Politik

Kurswechsel in Sri Lanka – Politik | ABC-Z

Die Wählerinnen und Wähler in Sri Lanka wollen den Wechsel. Sobald die zweite Zählung der Stimmen abgeschlossen ist, wird der nächste Präsident wohl Anura Kumara Dissanayake heißen. Er war der Kandidat von mehreren Parteien, die verhindern wollten, dass wieder einer aus der alten Garde der Politiker an die Macht kommt, die das kleine Land in den Bankrott gesteuert hatten. „Dies ist eine Wahl, die die Geschichte Sri Lankas verändern wird. Die Menschen wählen mit Begeisterung“, sagte Dissanayake vor Reportern nach Abgabe seiner Stimme in einem Tempel am Stadtrand von Colombo. Seine Wahl steht gleichzeitig für Protest und Hoffnung.

Etwa 75 Prozent der 17 Millionen Wahlberechtigten gaben nach Angaben der Wahlkommission am Samstag ihre Stimme für einen von 38 Kandidaten ab. Die Analysen im Vorfeld der Wahlen hatten ein knappes Ergebnis prophezeit. Dissanayake erhielt 39,5 Prozent der ausgezählten Stimmen, der bisherige Oppositionsführer Sajith Premadasa lag mit 34 Prozent an zweiter Stelle. Der amtierende Interimspräsident Ranil Wickremesinghe landete auf dem dritten Platz. Seit 1972 hatte die Macht in Sri Lanka eigentlich nur zwischen zwei großen politischen Blöcken gewechselt.

In der Krise gab es Milchpulver nur noch auf dem Schwarzmarkt

Der Rajapaksa-Clan, dessen Familienmitglieder jahrelang als Präsidenten und Premierminister an der Macht waren oder sich Ministerien sicherten, waren in Gestalt des 38-jährigen Namal Rajapaksa zur Wahl angetreten, doch er landete mit einem einstelligen Stimmenanteil nur auf dem vierten Platz. Zu tief hatten die Rajapkasas das Land in den Ruin geritten und sich dabei bereichert.

Vor zwei Jahren war Sri Lanka in eine Wirtschaftskrise geschlittert, als die Folgen der Pandemie so fatal mit politischen Fehlentscheidungen aufeinandertrafen, bis Präsident Gotabaya Rajapaksa schließlich von Massenprotesten aus dem Amt gejagt wurde. Tankwarte mussten von Soldaten beschützt werden, weil es kaum noch Treibstoff gab. Wer einen Herzinfarkt bekam, starb mit hoher Wahrscheinlichkeit, weil die Krankenhäuser keine Medikamente mehr kaufen konnten. Milchpulver bekam man nur noch gegen US-Dollar auf dem Schwarzmarkt. Die Inflation lag zeitweise bei 70 Prozent.

Wickremesinghe übernahm das Präsidentenamt übergangsweise und setzte eine Technokraten-Regierung ein, die weitere Kredite mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verhandelte und einen Sparkurs einleitete. Mit Unterstützung eines 2,9 Milliarden US-Dollar schweren IWF-Rettungsprogramms erholte sich die Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren zaghaft. Doch die hohen Lebenshaltungskosten sind für viele Wählerinnen und Wähler weiterhin ein entscheidendes Thema, obwohl sich die Inflation bis kurz vor der Wahl auf 0,5 Prozent abkühlte und für 2024 sogar zum ersten Mal seit drei Jahren wieder ein Wirtschaftswachstum prognostiziert wird. Dennoch setzen viele Hoffnungen auf eine bessere Zukunft mit einem neuen Staatschef.

Der Sieger verspricht, Politik für die Armen zu machen

Im Gegensatz zu Ranil Wickremesinghe, 75, der schon in vielen Positionen in diversen Regierung saß, ist Anura Kumara Dissanayake, 55, ein frischer Kandidat. Er hat mit dem Versprechen Wahlkampf gemacht, hart gegen die allgegenwärtige Korruption im Land vorzugehen und Politik für die Armen zu machen. Seine früher radikal-marxistische Partei Janatha Vimukthi Peramuna reformierte er so, dass sie in der Mitte der Gesellschaft Akzeptanz finden konnte. Und er schmiedete die Koalition National Peoples Power, die neue Gesichter in die Politik bringen will und viele Frauen mobilisiert, die vom wirtschaftlichen Zusammenbruch besonders hart betroffen waren.

So konnte er sich als Alternative zu den Kandidaten der Vergangenheit positionieren, die vielen der rund 23 Millionen Einwohner des kleinen Inselstaates nur Elend gebracht hatten. Allerdings machen sich Investoren und Kreditgeber durchaus Sorgen, weil Dissanayake unter anderem Steuersenkungen versprochen hat, ohne zu konkretisieren, woher das Geld dafür kommen soll. Er hat allerdings auch angekündigt, die Absprachen mit dem IWF einhalten zu wollen, um die Wirtschaft auf einen stabilen Wachstumspfad zu bringen, die Märkte zu beruhigen und Investoren anzuziehen. Einem Viertel der Bevölkerung will er aus der Armut helfen.

„Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass der Aufstand, den wir 2022 erlebt haben, noch nicht vorbei ist“, sagte Pradeep Peiris, Politikwissenschaftler an der Universität von Colombo, der Nachrichtenagentur Reuters. Sobald er vereidigt ist, wird Anura Kumara Dissanayake nun aber auch in Verhandlungen mit den Großmächten China und Indien treten müssen, bei denen das kleine Sri Lanka überschuldet ist, nachdem die Rajapaksas sich wechselseitig Geld geliehen hatten. Er muss es also mit mehreren Giganten gleichzeitig aufnehmen.

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