Berlin

Kürzungspläne in Berlin: Kein Kahlschlag, trotzdem Chaos | ABC-Z

Berlins Landespolitik war noch im politischen Sommerschlaf, als der Haushaltsentwurf für 2026/27 Ende Juli verabschiedet wurde. Nun beginnt der parlamentarische Alltag und in den Parteien und Verbänden erwacht man mindestens verwirrt ob der Pläne des schwarz-roten Senats. So auch in der Linksfraktion, die am Donnerstag mit einem Haushaltsgipfel zum Gegenschlag ausholte.

Unter dem Titel „Wie retten wir die soziale Stadt?“ diskutierten dort Po­li­ti­ke­r:in­nen und Ver­tre­te­r:in­nen von Sozialverbänden. „Das Chaos ist nicht kleiner, sondern größer“, sagte Linken-Fraktionsvorsitzender Tobias Schulze zur Eröffnung im gut besuchten Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses. Bei der Finanzplanung handele es sich um einen Wahlkampfhaushalt, sagt Schulze. Ein Haushalt, der es trotz der Etaterhöhungen schaffe, keine der Kürzungen zurückzunehmen. „Dieser Haushalt macht viel kaputt, zerstört Vertrauen“ und er „beschleunigt die Polarisierung in Arm und Reich“, so Schulze weiter. Wie bereits im Haushalt 2025 werden vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Umwelt und Bildung die Einsparung aufrechterhalten oder weiter verstärkt.

5 Milliarden Euro sollen eingespart werden

Am Dienstag hatte der Senat darüber hinaus auch seine Finanzplanung für die Jahre 2025 bis 2029 beschlossen, die den kommenden Doppelhaushalt ergänzt. Bei der Vorstellung verkündete Finanzsenator Stefan Evers (CDU) einerseits Rekord-investitionen von jährlich bis zu 6 Milliarden Euro, die vor allem in den Schulneubau, die Sanierung von Straßen und Brücken und das Stromnetz fließen werden. Dem gegenüber stehe aber ein jährliches Finanzierungsdefizit von jeweils mehr als 5 Milliarden Euro, vor allem aufgrund steigender Kosten im Personalbereich – Geld also, das eingespart werden soll, etwa durch Leistungskürzungen, aber auch „Modernisierung und Digitalisierung der Berliner Verwaltung“, wie es aus dem Senat heißt.

700 Millionen Euro soll demnach bis 2029 allein bei den Kosten für die derzeit etwa 126.000 Landesbediensteten eingespart werden, etwa durch „Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung und Aufgabenbündelung“. Die Rede ist davon, Doppelstrukturen abzubauen und für einen flexibleren Personaleinsatz zu sorgen. Die Finanzverwaltung teilte auf taz-Anfrage mit, dass das Land „keinen aktiven Personalabbau plant“. Zugleich heißt es in der Finanzplanung, dass bis 2030 etwa ein Viertel der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden wird; diese vollständig durch Neueinstellungen zu ersetzen sei „unwahrscheinlich“.

Dieser Haushalt macht viel kaputt, zerstört Vertrauen und beschleunigt die Polarisierung in Arm und Reich

Tobias Schulze, Linke

Ebenso plant der Senat die Kosten für Büroflächen zu drücken. Die bislang durchschnittlich zur Verfügung stehenden 20 Quadratmeter pro Beschäftigten sollen um ein Viertel reduziert werden, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Arbeitsplätzen etwa durch eine Steigerung der Homeoffice-Quoten.

Landesbeschäftigte und Bevölkerung werden gegeneinander ausgespielt

Bei der Konferenz der Linken berichtete Lucas Krentel von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi von Frust und steigender Arbeitsbelastung bei den Beschäftigten des Landes. „Die Politik wird als nicht beeinflussbar erlebt“, sagt Krentel. Auch kritisierte er, dass die Interessen der Landesbeschäftigten gegen jene der Bevölkerung ausgespielt würden. So würden zwar Tarifsteigerungen in der Kultur berücksichtigt, dafür aber Sachmittel gekürzt und Ticketpreise erhöht.

Auch im Bereich der Hochschulen beobachtet Verdi drastische Mittelkürzungen, was laut Krentel zu dem Wegfall von 10 bis 15 Prozent der Studienplätze führen könnte, an der Charité sogar teils bis zu 50 Prozent.

Dennoch handele es sich bei dem Plan für den kommenden Doppelhaushalt nicht um den wie im Frühjahr befürchteten „sozialen Kahlschlag“, sagte Martin Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Allerdings fehle eine Haushaltsplanung, die auf die Bedarfe der Stadt ausgerichtet ist. Stattdessen würden die fehlerhaften und nicht fachlich fundierten Kürzungen des Nachtragshaushalts 2025 nun weitergeführt. „Wenn wir kein Ziel bestimmt haben, dann ist eine Einsparung nur eine Kürzung.“

Ideologische Schlagseite

Immer wieder wurde bei dem Austausch nicht nur die haushälterische, sondern auf die breitere politische Dimension der Finanzplanung betont. „Man sieht eine politische Schieflage“, sagte Tobias Schulze. Es gebe Straßenbau, aber keine Fahrradwege, es gebe den Görli-Zaun, aber keine Mittel für Gewalthilfe, es gebe Förderung von Privatschulen aber Kürzungen mit bei Bildungsprojekten an öffentlichen Schulen.

Diese Schieflage beobachten auch Ver­tre­te­r:in­nen aus dem Umwelt-, Bildungs-, Mi­grations- und Gewaltschutzbereich in einer anschließenden Plenumsrunde. Eine Vertreterin aus dem Kitabereich wies darauf hin, dass sich die schwarz-rote Politik nicht nur im Haushalt widerspiegele, sondern auch inhaltlich. So beobachte sie im überarbeiteten Bildungsprogramm die Streichung von Programmen für diversitätssensible Bildung und Teilhabe. Von einem „ideologischen Umbau“ spricht Ed Greve vom Migrationsrat Berlin.

Für die kommenden Beratungen im Abgeordnetenhaus fordern der Linken-Fraktionsvorsitzende Schulze und der finanzpolitische Sprecher Steffen Zillich insbesondere Maßnahmen für eine strukturelle Einnahmeerhöhung. Dafür schlagen sie Erhöhungen von Gewerbe- und Grunderwebssteuer und von Parkgebühren vor. Auch Reiche müssten stärker an der Gegenfinanzierung beteiligt werden, so Zillich. Bis zum 18. Dezember haben die Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen und Ver­tre­te­r:in­nen der Stadtgesellschaft noch Zeit ihre Anliegen vorzubringen, dann wird der Doppelhaushalt 2026/27 verabschiedet.

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