Marketing im Tourismus: Von sogenannten “Trends” im Urlaub – Reise | ABC-Z

Kommt Urlaub ursprünglich von Urbäumen aus dem Urwald? Nein, der Begriff stammt vom mittelhochdeutschen Wort „Urloup“, das bedeutet „Erlaubnis“. Mägde und Knechte mussten ihre Dienstherren fragen, wenn sie den Bauernhof verlassen wollten, um mal auszuspannen. Erst im Jahr 1903 erkämpften sich Brauereiarbeiter das Recht auf Urlaub, ganze drei freie bezahlte Tage gab es damals im Jahr. Heutzutage stehen deutschen Arbeitnehmern und -nehmerinnen jährlich mindestens 24 Werktage Urlaub zu – und sie haben urviele Möglichkeiten, ihn zu gestalten.
Einfach in Ferien fahren? Viel zu simpel gedacht. Die Tourismusindustrie erfindet fast täglich neue, immer beknacktere Urlaubsformen. Quietcation: Urlaub an einem ruhigen Ort, dabei auch mal die Klappe halten. Staycation: zu Hause bleiben und sich dort erholen. Als neuester heißer Scheiß gilt Coolcation, Urlaub in kühlen Regionen, um der Sommerhitze zu entfliehen. Das war vor 100 Jahren übrigens schon mal ein Trend, man nannte es Sommerfrische. „Mushroom Searching“, „Fresh-Air-Snapping“ und „Weißwurschting“ waren Erfindungen von Gerhard Polt, doch die Realität hat die Satire längst eingeholt.
Hotels bieten Sleepcation-Pakete an, bei denen das Schlafen im Fokus steht. Das Gegenprogramm dazu: Workation, eine zweifelhafte Mogelpackung, von der Arbeitgeber und Hoteliers profitieren, bei der arbeitende Urlaubende aber garantiert Geld verlieren. Nicht verwechseln sollte man Workation mit Bleisure, einem Mix aus Geschäftsreise (Business) und Freizeit (Leisure) – natürlich ganz was anderes! Apropos Natur: Wer aufs Land fährt oder durch den Wald wandert, ist ein Trendgänger, denn er macht „Naturlaub“, das geht natürlich nur in offiziellen Naturlaubsunterkünften.
:Die vegane Wurst der Mobilität
Sehnsucht nach der guten alten Zeit: Eine Autofirma hat sich nun einen Schalthebel für E-Autos patentieren lassen, obwohl es den gar nicht braucht.
Brocation kann auch Richtung Adrenacation gehen
Ferien mit Familie und Freunden sind nicht mehr Ferien mit Familie und Freunden, sondern neuerdings etwas ganz Spezielles. Eine PR-Agentur preist die Momcation in einem Gourmet-Hideaway mit Wald-Spa an, also eine Auszeit mit der Mutter. Hercation: ein Ausflug mit Freundinnen. Das männliche Pendant dazu ist Brocation, ein Trip mit Kumpeln. Brocation kann auch Richtung Adrenacation gehen, eine adrenalingeladene Abenteuertour, vielleicht mit Bungeejumping, Extremebeerdrinking und Vollausdemruderlaufing.
Der letzte Zweier-Urlaub werdender Eltern heißt Babymoon, in der Phase danach gehen junge Familien dann nahtlos zur Kidcation über. Ist ein Hund dabei, sollte man unbedingt Petcation buchen. Und wenn die Großeltern mit den Enkeln zelten gehen, ist das nicht etwa ein Camping-Ausflug mit Opa und Oma, das nennt sich dann Gramping. Gut und schön, aber diese trendige Überfrachtung ganz banaler Dinge grenzt an Krampfing und Lockenaufglatzedrehing. Geht es im Urlaub nicht einfach darum, sich zu erholen, möglichst an einem schönen, ruhigen Ort? Kann sein, aber das heißt heute eben Staycation, Quietcation und Digital Detox. Dabei könnte man es auch einfacher mit kurzen deutschen Wörtern ausdrücken: Sitz, Platz, bleib – und aus.
