Kultur: Gesellige Vereinigung feiert 150-jähriges Bestehen – Landkreis München | ABC-Z
Kunst ist ohne Frage eine ernstzunehmende Sache. Das heißt freilich nicht, dass man sie nicht mit Humor betreiben kann. Wie herrlich unernst sich Künstlerinnen und Künstler selbst nehmen, während sie zugleich hohe Kunst betreiben, lässt sich etwa an der Aufnahme der Teilnehmer der sogenannten „Habenschadenfeier“ aus dem Jahr 1894 erkennen. Acht als Ritter gewandete Herren schauen da in die Kamera, abgelichtet vor der Burg Schwaneck in Grünwald, wo sie zum 50. Bestehen des Münchner Künstlerunterstützungsvereins und im Gedenken an den Maler Sebastian Habenschaden ein Ritterspiel aufführen. Eines haben die Abgebildeten gemeinsam: Sie alle sind Kunstschaffende, die sich in der „Geselligen Vereinigung bildender Künstler Münchens“ zusammengefunden haben.
Die Vereinigung wurde im Jahr 1875 gegründet und besteht durchgehend bis heute, damit stellt sie eine Seltenheit in der Vereinslandschaft dar. Anlass für die Gründung, zunächst unter dem Dach der „Münchner Künstlergenossenschaft“, war, dass die Kunstschaffenden der rein beruflichen Verbundenheit eine menschliche Komponente hinzufügen wollten – eben jene Geselligkeit, welche die Vereinigung im Namen trägt. Die „Geselligen“ waren von Anfang an darauf ausgelegt, einerseits die Kontaktpflege untereinander zu institutionalisieren, als auch die künstlerischen Interessen der Mitglieder nach außen zu vertreten.
„In den Gründungsjahren bis zum Ersten Weltkrieg war die Vereinigung in der ganzen Stadtgesellschaft verankert“, sagt Andreas Sames, der seit 2023 dem Verein vorsteht. Kein wichtiges Künstlerfest fand ohne die „Geselligen“ statt, oft trat die Vereinigung auch selbst als Veranstalterin von Bällen und Soireen auf.
Als Maler, Konzeptkünstler und Poet verkörpert der Neufahrner Sames das breite Spektrum an Kunstformen, das seit jeher die Mitglieder der „Geselligen“ auszeichnete. Schon zur Zeit ihrer Gründung Ende des 19. Jahrhunderts beschränkten sich die Mitglieder nicht, wie der Name vermuten lassen mag, streng auf bildende Künste; auch Schauspieler, Architekten oder Komponisten waren Teil der Vereinigung. Zahlreiche klangvolle Namen der Münchner Kulturszene waren Mitglieder oder Ehrenmitglieder. Unter anderem der einstige Hof-Intendant und Musikdirektor Karl von Perfall, Architekt Georg von Hauberrisser, Landschaftsmaler Josef Wenglein, die Maler Heinrich Heinlein, Theodor Pixis, Otto Bromberger oder Eugen von Stieler oder auch Schauspieler Richard Stury. Einigen von ihnen sind heute Straßen in München gewidmet. „Insgesamt waren es mehr als 800 Mitglieder in 150 Jahren“, sagt Sames.
Aktuell zählen gut 50 Künstlerinnen und Künstler aus allen Genres zu den „Geselligen“, sie drücken sich aus durch Malerei, Bildhauerei, Poesie, Musik oder auch moderne Medien. Die Altersspanne reicht von 30 bis 90 Jahren, die Mitglieder stammen aus verschiedenen Nationen und bringen unterschiedliche kulturelle wie künstlerische Erfahrungswerte mit. Einmal im Monat treffen sie sich im Allotria-Keller des Lenbachhauses in München zum Austausch, Arbeiten werden diskutiert oder Gäste zu Vorträgen eingeladen. „Künstler brauchen die Auseinandersetzung“, sagt Sames.
Wie nahrhaft dieser Austausch und die unterschiedlichen Herangehensweisen für das Schaffen der Einzelnen ist, lässt sich beim Besuch der Jubiläumsausstellung erahnen. Die Ausstellung im Grünwalder Kunstforum zeigt einen Querschnitt durch die beeindruckende stilistische Breite der Arbeiten der Vereinsmitglieder, die von Comic zu Stilleben, von Expressionistischem zu Naturgetreuem, von Skulptur zu Gemälde, von Schmuck zu Poesie reicht. Dabei bleibt die Werkschau fern von Beliebigkeit; wer als Mitglied der „Geselligen“ angenommen werden will, muss von der dauerhaften Qualität seines Schaffens überzeugen können. Zum Thema „Farbe, Form, Dynamik“ haben 42 Künstlerinnen und Künstlern Werke geschaffen, die nun in Grünwald zu sehen sind.
Ergänzt wird die Ausstellung von erhellenden Fundstücken aus der Historie der Vereinigung, alten Programmen, Fotoaufnahmen vergangener Faschingsbälle, Karikaturen und mehr, die das rege Münchner Kulturleben vergangenen Jahrzehnte aufleben lassen. Zum Jubiläum haben die heutigen Vereinsmitglieder großen Aufwand betrieben, im Stadtarchiv und der Monacensia recherchiert und ein ambitioniertes Programm aufgestellt: Jeden Monat wird es eine Veranstaltung geben, jede mit einem besonderen Bezug zur Historie der Vereinigung. Eingeleitet haben die „Geselligen“ ihr großes Jubiläumsjahr mit Fanfarenklängen Anfang Januar im Fraunhofertheater. Die Ausstellung in Grünwald ist nun der offizielle Startschuss. Folgen werden etwa der Besuch des Münchner Faschings, die Uraufführung eines eigens komponierten „Geselligen-Marschs“ wie auch die Präsentation eines Dokumentarfilms über die Geschichte der Vereinigung. Auch eine eigene Briefmarke hat die Vereinigung anfertigen lassen.
Der Blick zurück soll aber keinesfalls den Blick auf die Gegenwart trüben. Es sei ein Spagat, sagt Vereinsvorstand Sames, zwischen dem Bewahren der traditionsreichen Geschichte, an der die „Geselligen“ von manchen bis heute gemessen werden, und den Herausforderungen, welche die Gegenwart an einen Kunstverein stellt. Themen wie künstliche Intelligenz treiben den Kunstmarkt um und beschäftigen auch die Mitglieder. Ebenso wie die Frage der Sichtbarkeit in einem Zeitalter medialer Omnipräsenz. Bislang setzt die Vereinigung vor allem auf klassische Ausstellungsformate, qualitätvoll und wohlkuratiert, um Zuschauer zu gewinnen. Doch auch auf Social Media wie Instagram will man sichtbarer werden. Ein Grundwert aber bleibt, damals wie heute: „Es geht uns ums Können und ums Menschliche“, sagt Andreas Sames. „Diese Kombination trägt.“
Die Ausstellung „Farbe, Form, Dynamik“ aus Anlass des 150-jährigen Bestehens der „Geselligen Vereinigung bildender Künstler Münchens“ ist noch bis 19. Februar im Kunstforum Römerschanz, Dr.-Max-Straße 1 in Grünwald zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von 9 bis 21 Uhr und Freitag von 9 bis 12 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der nächste Stammtisch findet am 11. Februar von 19 Uhr an im Künstlerhaus am Lenbachplatz statt.