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Kunsttempel auf Reisen: Frankfurter Schirn Kunsthalle muss umziehen | ABC-Z

Stand: 04.09.2025 06:33 Uhr

Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main gehört zu Europas wichtigsten Ausstellungshäusern für moderne Kunst. Wegen Sanierung muss sie jetzt umziehen – in ein Ausweichquartier mit bewegter Geschichte.

Von Von Christoph Scheffer, hr

Sebastian Baden ist happy. Seit drei Jahren leitet der erfahrene Ausstellungsmacher die renommierte Frankfurter Schirn Kunsthalle. Jetzt hat er eine besondere Zeit vor sich. Denn die Schirn muss für zwei Jahre raus aus ihrem postmodernen Bau mitten in der wiederaufgebauten Frankfurter Altstadt.

Das Ausweichquartier ist ein altes Druckereigebäude mit bewegter Geschichte. “Ein Glücksfall”, schwärmt Baden. Nicht nur “hochkarätige Ausstellungen” will er hier weiterhin zeigen, sondern auch “einen Ort der Begegnung, der Kunst und Kreativität für ein breites Publikum und alle Altersgruppen schaffen”.

Die alte Dondorf Druckerei in Frankfurt-Bockenheim

Druckereigebäude sollte abgerissen werden

Stahlträger in Grün, Pink und Blau leuchten vor alten Mauern der ehemaligen Druckerei. Knallige Farben kombiniert mit der Industrieromantik des 19. Jahrhunderts prägen den entkernten Eingangsbereich mit Foyer und Café. Zwei Ausstellungshallen wurden in dem Komplex untergebracht und museumsgerecht gestaltet. Von außen blieb die Backsteinfassade der Gebäude nebst Schornstein erhalten. Eine Brücke zwischen den Gebäudeteilen überspannt einen einladenden Hof.

Noch vor zwei Jahren sollte dieser Bau aus dem Jahr 1890, in dem zuletzt die Kunstpädagogik der Frankfurter Universität untergebracht war, abgerissen werden. Das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik wollte hier einen Neubau errichten. Eine studentische Initiative besetzte das Gebäude im Besitz des Landes Hessen und forderte den Erhalt als nichtkommerzielles Kulturzentrum unter dem Motto “Druckerei für alle”.

Schirn-Direktor Sebastian Baden in den neuen Räumen der Dondorf Druckerei

Jüdische Familie gründete die Druckerei

Auch um das Erinnern ging es bei der Hausbesetzung – an das Schicksal der jüdischen Familie Dondorf, die die Druckerei einst gegründet hatte. Und an die Geschichte des Betriebs, der zunächst Spielkarten und Wertpapiere druckte, später dann NS-Propagandaschriften. Stadtteilinitiativen machten sich ebenfalls für das Gebäude stark, weil es an die Industriegeschichte des früheren Universitätsviertels Bockenheim erinnert.

Zweimal wurde die Besetzung von der Polizei beendet, doch dann gab das Max-Planck-Institut seine Neubaupläne auf. Gleichzeitig waren die Verantwortlichen der Schirn Kunsthalle auf der Suche nach einem Ausweichquartier. Denn bei ihrem 1986 bezogenen Bau im Zentrum Frankfurts fielen die Sandsteinplatten von der Fassade und eine energetische Sanierung war dringend nötig. Die Idee für den Schirn-Umzug nach Bockenheim war geboren.

Initiativen bekommen eigene Räume in der Druckerei

“Prädestiniert” sei die Dondorf Druckerei für die Nutzung durch die Schirn, meint Direktor Sebastian Baden – schon wegen der künstlerischen Tradition des Ortes von Druck, Grafik und Design. Ein “Impuls für unsere eigenen Ausstellungen”, so Baden.

Er freut sich auch auf die Nachbarschaft mit jenen Initiativen, die für den Erhalt des Gebäudes gekämpft haben und jetzt eigene Räume in der Dondorf Druckerei bekommen. Es sei ein “Gewinn, dass diese charmante Industriearchitektur erhalten bleiben kann und damit auch ein Freiraum für Kulturarbeit, für künstlerische Erzählungen.”

Halbe Millionen Besucher pro Jahr in der Schirn Kunsthalle

Rund eine halbe Million Besucher im Jahr zieht die Schirn Kunsthalle an. Neben Blockbuster-Ausstellungen mit Werken von Lyonel Feininger, Niki de Saint Phalle, Marc Chagall oder Basquiat, werden hier immer wieder auch zeitgenössische Newcomer präsentiert.

Das alles in ganz anderen Räumen umzusetzen, reizt Sebastian Baden und sein Team: “Wir lieben es, neue Räume zu entdecken und neue Perspektiven zu schaffen.” Als erste Ausstellungen werden hier Videoinstallationen der philippinisch-kanadischen Künstlerin Stephanie Comilang ab 25. September und die weltweit erste Werkschau der Dada-Pionierin Suzanne Duchamp ab 10. Oktober zu sehen sein.

Industrieromantik in der Dondorf Druckerei

Umzugsfest der Schirn am 7. September

Zunächst muss aber der Umzug über die Bühne gehen. Die Schirn hat als Haus für Wechselausstellungen keine eigene Sammlung, empfindliche Kunstwerke müssen also nicht bewegt werden. Werkstätten und Büros sind schon in das Druckereigebäude eingezogen. Jetzt fehlt nur noch der feierliche “rite de passage”, wie Baden sagt – der Übergangsritus. Für den wurde die Berliner Choreografin Sasha Waltz engagiert, die mit ihrer Tanzcompagnie und rund 100 Laientänzerinnen und -tänzern den Umzug vom angestammten Schirn-Gebäude in die Bockenheimer Druckerei als Parade inszenieren wird.

Begleitet wird der Umzug von der Hamburger Techno-Marching-Band MEUTE. Am Nachmittag des 7. September werden Tausende Schaulustige dazu erwartet.

Baden ist überzeugt: Die Druckerei bleibt erhalten

Nach zwei Jahren soll die Sanierung der Schirn im Herzen Frankfurts abgeschlossen sein. Dann soll die Kunsthalle an ihren Stammsitz zurückkehren. Sebastian Baden kann sich schon jetzt vorstellen, dass er den romantischen Industriebau in Bockenheim vermissen wird.

Aber die alte Dondorf Druckerei werde auch nach der Nutzung durch die Schirn erhalten bleiben, ist Baden überzeugt: “Wir haben hier Büroräume und perfekte Ausstellungshallen geschaffen und ich bin zuversichtlich, dass unsere Vorarbeit den langfristigen Erhalt dieses Gebäudes sichert.”

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