Kulturelle Teilhabe in der Diskussion: „Wie wenig Kultur können wir uns leisten?“ | ABC-Z

An diesem Tag geht es aber um weitaus mehr – darum, wie man die Kulturbranche für alle öffnen kann. Unter dem Motto „Kulturelle Teilhabe: eine Frage der Gerechtigkeit, ein nicht eingelöstes Versprechen“ wurden Kulturschaffende aus verschiedenen Bereichen ins Abgeordnetenhaus eingeladen. Die Politikwissenschaftlerin Vera Allmanritter ist eine von drei Expertinnen, die das Gespräch mit Evidenz untermauert.
Ihre Zahlen zeigen den Ist-Zustand: Fast alle Berliner:innen würden Kulturangebote besuchen, schließlich gäbe es ja auch ein riesiges Angebot. Zumindest, wenn man den Kulturbegriff, so wie Allmanritter, weit fasst. Für sie zählen etwa Clubs zur Kulturszene, für andere in der Runde gehören selbst Parks dazu. Wenn man den Begriff aber auf „Hochkultur“ beschränkt, dann empfinden etwa 30 Prozent der Bevölkerung diese als „nicht für Menschen wie mich“.
Kulturelle Bildung ist entscheidend
Die meisten wenden sich von der Kultur ab, weil sie zu wenig Zeit, zu wenig Geld oder zu wenige Angebote nach ihrem Geschmack in der Nähe haben. Marketingmaßnahmen würden diese Verlorenen größtenteils gar nicht mehr erreichen, sondern nur das Stammpublikum.
Zudem konkurriert Kultur mit anderen Freizeitangeboten. Während der Covid19-Pandemie mussten sich viele Berliner:innen ein anderes Hobby suchen, bis heute bleiben davon starke Umgewöhnungs- und Entwöhnungseffekte. Auch die Erwartungen der Menschen haben sich geändert, berichtet Allmanritter. Beispielsweise steigt das Verlangen nach Mitbestimmung.
Natürlich ist die Antwort darauf, warum manche sich so ausgeschlossen fühlen, aber viel komplizierter als das. Viele Faktoren haben einen möglichen Einfluss auf das kulturelle Interesse. Darunter Bildung, Wohnort, Barrieren oder die generellen Lebensumstände. Entscheidend sei insbesondere die kulturelle Bildung, sagt Allmanritter. Wer als Kind oder Jugendliche:r positive Erfahrungen mit Kultur sammelt, ist auch im Erwachsenenalter empfänglicher dafür.
In Berlin sei die Zusammenarbeit zwischen Kultur und Bildung ausbaufähig, sagt die Politikwissenschaftlerin. Es fehle an einem strategischen Ziel. „Es braucht einen Kulturwandel“, sagt Allmanritter. Sie rät zu evidenzbasierter Arbeit, also: Statistiken kennen und nach ihnen handeln.
Fehlende Barrierefreiheit
In der offenen Diskussion des Fachgesprächs wird klar, dass das Thema viele Kulturschaffende umtreibt. Charlotte Bartesch vom FELD Theater für junges Publikum in Tempelhof-Schöneberg kritisiert die fehlende Barrierefreiheit, etwa für taube und gehörlose Kinder. Das liege auch daran, dass es wegen des exklusiven Ausbildungszugangs kaum taube Künstler:innen gebe. „Repräsentation und Identifikation sind extrem wichtig“, sagt Bartesch.
Es gibt so viele offene Probleme, dass dieser Text nicht mal im Ansatz dafür ausreicht. Einig sind sich die Anwesenden aber in zwei Punkten: Es braucht eine langfristige Förderung und mehr Zusammenarbeit mit Betroffenen.