Kultur

Kyjiwer Stück „Confronting the Shadow“: Den Monolog aus sich herauspressen | ABC-Z

Regisseurin Tamara Trunova und das Kyjiwer Left Bank Theater spielten in Berlin „Confronting the Shadow“ über unterdrückte ukrainische Kultur.

„Übrigens, Malewitsch war Ukrainer.“ Wie ein Hammer fällt dieser Satz in den Bühnenraum des Ballhauses Ost in Berlin. Immer wieder drängt er sich in den Textfluss von Tamara Trunova und dokumentiert die Erfahrung, dass das nichtukrainische Publikum dringend Assistenz braucht, um jahrzehntelange Fehlannahmen endlich zu korrigieren.

Die Regisseurin und ihr Ensemble vom Kyjiwer Left Bank Theater reflektieren in ihrem Bühnenessay „Confronting the Shadow“ den ermüdenden Kampf um internationale Sichtbarkeit. Immer wieder rennen die SchauspielerInnen verbal gegen die Marke „russische Kultur“ an und reklamieren, dass Tschechow jede Spielzeit zuverlässig auf deutschen Bühnen aufersteht.

Es vermittelt sich ein tiefliegender Schmerz, der die jahrhundertelange institutionelle Unterdrückung der ukrainischen Kultur und die gegenwärtige emotionale Lage ihrer TrägerInnen sinnlich erfahrbar macht. Und einen verstehen lässt, warum aus dieser Perspektive Differenzierung unmöglich geworden ist.

Mit Theater die ukrainische Kultur verteidigen

Nackt steht Iryna Tkachenko auf der leeren Bühne und zwingt sich dazu, auf Russisch den weltberühmten Theaterformen-Monolog aus Tschechows „Die Möwe“ aus sich herauszupressen. Eingebettet in eine prägnante Analyse der konkreten Funktionsweise von russischer Propaganda und flankiert durch einen Auftritt des invaliden Veteranen Mykola Hradov-Savytskyi, begreift man, wie schmerzbeladen sich jeglicher Kontakt mit der russischen Sprache gestaltet.

Per Videoeinspieler wird das Foyer des Left Bank Theater ins Ballhaus Ost geholt. In der Mitte steht Volodymyr Kravchuk in der Tarnuniform der ukrainischen Armee. Vor dem Krieg war er Schauspieler am Left Bank Theater. Mit der ruhigen, dezidierten Stimme eines Kommandierenden spricht er von der wichtigen Funktion des Theaters bei der Verteidigung der ukrainischen Kultur. Seine KollegInnen schmiegen sich an ihn wie an einen Baum, bei dem man Schutz sucht und sich geborgen fühlt.

Der Unterschied zwischen Privatperson und Bühnenrolle ist bei dieser Inszenierung komplett aufgehoben. Es ist ein Auftragswerk für das Festival „Performing Exiles“, das KünstlerInnen im Berliner Exil eine Plattform bietet. Trunova und ihr Ensemble aber sind nicht im Exil. Sie harren aus in der Ukrai­ne, in ihrem Theater. Kurz erwähnen sie den Regisseur Les Kurbas, der in den 1920er Jahren das ukrainische Theater revolutionierte. Er und über 200 weitere ukrainische Intellektuelle wurden am 3. November 1937 auf Befehl Stalins ermordet und danach konsequent totgeschwiegen. Heute trägt ein Theater in Lwiw seinen Namen.

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