, versuchen, die NS-Verbrechen kleinzureden oder Geschichte zu verfälschen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten. Dazu gehöre auch die Schuldumkehr, etwa wenn Kanzlerkandidatin Alice Weidel im Wahlkampf Hitler als Kommunisten bezeichne, obwohl Kommunisten in Deutschland zu den ersten Opfern der NS-Diktatur gehörten. Die fortgesetzte Verhöhnung der NS-Opfer ist bekannt: „dämliche Bewältigungspolitik“, „Mahnmal der Schande“ für das Denkmal der ermordeten Juden Europa in Berlin, „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Björn Höcke) oder „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte, wie Alexander Gauland den Nationalsozialismus bezeichnet hat.

Gabriele Hammermann, die Leiterin der KZ-Gedenkstätte in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Irritierend empfanden denn Holocaust-Überlebende wie die Münchnerin Eva Umlauf oder Ernst Grube, Präsident der Lagergemeinschaft, sowie zivilgesellschaftliche Organisationen in Dachau die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD Ende Januar im Bundestag: Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) nahm bewusst in Kauf, dass die AfD seinen Entschließungsantrag für eine verschärfte Migrationspolitik unterstützen würde.  Umlauf, die als Kind Auschwitz überlebt hat, und andere schrieben Merz offene Briefe.

Am 2. Februar demonstrierten auf dem Ernst-Reuter-Platz etwa 5000 Dachauer unter dem Motto „Demokratie braucht Vielfalt“ gegen die Migrationspolitik von CDU und CSU  – und das gemeinsame Vorgehen mit der AfD.  Peter Heller, Kreisrat des Bündnisses für Dachau und Sprecher des Runden Tisches gegen Rassismus, sagt, er glaube Merz schon, dass er sehenden Auges keine Zusammenarbeit, gar eine Koalition mit der AfD anstrebe. Aber Heller weist die wiederholte Behauptung des Unions-Spitzenkandidaten zurück, dass die gemeinsame Abstimmung nicht als Zusammenarbeit gesehen werden dürfe. „Das ist Wortklauberei, egal wie man es nennt. Es war ein Dammbruch und das ohne Not.“

Gerade jetzt ist Erinnerungskultur wichtig

„Demokratie braucht eine lebendige Erinnerungskultur, gerade jetzt. Gedenkstätten und Dokumentationszentren setzen sich täglich für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und ihrer Bedeutung in der Gegenwart ein und werden dies weiterhin tun – auch in zivilgesellschaftlichen Bündnissen für Vielfalt, Demokratie und unteilbare Menschenrechte“, erklären Hammermann und Skriebeleit.

Heller zitiert im Gespräch mit der SZ in Anspielung auf Friedrich Merz, überhaupt auf die Politiker, die nur die aktuelle Legislaturperiode im Auge haben, nicht aber die Zukunft des Landes, den ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel: „Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe der Politiker ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“

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