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Kurzes Gastspiel auf Weltbühne: Lothar de Maizière – der letzte Sowjetische Besatzungszone-Ministerpräsident wird 85 | ABC-Z


Kurzes Gastspiel auf Weltbühne

Lothar de Maizière – der letzte DDR-Ministerpräsident wird 85

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1990 gewinnt die CDU überraschend die ersten und einzigen freien Wahlen der DDR. Als Ministerpräsident geht Lothar de Maizière aus der Abstimmung hervor. Die Regierungszeit ist kurz, mit der Wiedervereinigung gibt es nur einen Auftrag. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat der Anwalt trotzdem sicher.

Sein Auftritt auf der Bühne der großen Weltpolitik war kurz, als erster demokratisch gewählter und zugleich letzter Ministerpräsident der DDR schrieb sich Lothar de Maizière dennoch in die Geschichtsbücher ein. So verhandelte er den Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen Deutschland und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs mit, der den Weg für die Wiedervereinigung frei machte. Genauso schnell erfolgte anschließend der Rückzug ins Private und in den erlernten Beruf als Anwalt. An diesem Sonntag wird de Maizière 85 Jahre alt.

Nach dem politischen Amt drängte sich de Maizière nie. Auf die Frage, was er als damaliger DDR-Ministerpräsident gefühlt habe, als mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 alles vorbei war, sprach er vor vier Jahren in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ von Erleichterung. „Ich wusste, ich werde dieses Joch los am Abend, dann sind andere dran.“

Vom Bratschist zum Schlüsselakteur im Übergang zur deutschen Einheit

Bundeskanzler Helmut Kohl und de Maizière mit seiner Bratsche und Kanzlergattin Hannelore Kohl auf dem traditionellen Gartenfest des Bundeskanzlers in Bonn (1990).

Bundeskanzler Helmut Kohl und de Maizière mit seiner Bratsche und Kanzlergattin Hannelore Kohl auf dem traditionellen Gartenfest des Bundeskanzlers in Bonn (1990).

(Foto: picture-alliance / picture-alliance/dpa)

Der in Nordhausen geborene de Maizière stammt aus einem Hugenottengeschlecht. Der Cousin des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière und Neffe des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Ulrich de Maizière, war ursprünglich Musiker. Er spielte nach seinem Musikstudium Bratsche in verschiedenen Orchestern, bevor Gesundheitsprobleme einen Berufswechsel erzwangen. Nach einem juristischen Fernstudium wurde der dreifache Vater Rechtsanwalt und machte sich in der DDR in Oppositionskreisen durch die Verteidigung von Wehrdienstverweigerern und politisch Verfolgten einen Namen.

Seit 1956 Mitglied der Ost-CDU, löste de Maizière während des politischen Umbruchs im November 1989 Gerald Götting an der Spitze der ehemaligen Blockpartei ab. Unter der Führung des engagierten Protestanten gab sich die CDU ein neues, marktwirtschaftlich orientiertes Programm. Dem Kabinett Hans Modrow gehörte de Maizière ab November 1989 als stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Kirchenfragen an.

Nach dem überraschenden Sieg der Christdemokraten bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 bildete de Maizière eine Koalition mit SPD und Liberalen. Die spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde seine Vizeregierungssprecherin. Die letzte, nur 174 Tage amtierende DDR-Regierung sah den geordneten Übergang zur deutschen Einheit als ihren einzigen politischen Auftrag an.

De Maizière sah sich dabei stets als Anwalt der DDR-Bürger. Er habe angesichts der zusammenbrechenden Wirtschaft oder der Währungsunion „versucht zu retten, was zu retten ist“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Als größten Erfolg und „emotionalsten Moment“ seiner kurzen Amtszeit beschrieb er die Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags am 12. September 1990, der die Bedingungen für die Wiedervereinigung regelte.

Einen Tag nach der Wiedervereinigung trat de Maizière neben anderen DDR-Politikern als Minister für besondere Aufgaben in die gesamtdeutsche Bundesregierung ein. Stasivorwürfe bremsten jedoch eine weitere politische Karriere aus. Belegt wurden die Vorwürfe, die de Maizière bestritt, nie. „Ich weiß, was ich gemacht habe und was nicht, und natürlich hatte ich Kontakte zur Stasi durch meine Tätigkeit, jede Menge“, sagte er mit Blick auf seine Arbeit als Anwalt in der DDR.

Nach zunehmenden Konflikten mit der CDU-Zentrale und dem Zerwürfnis mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zog sich de Maizière im September 1991 endgültig aus der Politik zurück. Er gab den Vizevorsitz der Bundes-CDU und sein Bundestagsmandat auf, kehrte in den Anwaltsberuf zurück und spezialisierte sich unter anderem auf offene Vermögensfragen.

Als Vorsitz des Lenkungsausschusses im Petersburger Dialog

Die Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, Wiktor Subkow, und Lothar de Maizière bei der Eröffnung des 13. deutsch-russischen Gesprächsforums in Kassel (2013). Die Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, Wiktor Subkow, und Lothar de Maizière bei der Eröffnung des 13. deutsch-russischen Gesprächsforums in Kassel (2013).

Die Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, Wiktor Subkow, und Lothar de Maizière bei der Eröffnung des 13. deutsch-russischen Gesprächsforums in Kassel (2013).

(Foto: picture alliance / dpa)

In der Öffentlichkeit wurde de Maizière unter anderem zwischen 2005 und 2015 präsent. Er übernahm als Vorsitzender des Lenkungsausschusses das vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Staatschef Wladimir Putin ins Leben gerufenen Gesprächsformat Petersburger Dialog.

Seinen beruflichen Werdegang beschrieb de Maizière vor einigen Jahren in einem Interview ironisch als „einzigen Abstieg – erst Musiker, dann Anwalt, dann in die Politik“. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat er aber sicher.

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